DAS FAZIT ZUM TRAINER NACH DEM ERSTEN VIERTEL DER SAISON
Leipzig - (04.11.2025) "Ole Werner? Nein!" so rief es die ersten Wochen durch die sozialen Kanäle der Leipziger Fanbubble als der ehemalige Bremer als neuer Coach in Leipzig angekündigt wurde. Warum der Transfer nach 11 Spielen dann doch nicht "Einfallslos" wirkt und auch nicht zum "Niedergang" oder einer "Verwolfsburgung" geführt hat, wird in diesem Special geklärt.
11 Spiele – 11 mal Werner
Nein, sehr großer Enthusiasmus stieg am Anfang nicht auf, als Großmeister Klopp und sein hiesiger Filialleiter Schäfer im doch langen Transfersommer gefühlt recht spät statt großer Namen den bis dahin dröge wirkenden Ole Werner auf den Leipziger Trainerposten setzten. Kein Glamour wie bei Nagelsmann, kein Lokalkolorit wie bei Rose, keine phänomenale Spielerkarriere wie bei Fabregas, ein zu hoher Haaransatz für 37, nur 3 Jahre Bremen in der Bundesliga, fehlende internationale Erfahrung und norddeutsche Kühle auf dem Leipziger Trainerstuhl. Da brach schon in Sachsen der Glaube ab, dass die Verantwortlichen es mit dem ausgerufenen Umbruch ernst meinten.
Anfang November, 11 Pflichtspiele später, liegen die Bullen auf Platz 2 der aktuellen Saisontabelle und dürfen auch weiter im DFB-Pokal mitmischen. Sah es nach der kompletten Abschlachtung in München noch nach einem Totalausfall mit Ansage aus, verloren Neustarter Werner und sein Team keine weiteren Partien. Stattdessen fuhr man 7 Ligasiege, ein Remis gegen die bisher starken Dortmunder und im DFB-Pokal 2 Erfolge gegen sehr gewillte, aber unterklassige Teams ein.
Ein erstaunlicher Beginn, der bisher nicht nur mit Erfolgen glänzt, sondern auch Rekorde brach. Werner ist nun bester Leipziger Neutrainer nach den ersten 9 Bundesligaspieltagen und auch nach den ersten 10 Spielen am Stück. Zusätzlich feierte sein Team den bis dato höchsten Auswärtssieg in der deutschen Eliteliga.

Der Neue im Stall.
Das Debakel in München und Xaver Schlager
In der Vorbereitung sah man noch einige Spielzüge, die jetzt kaum weitere Verwendung finden. Auch das hohe Pressing stand in den dazugehörigen Testspielen noch stärker im Fokus. Wichtigster Baustein war dabei Xaver Schlager. Der als Vize-Kapitän die Fäden vorne und hinten ziehen sollte. Die Furcht vor einer erneuten Verletzung war groß. Seine Interviews im Trainingslager machten zudem Sorge, wie weit Schlager überhaupt schon wäre und in der Spielzeit helfen könnte.
Der Saisonbeginn brach dann leider wie ein Orkan über Werners Team hinweg. Dass die damals herausragende Leistung der Bayern keine Eintagsfliege werden würde, war nicht absehbar und somit zum Glück auch kein Thema in der sofort folgenden „Krisen“analyse, bei der Werner, Klopp und Sportdirektor Schäfer noch einmal alles halbwegs übers Kreuz warfen, was sich im Nachhinein als goldrichtige Entscheidung entpuppte.
Durch die Erkenntnisse aus dem Münchenspiel beschleunigte Schäfer die Kaderbereinigung. Xavi, Šeško und Openda, der in der Vorbereitung noch stärkster Stürmer war, sollten unbedingt weichen, da man nicht nur Einnahmen erzielen wollte, sondern bei allen drei Spielern Defizite sah, die den Umbruch weiter verhindert hätten. Keiner sollte nach München noch einmal im Leipziger Dress auflaufen. Den neuen Trend durften allein die neuen Offensiven setzen. Teamfähiger und weniger egozentrisch neben und auf dem Platz wollte RB auftreten.

Bayern als Schlüsselmoment.
Doch allein mit dem Austausch von Spielern konnte man die Probleme, die beim 0:6 zu sehen waren, nicht lösen. Eine taktische Anpassung musste her. Nach München stand der neue Kader. Weitere Änderungen waren zeitlich und preislich nicht mehr möglich. Aber statt dem Team allein die Taktik überzustülpen, passte Werner die Vorgaben des 4-3-3 auch dem Kader an. Einschneidend fügte sich da noch die erneute Verletzung Schlagers ein, der bereits ab Minute 32 im dritten Spiel gegen Mainz keine Option mehr war. Gefühlt stand man schon wieder vor den Problemen von 24/25, ging diese aber nachfolgend deutlich passender an.
Das hohe Pressing sowie bestimmte Spielabläufe aus der Vorbereitung wurden also geopfert, um dem Team defensive Stabilität zu vermitteln, wobei Werner in der Abwehr und im Zentralen Mittelfeld vornehmlich auf das alte Personal setzen musste, das letzte Saison noch nach Form und Leistung suchte. Der Trainer entschied dabei schnell, dass die Fähigkeiten der Spieler und nicht allein die Taktik Vorrang haben sollte. Deshalb steht Seiwald seit Wochen tief im Block und spielt den Sechser eher nah an der Abwehr als in der Spielhälfte des Gegners.

"Da geht es lang, Herr Seiwald."
Damit gelang Werner ein herausragender Clou. Der österreichische Mittelfeldspieler erwuchs dadurch in den letzten 2 Monaten zu einem der besten defensiven Sechser der Bundesliga. Letztendlich presst Leipzig weniger, läuft dafür aber intensiver Räume zu, klärt besser, fängt mehr ab und hilft dort aus, wo der ein oder andere Stammspieler Schwächen hat. Weniger Pressing, dafür mehr stabile „Handballabwehr“, an der sich diese Saison alle Spieler beteiligen. Anscheinend auch eine Anpassung an die Liga, in der viele „kleine“ Teams und Kader aus dem Mittelfeld auf schnelles Umschaltspiel setzten und aufgrund fehlender Qualität mit der Leipziger Tiefe bzw. dem eigenen hohen Spielanteil wenig Zählbares vorweisen können. Quantitativ frisst RB immer noch sehr viele Torschüsse. Direkte Torabschlüsse und Großchancen bleiben dennoch oft Mangelware, weil das die Leipziger zurzeit gut verhindern.
Nicht nur bei Seiwald fruchtete die Anpassung des Systems an die Spielertypen. Auch Spieler wie Raum, Baumgartner und der junge Ouédraogo gehen bis zum jetzigen Zeitpunkt als Gewinner der jüngsten Anpassung des Trainers hervor. Alle Stammspieler wirken gereifter. Die Spieler halten sich an Vorgaben. Dennoch variiert auch das Spiel nach vorne besser als noch unter Rose. Man trifft wieder durch Standardtore, spielt mit Doppelpässen durch die Mitte oder kommt über flache Flanken von außen zum Ziel. Das Team erspielt Chancen oder erwirkt sie durch Individualität, welche die letzten 2 Saisons leider das einzige Merkmal der Offensive um die abgewanderten Xavi, Šeško & Openda war. Die Spiele gegen Augsburg und Cottbus machen zudem Mut, dass der vorherige Tormangel nun auch durchbrochen wurde. Immerhin lag RB in der Liga beim xG Wert (2) und Ballberührungen im Gegnerstrafraum (25) hinter dem Krösus aus München auf Platz 2.

Der Trainer kann sogar lächeln. Grund dafür hat er.
Fazit
Das schlechte Spiel beim FCB und der erneute Ausfall des erhofften Heilbringers waren somit eine regelrechte Erweckung, die der bis hierhin flexibel agierende Trainer gut gemeistert hat. Mit Leistungen, die sicher nicht, wie viele gehofft haben, die frühere RB-DNA widerspiegeln und auch subjektiv oft nicht so souverän wirkten, jedoch taktisch sehr solide, mit Teamgeist zum Erfolg führten. Genau aus dieser aktuellen Situation, die Werner mit seiner Sachlichkeit geschaffen hat, kann der Trainerstab weiter schöpfen und entwickeln, was man an der leider torlosen, aber spielfreudigen Leistung der Talente in Halbzeit 2 in Cottbus sehen konnte und auch den Trainer erfreute. Wie es aussieht, wenn man hingegen uneinsichtig bleibt, sieht man beim letzten Leipziger Bundesligagegner, bei dem Trainer Wagner stur von seinem Kader nur eine Spielweise abverlangt, was Woche für Woche auf dem Platz vielmehr nach einer Rückentwicklung aussieht.
Werner dagegen offenbart nach 11 Spielen, dass er schnell auf Rückschläge oder schlechte Leistungen reagieren kann. „Miesen“ Spielen folgten bisher immer bessere Leistungen. Der neue Trainer gibt den Spielern klare Vorgaben und Strukturen an die Hand - überlässt Spiele nicht der eigenen Taktik und dem Zufall. Auch wenn die Startelf wenig variiert, so passt er das Team bedacht größer oder kleiner vor jedem Match an den Gegner an. Schafft es das Team nicht, die gewünschte Spielweise 90 Minuten umzusetzen, analysiert er das klar und geht Defizite in den Trainingswochen an. Zum Beispiel drehte RB nach der noch sehr fahrlässigen Konterauswertung gegen den HSV in Augsburg komplett auf.
Unter Werner wachsen ältere Spieler, wie zuvor auch in Bremen, über sich hinaus. Bakus Rückkehr zur Nationalmannschaft beruht auch auf Werner. Der selbst noch zu Beginn recht wilde Neukapitän Raum reift ebenso Woche für Woche zu einem echten Leader. Ebenso lässt Ole Werner die Kritik verstummen, er könne Talente nicht entwickeln. Die Leistungen von Jungspunden wie Ouédraogo, Diomande, Lukeba und Banzuzi widersprechen dem deutlich. Bei passenden Spielständen wie zuletzt gegen den FCA und Energie durften auch die unzähligen weiteren blutjungen Talente Spielzeit nutzen. Gegen Augsburg standen in den letzten 30 Minuten allein fünf U20 Spieler auf dem Feld. Unter den ersten 16 Spielern des Kaders, die Werner bevorzugt einsetzt, sind 7 Spieler 23 Jahre alt oder jünger. Der größte Teil davon zählt zu den bisherigen Topspielern des Teams und auch in der Liga. Klopp nahm also scheinbar den Mund nicht zu voll, als er Werner bereits vor Saisonbeginn mit einigen Vorschusslorbeeren versah.

Doch nicht nur Glaskugeln bei Klopp.
Ausblick
Die Segel für einen guten Jahresausgang sind gesetzt. 7 Spiele der Hinrunde stehen noch 2025 an. Die restlichen zwei folgen nach der Winterpause. Mit allein nur 4 Siegen aus den letzten 8 Erstrundenpartien würde Werner die Vorjahresleistung unter Rose verbessern. Jeder weitere Sieg darüber wäre ein Schritt zu einer sehr guten Hinrunde in den 2020ern und damit mehr als man nach dem Umbruch erwarten konnte. Weitere Punktverluste gegen die restlichen Spitzenteams, wie Leverkusen und Frankfurt, dürften keine Krise hervorrufen, wenn RB weiterhin die Spiele gegen die Kleinen der Liga solide annimmt und für sich entscheidet.
Diese Entwicklung kann man Werner nach 11 Spielen inklusive Pokal bzw. 9 Ligaspielen, also etwa einem Viertel der Saison, zutrauen und sollte im Mai 2026 europäische Plätze garantieren. Aufgrund der sehr jungen zweiten Garde wäre die Qualifikation für einen der beiden kleineren Wettbewerbe als weiterer Entwicklungsschritt sogar hilfreicher. Macht Werners Team so weiter, geht es jedoch gleich in die Champions League. Für die müsste man jedoch im Sommer beim Kader nachlegen, außer man plant eine schwächere Übergangssaison in der Königsklasse ein.
Am wahrscheinlichsten ist jedoch, dass Werner auch nächste Saison weiterhin Leipzigs Trainer ist und seine erste europäische Spielrunde leitet. Andererseits muss man sich bei Xaver Schlager doch langsam auf einen Abgang einstellen. Sein Input mit 6.126 Minuten (68 Nettospiele) und 11 Scorern in 3,5 Jahren entspricht nicht dem, was man von einem Topspieler erwarten kann. Werner schaffte es, dass Schlagers Ausfall keine Rolle spielte und Seiwald aus dessen Schatten trat. Ein Umstand, den Werners Vorgänger nie gelang und die Hoffnung birgt, dass der neue Trainer auch zukünftig positiv überraschen wird.
Weitere Entwicklungsschritte wären eine Steigerung beim Pressing und im Ballbesitz. Hier hat der Trainer schon angekündigt, dass dies Schwerpunkte der Rückrunde werden sollen. Der Plan steht also, wird aber sicher weiterhin abhängig sein, inwiefern der Kader dazu passt. Will Schäfer mehr davon, müsste er Werner beim Kader entgegenkommen.

Zum Glück läuft es aktuell auch bei Bayern.
Note
Viele ältere Spieler, von denen viele 24/25 eine schlechte Saison hinlegten und auch Teil der Krisen unter Marsch und Tedesco waren. Zudem sehr viele sehr junge Talente, die noch nie auf Bundesliganiveau spielen durften. Das Level der letzten Jahre hat RB noch nicht. Man könnte sogar meinen, dass der aktuelle Kader die größte Wundertüte seit dem Aufstieg in die Bundesliga ist und am stärksten bei Jung und Alt geformt werden muss. Das gelingt dem Trainer. Die Pausen ohne europäischen Wettbewerb werden sinnvoll genutzt. Mit dem aktuellen Punkteschnitt von 2,5 liegt er weit über Par und hebt dennoch nicht ab, obwohl auch für ihn vieles neu sein wird und sehr schnell geht. Eine 1- ist demnach als Zwischenbenotung nicht vermessen. Allein das 0:6 kratzt da noch an der perfekten Note. Alle anderen Widrigkeiten wurden unter den gegebenen Voraussetzungen gemeistert. Mehr ging bisher nicht. Wird aber noch kommen. Ein gutes Champions League Team braucht man höchstens in der übernächsten Saison. Jetzt gilt es das Team stabil bis Mai 2026 auf Rang 6 bis 2 zu bringen.
Was aber auch ganz subjektiv in die Note einfließt, ist der Umstand, dass es unter Werner endlich wieder Spaß macht, den Bullen beim Spielen zuzuschauen. Olé'!

Es macht Spaß Herr Werner. Hut ab!
Spiel 11
Spiel Nummer 11 gegen den 3. der Liga VfB Stuttgart war eine echte Standortbestimmung. Erneut konzentrierte sich das Team auf die eigenen Tugenden. Zudem kam ein Wille hinzu, der Stuttgart zu 2 großen Fehlern zwang. Für viele ein unerwartetes Ergebnis. Schaut man aber Leipzig genau zu, dann steckt da tatsächlich Arbeit und ein Spielplan dahinter. Werners Arbeit!
Das 3:1 war zudem ein erneuter Meilenstein. Den besten Saisonstart hat Werner nun unabhängig jeglicher Zugehörigkeit für sich inne. Wir ziehen den Hut. Was da wohl noch kommen wird?
COACH 👏
— RB Leipzig (@RBLeipzig) November 1, 2025
2⃣2⃣ Punkte nach 9⃣ #Bundesliga-Spieltagen: Der beste Saisonstart für unseren Club jemals 🔴⚪️
Stolz auf Mannschaft und Trainer-Team 💪#RBLVFB #Bundesliga pic.twitter.com/qH5qdioEqb
Traumstart!
Rolei79
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