Corona-Virus

Hier kann alles rein, was sonst nirgends passt
Benutzeravatar
elbosan
Beiträge: 9859
Registriert: Mo Dez 08, 2014 9:43 am
x 7
x 1085

Re: Corona-Virus

Beitrag von elbosan » Mi Mai 27, 2020 6:33 pm

mahe hat geschrieben:
Adamson hat geschrieben: Mi Mai 27, 2020 4:09 pm Die Pest überlebten nur die Stärksten
imo überlebten die pest nicht die stärksten, sondern die hygienisch modernsten.
Intelligenz ist die Weiterentwicklung von Stärke. Wär es anders, würden wir als grobmotorige Neandertaler unser Essen immer noch mit der Keule fangen.

STBRos
Beiträge: 1077
Registriert: Do Aug 13, 2015 11:00 am
x 207
x 1197

Re: Corona-Virus

Beitrag von STBRos » Mi Mai 27, 2020 11:57 pm

Markus Lanz im ZDF von heute „Wir werden wegen der Corona-Maßnahmen täglich weltweit mehr Hungertote als durch Corona Verstorbene in Summe haben.“

Wollen wir so weitermachen? Bei Corona haben wir den höchsten ethischen Anspruch, bei vielen anderen Bedrohungen, die nicht in den Medien platziert werden, blenden wir Ethik weitestgehend aus?

Bin ich bereits mit dieser Frage ein populistischer Rattenfänger? Gut, dass es in Foren Moderatoren gibt, die diese Frage anhand von Forenregeln bewerten.
Wir schätzen die Menschen, die frisch und offen ihre Meinung sagen - vorausgesetzt, sie meinen dasselbe wie wir. (Mark Twain)

nevermore
Beiträge: 1573
Registriert: Mo Jun 12, 2017 1:59 pm
x 86
x 221

Re: Corona-Virus

Beitrag von nevermore » Do Mai 28, 2020 12:22 am

„Wir werden wegen der Corona-Maßnahmen täglich weltweit mehr Hungertote als durch Corona Verstorbene in Summe haben.“
Ja, das kann durchaus sein.

Was ist die Alternative? Wieviele Tote hätten wir ohne "Corona-Maßnahmen"? Durch Corona-Tote, kollabierende Gesundheitssysteme und daraus resultierende Kollateralschäden, wie bspw. andere Kranke, die nicht mehr versorgt werden können, zusammenbrechende Versorgungssysteme und öffentliche Sicherheit, bis hin zu Hungersnöten?

Es ist ja wohl etwas arg blauäugig zu glauben, dass ohne Corona-Maßnahmen halt ein paar Tausend über 90-jährige an Corona verrecken, das Leben ansonsten aber einfach so weiterginge.

Das Wunderland Schweden, wo jeder weiter Party machen darf, die Wirtschaft aber dennoch kollabiert und man viermal so viele Tote per Mio Bevölkerung hat, sollte doch langsam mal zum Denken anregen.

Das ist eine Pandemie. Da gibt's keine kostengünstigen Keep-Partying-Lösungen. Da gibt's nur schlechte, noch schlechtere und katastrophale Ausgänge.

STBRos
Beiträge: 1077
Registriert: Do Aug 13, 2015 11:00 am
x 207
x 1197

Re: Corona-Virus

Beitrag von STBRos » Do Mai 28, 2020 7:52 am

nevermore hat geschrieben: Do Mai 28, 2020 12:22 am
Das Wunderland Schweden, wo jeder weiter Party machen darf, die Wirtschaft aber dennoch kollabiert und man viermal so viele Tote per Mio Bevölkerung hat, sollte doch langsam mal zum Denken anregen.
Du siehst Deutschland und nur Deutschland als das Maß der Dinge an? Das hatten wir in der Geschichte bereits. Erlaube mir daher Pointers Kommentierung für Deinen Beitrag:
Pointer hat geschrieben: Mi Mai 27, 2020 1:58 am Dieses ist es, was diesen Beitrag als populistischen Rattenfänger entlarvt und sich gleichzeitig selbst als dumpfen Versuch enttarnt.

Mich durfte man bereits wegen des am Ende einer Aufzählung benutzten "usw." als populistischnen Rattenfänger bezeichnen, da passt dies für Deinen narzisstischen Vergleich um so mehr. Ich denke, in diesem moderierten Forum ist alles durch Meinungsfreiheit gedeckelt. Oder anders, ich warte es jetzt einfach mal ab.

Aber dann schauen wir mal auf die von Dir angesprochene Sterblichkeitsrate je Einwohner und stellen beim Vergleich in Europa fest, Du musst nicht zu allererst Schweden kritisieren, sondern wenn die Sterblichkeitsrate je Einwohner Deine Benchmark ist, dann arbeite Dich an Belgien (doppelt so hoch wie Schweden), Spanien, GB, Italien oder Frankreich ab. Diese europäischen Staaten haben eine höhere Todesrate je Einwohner als Schweden.

https://de.statista.com/statistik/daten ... -laendern/

Also, wo bleibt Deine Kritik an diesen Staaten oder warum vergleichst Du die Todesrate von Schweden nicht mit diesen Ländern? Vielleicht deshalb, weil es dann nicht in Dein Denkmuster passt? Aber genau das wäre dann ja Populismus. Verfolgt man jedoch Deine Argumentation weiter, dann kann man auch sagen - Super wie es die USA gemacht haben, die haben eine viel geringere Sterblichkeitsrate als Spanien, Italien oder Frankreich. Der Trump ist ein toller Krisenmanager und hat die USA vor den katastrophalen Sterblichkeitsraten dieser europäischen Staaten bewahrt. Oder wolltest Du genau das mit Deinem abenteuerlichen Vergleich zum Ausdruck bringen?

https://www.n-tv.de/panorama/Schuetzt-D ... 06832.html
Schützt Deutschland Ältere mehr als Kinder?
Wir schätzen die Menschen, die frisch und offen ihre Meinung sagen - vorausgesetzt, sie meinen dasselbe wie wir. (Mark Twain)

nevermore
Beiträge: 1573
Registriert: Mo Jun 12, 2017 1:59 pm
x 86
x 221

Re: Corona-Virus

Beitrag von nevermore » Do Mai 28, 2020 11:15 am

Du siehst Deutschland und nur Deutschland als das Maß der Dinge an? Das hatten wir in der Geschichte bereits.
Nein, das hast du mir schonmal vorgeworfen und das habe ich schonmal verneint und ausgeführt, dass es m.M.n. Länder gibt, die es besser gemacht haben. Österreich zum Beispiel (minus Ischgl). Südkorea. Neuseeland und Taiwan auch, wobei denen natürlich die Insellage hilft. Besser als Schweden haben es auf jeden Fall die Nachbarländer Finnland, Norwegen und Dänemark gemacht.


An Belgien brauchen wir uns schonmal gar nicht abzuarbeiten, denn die haben eine andere Zählweise ( dort werden auch reine Verdachtsfälle gezählt).

Ich weiß sowieso nicht, wieso man sich jetzt an Ländern abarbeiten muss, wo es noch schlechter läuft. Aber meinetwegen. Im Unterschied zu Italien, Spanien und Frankreich hatte Schweden (wie auch Deutschland) wochenlang Zeit, sich vorzubereiten, und wurde nicht einfach überrollt.

Frankreich wird von Schweden voraussichtlich demnächst überholt werden. Nächster Halt dann Italien und UK. Angeblich sollten in Schweden die Infektionsraten ja schon seit Ende März zurückgehen. Davon sieht man aber nicht viel.

Bild
https://www.worldometers.info/coronavir ... ry/sweden/

Was mir das Beispiel USA sagen soll, weiß ich nicht. Bekanntlich gab es dort Lockdown-Maßnahmen, sehr zu Trumps Ärger.

Das beantwortet aber immer noch nicht meine eigentliche Frage, was denn die Alternative ist. Wie willst du denn in einer Pandemie die ganzen Kollateralschäden vermeiden? Wenn man deine Beiträge liest, könnte man meinen, man müsse nur die Pandemie einfach so laufen lassen, und schon erledigen sich alle Probleme wie von selbst. Hungersnöte und andere armutsbedingte Todesfälle, die du anführst, sind ja eher in Afrika, Indien oder auch Südamerika zu erwarten als in Europa. Also, willst du dort, wo die Leute zusammengepfercht in Slums leben, es keine funktionierenen Gesundheitssysteme und noch nichtmal sauberes Wasser gibt, die Pandemie durchlaufen lassen? An Isolieren von Risikogruppen ist dort nichtmal zu denken. Welche Vorgehensweise würdest du dort empfehlen?
Zuletzt geändert von nevermore am Do Mai 28, 2020 11:22 pm, insgesamt 1-mal geändert.

jimmy.klitschi
Beiträge: 922
Registriert: Fr Sep 08, 2017 11:31 pm
x 355
x 235

Re: Corona-Virus

Beitrag von jimmy.klitschi » Do Mai 28, 2020 12:30 pm

elbosan hat geschrieben: Mi Mai 27, 2020 6:33 pm
mahe hat geschrieben:
Adamson hat geschrieben: Mi Mai 27, 2020 4:09 pm Die Pest überlebten nur die Stärksten
imo überlebten die pest nicht die stärksten, sondern die hygienisch modernsten.
Intelligenz ist die Weiterentwicklung von Stärke. Wär es anders, würden wir als grobmotorige Neandertaler unser Essen immer noch mit der Keule fangen.
Die Mittelalter-Pest ist da nun gerade kein gutes Beispiel für "survival of the fittest". Die Seuche hat seinerzeit vor niemandem halt gemacht, weder vor den körperlich Starken oder den Jungen, noch vor den Wohlhabenden oder Gebildeten, deshalb tauchen übrigens in den zeitgenössischen Abbildungen über Pesttote alle Stände und Schichten, alle Altersklassen etc. sozusagen "gleichberechtigt" nebeneinander auf.

Es gibt aber andere interessante Ähnlichkeiten zu heute:

Z.B. haben damals schon Ärzte durch Beobachtung herausgefunden, dass Maßnahmen, die man heute durchaus als shutdown bezeichnen würde, also Handels- und Kontaktbeschränkungen, helfen könnten, die Ausbreitung der Seuche zu verringern. Nur hat man damals noch viel weniger (also oft gar nicht) auf solche Leute gehört als heutzutage. Einzelne Belege für erfolgreiche Shutdowns gibt es aber selbst für die Pest.

Edit: Ganz interessant u.a. im Zusammenhang mit Quarantäne und Abschottung in Pestzeiten: https://www.ndr.de/geschichte/chronolog ... ne100.html

Der Verweis auf einen zeitversetzten "Superkompensationseffekt" nach der Pest, z.B. wirtschaftlich-technologisch, ist lt. Experten ("Wirtschaftsweise", Ifo-Insitut) auch heute im Zusammenhang mit Corona ein folgerichtiges Szenario: Lt. neuer Einschätzung des Ifo-Institutes nach 6,6% Konjunktureinbruch in 2020 ein Anstieg von 10,2% im nächsten Jahr - allerdings in Relation zum dann niedrigen Ausgangs-Niveau. https://www.handelsblatt.com/politik/ko ... Kovptn-ap1

Und schon damals hat man - wie zu allen Zeiten - ziemlich reflexhaft nach einfachen Erklärungen und in Folge nach Sündenböcken für die Katastrophe gesucht, diese schnell "gefunden", sich an denen auch "gerächt" oder sie schon "prophylaktisch" vor dem regionalen Seuchenausbruch umgebracht, auch in unserer Gegend. (Stichwort: "Erfurter Judenprogrom von 1349") Allgemein das mit den Juden, die die Brunnen vergiftet haben sollen, angeblich selbst nicht an der Pest sterben und in verschiedenen Städten dann progromartig massenweise ermordet worden sind, ist, glaube ich, bekannt; aber auch der Adel, der im Mittelalter u.a. die Aufgabe hatte, das Volk zu beschützen, und andere Bevölkerungsgruppen standen hier und da als Verursacher im Fokus.

So richtig dumm waren die Menschen selbst im "Finsteren Mittelalter" natürlich letzten Endes auch nicht: Obwohl sich das gesamte Leben damals grundlegend an religiösen Glaubensgrundsätzen ausrichtete, hat man schnell erkannt, dass kirchliche Massenprozessionen zum Zwecke der Abwendung des Gotteszorns das krasse Gegenteil bewirken und von so einer damals durchaus gängigen "Therapiemethode" apokalyptischer Bedrohungen umgehend wieder Abstand genommen.

Einzig die Sorte "Verharmloser" oder "Leugner" gab es damals wohl nicht - die Auswirkungen der Seuche waren ja leider überall in den Straßen massenhaft deutlich zu sehen.
Zuletzt geändert von jimmy.klitschi am Do Mai 28, 2020 6:29 pm, insgesamt 31-mal geändert.
Schol, schla, schli kommt immer von idti. (Frau Fehrl)

jimmy.klitschi
Beiträge: 922
Registriert: Fr Sep 08, 2017 11:31 pm
x 355
x 235

Re: Corona-Virus

Beitrag von jimmy.klitschi » Do Mai 28, 2020 3:44 pm

STBRos hat geschrieben: Mi Mai 27, 2020 11:57 pm Markus Lanz im ZDF von heute „Wir werden wegen der Corona-Maßnahmen täglich weltweit mehr Hungertote als durch Corona Verstorbene in Summe haben.“

Wollen wir so weitermachen? Bei Corona haben wir den höchsten ethischen Anspruch, bei vielen anderen Bedrohungen, die nicht in den Medien platziert werden, blenden wir Ethik weitestgehend aus?

Bin ich bereits mit dieser Frage ein populistischer Rattenfänger? Gut, dass es in Foren Moderatoren gibt, die diese Frage anhand von Forenregeln bewerten.
Wichtig wäre, der Vollständigkeit und Präzisierung halber zumindest zwei Dinge noch anzumerken:
Erstens, dass es extrem richtig und wichtig ist, dass bei allen Versäumnissen wenigstens jetzt auf solche Katastrophen-Szenarien hingewiesen wird, um in der Praxis zügig und wirkungsvoll dagegen vorzugehen (das ist wohl zumindest vom Prinzip her lt. Zeit-Artikel s.u. möglich),
Zweitens, dass man ergänzen muss, dass die (leider unerlässlichen und lediglich hinsichtlich Art und Umfang diskutablen) Corona-Maßnahmen zwar sowas wie der Anstoß, aber nicht die zu Grunde liegende Ursache für die drohenden Hungersnöte sind.
Das Schlimmste – die "Hungersnöte von biblischen Ausmaßen" – lässt sich also durchaus verhindern. Die Frage ist, ob und welche Lehren danach gezogen werden. Hinter der aktuell drohenden Katastrophe stecken ja nicht nur Coronavirus, Kriege und Klimawandel, sondern auch andere, weniger offensichtliche Ursachen. Dazu muss man im Katalog der Ziele für nachhaltige Entwicklung das Kleingedruckte lesen. Zum Beispiel in Sachen Hungerbekämpfung den Unterpunkt 2.3: "Bis 2030 sollen die landwirtschaftliche Produktivität und die Einkommen von Kleinbauern, insbesondere Frauen, Indigenen, Familienfarmen, Viehhirten und Fischern verdoppelt werden" – unter anderem durch sicheren und gerechten Zugang zu Land, zu finanziellen Dienstleistungen und Märkten. (...)
https://www.zeit.de/politik/ausland/202 ... 9-un-armut

Populisten arbeiten z.B. meiner Erfahrung nach recht gern mit aus dem Zusammenhang genommenen Fakten und Zitaten, die man dann je nach Bedarf einzeln ohne den ursprünglichen Sinn- bzw Zeitkontext platziert oder neu komponiert und damit in der Lage ist, gezielt eine spezielle einseitige Stimmung beim "Publikum" ;) aufzubauen.

In diesem Sinne, sorry STBros, erkenne ich in deinen Beiträgen, die leider zudem häufig nicht großartig über Zitatsammlungen hinausgehen und denen hin und wieder ein entsprechender Quellenlink fehlt, aus dessen Kontext aber wieder wichtige relativierende bzw. erklärende Aspekte abzulesen wären, durchaus hier und da sowas wie populistisches Potential. Vielleicht bist du dir deines manipulativen "Talents" gar nicht so richtig bewusst?

Dich "Rattenfänger" zu nennen (Schimpfwort) würde ich mir nicht erlauben, den Vorwurf, dass du aus Populisten-Kreisen allbekannte Rhetorik-Stilmittel verwendest, aber schon. Selbst bei der Behauptung, wir (wer ist übrigens "Wir"?) blendeten Ethik weitestgehend bei "vielen anderen Bedrohungen" aus, entspricht dem "usw.", was dir an anderer Stelle angekreidet worden ist. Es würde eine bessere Diskussionsbasis bieten, wenn du einen Teil deines Fleißes und deiner Zeit, welche du hier ins Forum steckst und wovor ich durchaus die Mütze zu ziehen bereit bin, dazu nutzt, zu sagen, welche vergleichbaren Problemfelder dir da so vorschweben, was genau deine Meinung dazu ist und das sachlich versuchst zu begründen. War die Bemerkung mit den vielen Bedrohungen z.B. ausschließlich auf die bereits genannte Hunger-Problematik bezogen? Und wieso kommst du dann darauf, dass "wir" beim Thema Hunger die ethischen Grundsätze ausblenden ... Solche und ähnliche Fragen stelle ich mir bei deinen Beiträgen sehr oft. Konstruktive Diskussionsbeiträge sind für mich was anderes...

Noch so nebenbei: Wirklich nichts für ungut, STBros, aber bei all deiner sarkastischen Kritik und den angedeuteten Unterstellungen an einzelnen - in dieser Krise m.E. übrigens sehr wichtigen - Forschern ("Fähnchen in den Wind" und so) solltest du vielleicht auch mal überlegen, welches Quentchen du aus der Anonymität heraus evtl. damit - unbewusst - beiträgst, dass sich im WWW gerade eine gefährliche (und inhaltlich weitestgehend haltlose) Forscher/Politiker-Bashing-Stimmung verbreitet, die einzelne Kriminelle aktuell ermuntert, Morddrohungen gegenüber jenen Personen und deren Familien zu verfassen ... Zusammengefasst: Das Prädikat "Der hat Eier", welches du vom verdienten (keine Ironie) RB-fans-Mitglied Eisener Bulle verliehen bekommen hast, ;) würdest du von mir für deinen Kommunikationsstil garantiert nicht erhalten, worauf du aber sicher auch nicht erpicht bist. :biggrin:
Schol, schla, schli kommt immer von idti. (Frau Fehrl)

Pointer
Beiträge: 451
Registriert: Fr Aug 29, 2014 11:51 pm
x 8
x 373

Re: Corona-Virus

Beitrag von Pointer » Fr Mai 29, 2020 12:43 am

STBRos hat geschrieben: Mi Mai 27, 2020 2:11 pm
Pointer hat geschrieben: Mi Mai 27, 2020 1:58 am Kein Euro an Umsatz- und/oder Gewinnausfall kann die Inkaufnahme einer höheren Sterblichkeitsrate rechtfertigen, egal ob moralisch oder aus wirtschaftliche Interessen.
Man kann dieses Spiel sogar noch steigern: Die amerikanische Umweltbehörde veranschlagt derzeit 9,1 Millionen Dollar pro Menschenleben. Wieviel sind wir heute bereit zu investieren um unseren Planeten und Milliarden von Menschenleben in den nächsten 200 Jahren zu retten? Wieviel ist ein Menschenleben also wirklich wert?
Diese Ansammlung von Zitaten, oftmals sogar gekürzt und den jeweiligen Beitrag somit tendenziell verändernd, bedeutet nur eins: Ich überhäufe mein Gegenüber mit fremden Argumenten.

Gut, einen Member hat das offensichtlich beeindruckt.

Will man dies nachhaltig verifizieren, wird es schwierig.
Man müsste somit jede einzelne Textquelle anschreiben. Höchst unwahrscheinlich, dass man da auch Antworten bekommt.
Ein Versuch, insbesondere beim hier benannten Gesundheitsökonom Friedrich Breyer wäre interessant. Er hat zum Beispiel vehement kritisiert, dass die Abdeckung von Spezialabteilungen (Stroke Units) in deutschen Kliniken nicht ausreicht – warum? Weil sein eigener Vater wegen dieser Unterdeckung und nach einem Schlaganfall nicht rechtzeitig und umfassend therapiert werden konnte und deshalb verstarb. Schauen wir uns die medizinische Versorgung im ländlichen Bereich allgemein, und die Notfallversorgung im Besonderen an, dann sind die von ihm benannten Stroke Units dort nicht oder nicht ausreichend vorhanden. Er liegt in seiner Kritik nicht falsch.

Steckt dahinter schon eine perfide Kosten-Nutzen-Rechnung eines Gesundheitssystems?

Die Anordnung der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA aus dem Jahr 2011 hatte zum Ziel, durch Investition in die Ausbildung der Crews die Sicherheit von Flügen zu erhöhen, also Menschenleben zu schützen.
Es ging dabei auch darum wirtschaftlich abzuwägen, ob sich diese Investitionen in die Flugsicherheit in Bezug auf mögliche Opfer bei Flugzeugabstürzen rechnen. Das Ergebnis war positiv, die Maßnahmen wurden umgesetzt. Der vielleicht ausschlaggebende Hintergrund der Entscheidung war vielleicht auch die Angst vor Sammelklagen von Anwälten die gerade in den USA damit sehr viel Geld verdienen, wegen mangelhafter Ausbildung der Crews in sicherheitstechnischen Fragen.

Wir befinden uns also schon längst in einem Kosten/Nutzen-Prozess von Industrie und Wirtschaft, aber entfernt von moralischen Kategorien.

Es gab dazu einen interessanten Beitrag im Spiegel vom 04.04.2020. (Corona und die Wirtschaft – Was darf ein Leben kosten?)
Geschildert wurde der Sturz eines Kindes in einen illegal gebauten Brunnen. „…Trotz der hohen Wahrscheinlichkeit, dass der Zweijährige bereits beim Sturz in den 71 Meter tiefen Schacht starb, setzten die Behörden 300 Helfer in Marsch, dazu Kräne, Bagger und zwei Hubschrauber. Das waren die als völlig legitim angesehenen Anstrengungen einer Gesellschaft, die es zuvor noch versäumt hatte, für die ordentliche Sicherung solcher Bohrlöcher zu vertretbaren Kosten zu sorgen. Zur Bergung eines Kindes aus einem Brunnen ist jeder Aufwand Recht, für Brunnenabdeckungen nicht. …“

Kommen wir auf die einzigst greifbare Fragestellung zurück:
STBRos hat geschrieben: Mi Mai 27, 2020 2:11 pm Wieviel ist ein Menschenleben also wirklich wert?
Wenn hier nun suggeriert wird, dass der ökonomische und wirtschaftliche Aufwand zur Verhinderung einer pandemiebedingten hohen Sterblichkeitsrate bei älteren Personen, Risikogruppen und Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegesystem gegen die wirtschaftliche Schäden der Börse, der Automobilindustrie, der Volkswirtschaft allgemein aufgewogen werden muss, ja, dann kann man das auch rational auf Zahlen herunterbrechen – ethisch und moralisch wird man dafür aber keine Legitimation erhalten.

Hat je ein Krieg dazu beigetragen die Lebensqualität, die Gesundheit oder das Wohlbefinden von Menschen zu verbessern – NEIN.
Hat die Vernichtung von menschlichen Leben dazu beigetragen, Volkswirtschaften zu stärken oder ehtisch/moralisch zu verbessern – auch hier ein klares NEIN.

Donald Trump könnte man unterstellen, genau diese ökonomische Expertise als Basis seines Handelns zu nutzen – es wird am Rand der Gesellschaft gestorben, Menschen die für die Allgemeinheit anscheinend als weniger wichtig eingeschätzt werden, Menschen die am Gesundheitssystem keine Teilhabe beanspruchen können und die enorme Kosten verursachen würden, wenn man dies solidarisch ändern wollte. Für diesen Präsidenten der USA eine Kosten/Nutzen-Rechnung?
Ihm sind diese Fragen und die damit verbundenen Zahlen bisher verborgen geblieben. Noch.
Ihm wäre aber auch zuzutrauen, genau diese Kosten/Nutzen-Rechnung in seinen Wahlkampf einzubeziehen. Ich befürchte echt, dass dies auch noch kommt.

Noch gibt es eine unabhängige Presse in den USA und ein klareres Statement der Times. Deren Ausgabe vom 24.05.2020 war monumental geprägt von einer berührenden und zugleich anklagenden Auflistung von Namen der Verstorbenen aller Altersklassen und sozialen Schichten und verzichtete zugleich erstmal in der Geschichte der Zeitung auf Bilder.
Zitat: “They were not simply names on a list. They were us.“
Sie waren nicht bloß Namen auf einer Liste, sie waren wir.
Ein Grabstein!

Und dennoch auch Hoffnung.
Solange es eine Mehrheit von Menschen gibt die sich mit dieser Aussage identifizieren können, die für Solidarität auch in der Frage von Kosten stehen, solange werden Rattenfänger in dieser Gesellschaft keine Chance haben und sich immer wieder selbst entlarven.


P.S.
Warum sollte Rumpel Markus Lanz sperren, glaub nicht, dass er sich hier angemeldet hat.
Würde er (Markus Lanz) diese Frage hier in diesem Forum auch so stellen? Keine Ahnung.
Aber die Vereinnahmung dieser Fragestellung hat, ohne Bezug auf die geführte Diskussion und die dabei gewonnenen Erkenntnisse, erstmal einen Mehrwert für das eigene Argumentationsschema. Würde mich wundern, wenn sich Herr Lanz in diesem Kontext wiederfinden möchte.

Benutzeravatar
Jupp
Moderator
Beiträge: 21951
Registriert: Di Aug 25, 2009 4:41 pm
x 1418
x 4630

Re: Corona-Virus

Beitrag von Jupp » Fr Mai 29, 2020 8:49 am

Kommen wir mal wieder zum Virus und da wird immer klarer, wie der sich verbreitet. Die gestrige Folge des Drosten-Podcasts kann man sich dazu mal anhören oder diesen Artikel lesen:
Japan das beste Beispiel
Drosten jagt die Superspreader


Sollte eine zweite Welle kommen, sind wir laut Virologe Christian Drosten gut vorbereitet. Aber eine zweite Welle könne auch verhindert werden und die Corona-Pandemie auch ohne Impfstoff beherrschbar sein, so Drosten.. Er setzt auf Superspreading-Events. Diese müssten einfach schnell ausgemacht werden.

In seinem jüngsten Podcast spricht Virologe Christian Drosten über sogenannte Superspreader. Das heißt, es gibt in der Corona-Pandemie einige wenige Infizierte, die viele weitere Personen anstecken, während die meisten anderen Virusträger nur einen oder gar keinen anderen Menschen infizieren. Dies sei wahrscheinlich auch bei Sars-CoV-2 der Fall, was eine gute Nachricht sei, sagt der Virologe. Allerdings nur, wenn wir unsere Strategie bei der Bekämpfung der Pandemie anpassten.
https://www.n-tv.de/wissen/Zweite-Coron ... 11320.html

Neues Vorbild für Deutschland also Japan. Die haben bei 127 Mio. Einwohner übrigens nur knapp 900 Tote und auch nur wenige Beschränkungen, weil sie sich auf die Spreading-Events konzentrieren. Insgesamt macht die aktuelle Entwicklung insgesamt absolut Hoffnung. Bezogen auf den Fußball und andere Veranstaltungen mit vielen Menschen ist die Vermeidung von Superspreading-Events natürlich nicht die beste Nachricht.
RB-Fans.de Facebook: http://www.facebook.com/rbfans.le
RB-Fans.de Twitter: http://twitter.com/rb_fans
RB-Fans.de Instagram: https://instagram.com/rb_fans_de/

STBRos
Beiträge: 1077
Registriert: Do Aug 13, 2015 11:00 am
x 207
x 1197

Re: Corona-Virus

Beitrag von STBRos » Fr Mai 29, 2020 5:00 pm

Nachdem Drosten noch vor wenigen Wochen zu den Lockerungen befragt verkündete
Man muss sich da schon mal fragen, ob das alles noch wirklich sinnvoll ist. Wenn alle anfangen, sich die eigenen Interpretationsspielräume auszulegen ganz frei, dann starten an vielen Orten in Deutschland plötzlich neue Infektionsketten. Es würde ihn dann nicht wundern, wenn man über den Mai und in den Juni hinein in plötzlich eine Situation komme, die wir nicht kontrollieren können, wenn wir nicht aufpassen
und er sich wiederum Wochen davor ziemlich sicher war, dass es zu einer zweiten Welle kommt, überraschte er mich mit seinen aktuellen Aussagen sehr. Ich freue mich, dies von ihm zu hören und hoffe zugleich, dass der aktuelle Optimismus nicht durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse so kurzlebig wird wie viele anderen Aussagen zuvor.

Aktuell sieht Drosten die Situation wie folgt:

https://www.focus.de/gesundheit/news/to ... 46036.html
Die Öffnung von Schulen und Kitas hält Drosten für wichtig
In Sachen Impfung ist der Forscher optimistisch
Er hält einen Temperatureffekt im Sommer mit Blick auf das Coronavirus für wahrscheinlich
Wir sind wirklich gerade in einer guten Situation
Vielleicht entgehen wir einem zweiten Shutdown
Das sind tolle Aussichten.
Wir schätzen die Menschen, die frisch und offen ihre Meinung sagen - vorausgesetzt, sie meinen dasselbe wie wir. (Mark Twain)

Gesperrt