Alexander Zorniger kündigte vor der Partie an, dass die heutige Startaufstellung bereits ein Fingerzeig sein würde, welche Spieler am kommenden Freitag gegen den Halleschen FC von Beginn an auflaufen werden. Im bewährten 4-3-1-2 System bildeten wie erwartet Christian Müller, Niklas Hoheneder, Tobias Willers und Anthony Jung die Viererkette. Kurzum: Sie machten einen guten Job. Neuzugang Anthony Jung fehlt zwar etwas die Sicherheit in seinen Aktionen und auch der Vorwärtsdrang wirkte teilweise gehemmt, die entscheidenden Zweikämpfe konnte er aber größtenteils für sich entscheiden. Die Innenverteidigung war gerade in den ersten 45 Minuten äußerst aggressiv und hellwach, ließ kaum Torchancen zu.

Im Mittelfeld entschied sich Zorniger für die Dreierreihe Fandrich – Kaiser – Schulz.  Aus meiner Sicht ein wenig überraschend, denn ich hätte André Luge, der zuletzt einen guten Eindruck hinterließ, in der Startelf erwartet. Davor gab Rockenbach den Spieler hinter den Spitzen, zeigte aber erneut eine eher durchwachsene Leistung. Unser preußischer Brasilianer scheint noch nach seiner Form zu suchen, genießt aber das Vertrauen des Coachs. Fraglich ist jedoch, ob diese Geduld endlich ist – mit Thomalla steht bereits ein hungriger und talentierter Spieler bereit, seine Chance zu nutzen. 

Das Angriffsduo bildeten Daniel Frahn und „The Danish Dynamite“ Yussuf Poulsen. Frahn arbeitete und lief wie immer viel, blieb bei seinen Aktionen heute aber ohne Torerfolg. Poulsen zeigte mehrfach in Halbzeit eins, wie technisch hochbegabt und wieselflink der Neuzugang aus Dänemark ist. An Selbstvertrauen mangelt es dem 19-jährigen jedenfalls nicht – anders ist es nicht zu erklären, dass er mitten im Spiel plötzlich auf vier Hertha-Spieler zuläuft und sie auf einem Quadratmeter austanzt. Ihm fehlt zwar noch etwas die Bindung zum Mittefeld, aber die entsteht auch nicht von heute auf morgen.

Unsere Mannschaft erarbeitete sich in Halbzeit eins mehrere Torchancen heraus (2. Minute Kaiser mit Distanzschuss nach Balleroberung knapp am Tor vorbei; 21. Minute Fandrich nach vor Vorarbeit von Poulsen an den Pfosten und 27. Minute Frahn mit Kopfball neben das Gehäuse) und hätte durchaus die Führung verdient gehabt. Das aggressive Pressing in der gegnerischen Hälfte sorgte für einige Ballgewinne und zwang die Herthaner vermehrt zu einfachen Fehlern. Kurz vor der Pause übernahm die „alte Dame“ langsam das Heft des Handels und bestimmte fortan die Partie.

In der zweiten Halbzeit hatte unsere Mannschaft den elf neu eingewechselten Hertha-Spielern nur noch wenig entgegenzusetzen. Vor allem der stetig agile Adrian Ramos, der mit einem sehenswerten Treffer auch das 1:0 erzielte, sorgte immer wieder für Gefahr in der Leipziger Hintermannschaft. Fabio Coltorti war es letztlich mit seinen guten Paraden zu verdanken, dass die Niederlage nicht höher ausfiel. Die Roten Bullen kamen zwar durch einen Kopfball von Niklas Hohender, einem Lupfer von Poulsen und einem Torschuss von Kammlott zu drei Gelegenheiten, die allerdings nicht zum erhofften Erfolg führten.

Fazit: RB Leipzig war zumindest 35 Minuten lang absolut ebenbürtig, wenn nicht sogar besser. Hertha BSC steckt zwar noch in einem anderem Stadium der Vorbereitungsphase, dennoch lässt sich trotz der Niederlage auf der heutigen Leistung aufbauen. Wenn die Mannschaft noch etwas an ihrer offensiven Durchschlagskraft arbeitet, sind wir für den Saisonauftakt gegen den HFC absolut gewappnet.

Kurz noch ein paar Sätze zum Drumherum: Es war eine absolut friedliche Atmosphäre sowohl außerhalb als auch im Stadion. Es waren viele neutrale Besucher aus Dessau und Umgebung da, die sich über den Besuch der beiden Teams sichtlich freuten. Selbstverständlich hatten sich auch zahlreiche Hertha-Fans auf den Weg nach Sachsen-Anhalt gemacht, der Boykottaufruf im Internet wurde mal wieder von verschiedenen Seiten viel zu heiß gekockt.  

Ein wenig fraglich war aus meiner Sicht, warum bei einem Benefizspiel für Hochwasseropfer Red Bull überall sichtbar sein musste. So stand beispielsweise direkt am Stadioneingang ein großes Zelt, bei dem die kleinen Erfrischungsdosen verkauft wurden. Vor dem Spiel verteilte RB Flyer, die unseren Heimspielheften bei Pflichtspielen ähnelten. Auch wenn die kompletten Einnahmen der Partie an die Betroffenen des Hochwassers gespendet werden (110.000 Euro!!) – was absolut löblich ist – wäre ein wenig mehr Zurückhaltung in Sachen Produktmarketing wünschenswert gewesen.

Vor dem Hintergrund, dass die Partie ursprünglich als Promo-Spiel zur Fangewinnung in der Region angedacht war und RB die Einnahmen trotzdem an die Hochwasseropfer spendet, ist die oben genannte Kritik vielleicht auch überzogen und überflüssig. Möge jeder selbst darüber entscheiden. 

Rojiblanco

Aufstellung RB Leipzig:
Coltorti – Müller (88. Heidinger), Hoheneder, Willers (88. Sebastian), Jung (88. Judt) – Fandrich (75. Ernst), Kaiser (88. Luge), Schulz (75. Thomalla) – Rockenbach (67. Röttger) – Poulsen (75. Kammlott), Frahn (88. Papadimitriou) 

Tor:
0:1 Adrian Ramos (49. Minute)

Videos:
MDR
Youtube

Permalink:
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