Die Glocken der Erkenntnis
Erst ohne Biss, dann ohne Glück: Rasenballer landen unsanft auf dem Boden der Tatsachen
Leipzig. Die Macher des Magazins 11Freunde sorgen sich um die Ursprünglichkeit des Fußballs, um Bratwurst, Traditionen, Liebe, Leidenschaft. Beim Thema Kommerz kennen die Freunde nur Feinde, haben die ganz enge Fanmütze auf. "Leipziger Dosenteufel - wer stoppt Red Bull?" fragen die Romantiker auf Seite eins der aktuellen Ausgabe. Nun, sie stoppen sich justament selbst. Siehe das "sehr sehr bittere" (Stürmer Roman Wallner) 0:1 der Rasenballer bei den HSV-Bubis.
Nach dem Spiel war vor der Pizza. Wie immer vor stundenlangen Rückreisen kam der Lieferservice, kreisten "Capricciosa" (Oliven, Champignons, Paprika), "Prosciutto e Funghi" (Schinken, Champignons) und "Mafia" (Zwiebel, Peperoni, Schinken - scharf!).
Belagtechnisch gesehen hatten die vorangegangenen Halbzeiten nichts gemein. Die ersten 45 Minuten hatten aus Leipziger Sicht das gewisse Nichts, waren auch für RB-Fans mit robustem Magen-Darmtrakt unverdaulich. Keine Torchance, keine Struktur, keinen Zugriff auf die behenden jungen Hamburger. Nicht Mal eine gelbe Karte als Ausdruck grimmiger Entschlossenheit. Rechtsverteidiger Christian Müller: "Das war gar nichts."
Nach dem Wechsel war das Bild ein anderes, liefen Peter Pacults Profis mit Sinn/Verstand/Mut, aber glücklos dem 0:1 hinterher. Die HSV-Bubis stoppten den spät hochtourigen Bull-Doser.
Seit Fußball-Kobra Jürgen Wegmann ist bekannt, dass schief gehen kann, was gehen kann: "Zuerst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu."
Siehe Umut Kocin.
Der gerade von einem langwierigen Achillessehnenleiden kurierte Linksverteidiger zog sich eine Verletzung in der Muskulatur des linken Oberschenkels zu. Das Aus für den Deutsch-Türken fürs Spiel beim VfC Plauen (Sonntag, 13.30 Uhr). Für Kocin wird Tomasz Wisio auflaufen.
Pech II, Daniel Frahn:
Der Mittelstürmer knickte früh um, klinkte in der Halbzeit eine Schmerztablette ein, hielt durch. Bis zum Sonntag muss der Bluterguss aus dem linken Fuß. Plauen ist für hohen Wellengang berüchtigt, der Kapitän verlässt das Schiff natürlich nicht.
Pech III, Marcus Hoffmann.
Kam in Hamburg für Kocin, warf seinen Körper in jeden Zweikampf, landete nach einem jener Duelle brutal auf dem Rücken. Hoffmann spielte trotz angebrochener Rippe weiter, wird nach menschlichem Ermessen in Plauen nicht spielen können.
Coach Pacult lud die Schuld für die erste Auswärtsniederlage nicht beim Team, Schiri oder dem Geläuf ab. Auch er habe einen Fehler gemacht. Welchen, wollte PP nicht verraten. Klar ist: Die defensivere Ausrichtung im Mittelfeld mit Bastian Schultz statt Tom Geißler fruchtete nicht. Gilt auch für die Rochade Carsten Kammlott für Roman Wallner. Wobei: Die Glocken der Erkenntnis läuten immer erst nach dem Kirchgang ...
Keeper Pascal Borel ruhte auch nach dem Rückschlag im Titelrennen in sich: "Wir sind immer noch Erster." Das stimmt und dürfte in der 11Freunde-Redaktion Angst und Schrecken verbreiten. Wie auch die exklusive Kunde, dass die von den RB-Bossen eingereichten neuen Club-Satzungen beim DFB offenbar auf Gegenliebe stoßen. Red Bull kann sich - traurig und wahr - nur selbst stoppen.
Guido Schäfer
