[quote="LVZ sonntag - Ihr digitales Magazin:"RB Leipzig findet sich" vom 18.11.2012"]
RB findet sich als Team
Red-Bull-Chef Mateschitz hat in Leipzig schon Millionen in den Fußball gesteckt. Die Mannschaft von RB Leipzig spielt allerdings noch immer in der vierten Liga, die dritte Saison in Folge. Seit dem Sommer sind Ralf Rangnick in Salzburg und Alexander Zorniger in Leipzig für das Projekt verantwortlich und die Fans haben wieder Grund zur Hoffnung. RB dominiert mit modernen Fußball die Liga.
VON MATTHIAS ROTH
Die Profis von Rasenballsport Leipzig ziehen in der Regionalliga Nordost einsam ihre Kreise. Was in den vergangenen beiden Jahren unter den Trainern Tomas Oral (jetzt bei lngolstadt unter Vertrag) und Peter Pacult (aktuell ohne Verein) nicht gelang, hat der jetzige Coach Alexander Zorniger geschafft. Die Bullen dominieren die Liga nahezu nach Belieben. In der Vorwoche wurde Verfolger 1. FC Magdeburg im eigenen Stadion mit 4:1 gedemütigt.
Und anders als in den Vorjahren lassen sich die Rasenballer auch von vermeintlich leichten Gegnern nicht mehr aus dem Tritt bringen. Am vergangenen Frei tag gewann das Team um Kapitän Daniel Frahn gegen den Abstiegskandidaten Energie Cottbus II sicher mit 3:0. „RB macht spielerisch viel mehr Druck als früher“, hat Cottbus-Coach Vasile Miriuta festgestellt. Den entscheidenden Coup hätten die Bullen mit ihrem neuen Trainer gelandet.
Zorniger komme nicht von irgendeiner Profimannschaft sondern kenne die Regionalliga. Der studierte Sportwissenschaftler Zorniger und Jahrgangsbester beim Trainerlehrgang hatte in der vergangenen Saison noch in Baden-Württemberg den Viertligisten Sonnenhof-Großaspach betreut und mit seiner Spielphilosophie für Furore gesorgt. Das blieb einem Fachmann wie Ralf Rangnick, der seit dem Sommer als Fußballchef bei Red Bull in Salzburg und Leipzig das Sagen hat, nicht verborgen. Er holte den 45-jährigen in die Messestadt, weil beide Schwaben fußballerisch auf einer Wellenlänge liegen. Zorniger steht für schnelle Balleroberung, am liebsten gleich in der Hälfte des Gegners, und direktes Spiel nach vorn.
„Die Mannschaft hat vier Monate nach meiner Amtsübernahme schon eine Qualität, wie man es nicht erwarten konnte“, sagt der Fußballlehrer. In den Reihen von RB Leipzig wurde im Sommer nicht nur der Chefcoach ausgetauscht. Für die Athletikübungen ist seit Juli der einstige Weltklasse-Stabhochspringer Tim Lobinger verantwortlich. Langzeitverletzte, wie den Verteidiger Umut Kocin, hat der 40-Jährige wieder ans Team herangeführt. Derzeit sind alle Feldspieler fit, nur zwei Torhüter müssen ihre Blessuren noch auskurieren. „Muskelverletzungen hatten wir in dieser Saison noch gar nicht“, lobt Zorniger seinen Fitnesschef Lobinger.
Damit hat der Trainer aber auch ein Luxusproblem. Fünf Profis muss er vor jeder Partie aus seinem Kader streichen. Der Stimmung im Team hat das bisher nicht geschadet, findet Kapitän Daniel Frahn. „Jetzt gönnen auch die Kollegen auf der Bank den Spielern auf dem Platz etwas“, sagt der Stürmer. Unter Oral und Pacult sei das noch nicht so gewesen. Er selbst sei keineswegs sauer, wenn ein Nebenmann treffe, verkündet Frahn. Das kommt freilich nicht so oft vor. Der Angreifer hat mehr als ein Drittel aller Leipziger Tore selbst geschossen.
Diese neue Geschlossenheit bei den Bullen haben auch die Gegner bemerkt. „RB ist gewachsen und jetzt eine eingeschworene Mannschaft“, findet Rene Trehkopf, Kapitän von Cottbus II. Vor zwei Jahren spielte er noch beim Chemnitzer FC und hat damals mit den Himmelblauen den von Leipzig angepeilten Aufstieg in die dritte Liga geschafft. In diesem Jahr, da ist sich Trehkopf sicher, lässt sich RB zumindest die Meisterschaft in der Regionalliga Nordost nicht mehr nehmen.
Anders als in den Vorjahren reicht der erste Tabellenplatz aber nicht mehr für den direkten Aufstieg in die dritte Liga. Jetzt schließt sich im kommenden Mai eine Relegationsrunde an. Nach einer Ligareform ermitteln sechs Mannschaften aus fünf Staffeln drei Aufsteiger. Aus dem mitgliederstarken Südwesten dürfen die ersten beiden Teams an der KO-Runde teilnehmen. Für die Leipziger könnte das am Ende bedeuten: Die Liga haben sie eine Saison lang dominiert und stehen am Ende trotzdem mit leeren Händen da.
Einer der Gegner für die beiden Ausscheidungsspiele könnte der FV Illertissen sein. Die Schwaben, vergangenes Jahr [Saison; Anm. von nofreak] noch Oberligist, wirbeln als Aufsteiger gerade die Regionalliga Bayern ordentlich durcheinander. Sie haben nicht nur die Herbstmeisterschaft gewonnen, sondern, wichtig für’s Image, auch das Duell gegen die von Mehmet Scholl trainierte zweite Mannschaft des FC Bayern München.
Dabei könnte der Unterschied zwischen dem Millionenprojekt RB Leipzig und der Feierabendtruppe Illertissen größer kaum sein. „Bei uns gehen alles Spieler arbeiten oder zum Studium“, berichtet Trainer Holger Buchthaler. Zwei Fußballer von den Stuttgarter Kickers seien zum FV gewechselt, der Rest wohne im Umkreis von 30 Kilometern.
Der Coach selbst ist abseits des Rasens Kämmerer einer umliegenden Gemeinde. Mit einer Relegation zur dritten Liga beschäftigt sich offiziell noch niemand, versichert Buchthaler. „Wir genießen den Augenblick“, sagt er. Im Winter wollen sich die Vereinsverantwortlichen aber doch zusammensetzen, um auf den Fall der Fälle vorbereitet zu sein.
Allein das kommunale Stadion mit seinen offiziell 3000 Plätzen bereitet den Schwaben Sorgen. Für die dritte Liga müssten mindestens 10.000 Plätze vorhanden sein. Da der Hauptsponsor auch zweiter Bürgermeister Im Ort ist, ließe sich möglicherweise auch kurzfristig eine Lösung finden. Zumindest gegen die kleinen Bayern waren alle Plätze besetzt. Bei den anderen Spielen in der Regionalliga verlieren sich im Rund von lllertissen gerade einmal 500 Fans.
Bis vergangenen Dienstag mischte auch Heiko Scholz mit Viktoria Köln noch im Reigen um die Relegationsplätze mit. In der Regionalliga West belegte er mit seiner Mannschaft den ersten Platz. Dann kam das überraschende Aus. Offiziell waren sich Verein und Trainer nicht mehr über die künftige Ausrichtung der Arbeit einig. Hinter vorgehaltener Hand waren die Akteure im Vereinshintergrund mit der Entwicklung von Alt-Profis wie dem einstigen Bochumer Giovanni Federico unzufrieden.
Dennoch: Auch Köln steht als Aufsteiger an der Tabellenspitze, vor Traditionsteams wie Rot-Weiß Essen oder dem Wuppertaler SV. Heiko Scholz beobachtet die Entwicklungen in Leipzig aufmerksam. Als Spieler feierte er hier seine größten Erfolge und stand mit dem 1. FC Lok 1987 im Europapokal-finale. Das Trikot der DDR-Auswahl streifte er in sieben Spielen über, für die DFB-Auswahl reichte es später als Profi von Bayer Leverkusen nur noch zu einem Einsatz.
„RB wird am Ende mit zehn oder 15 Punkten Vorsprung an der Tabellenspitze liegen“, glaubt Scholz. Das Problem für die Bullen könnte sein, dass am Ende die Gegner fehlen. „Im Westen haben wir eine gute Staffel, da müssen wir uns ständig beweisen“, sieht der gebürtige Görlitzer einen Unterschied.
Ähnliche Bedenken hat mit Blick auf RB auch Maximilian Watzka. In der vergangenen Saison trat er noch in Leipzig an den Ball. Inzwischen ist er zu Eintracht Trier gewechselt. „Die Liga hier ist viel stärker“, findet er. in der Regionalliga Südwest werde mehr Wert auf Technik gelegt.
„Klar wird dort mit der feineren Klinge agiert“, findet auch Stefan Kutschke, Sturmpartner von Daniel Frahn im Angriff von RB. Halle und Chemnitz, die Aufsteiger der vergangenen beiden Jahre, würden in der dritten Liga mit ihrer Spielweise aber auch nicht gnadenlos abgezogen.
Zustimmung erhält Kutschke von der Ostseeküste. „Im Nordosten wird mit anderen Mitteln gespielt, am Ende zählt aber nur der Erfolg“, sagt Thorsten Gutzeit, Trainer von Holstein Kiel, in den zurückliegenden Spielzeiten einer der schärfsten Rivalen von RB und aktuell Tabellenzweiter der Regionalliga Nord. Man müsse sich doch nur die Nationalmannschaft mit ihrem Kombinationsfußball anschauen. „Die können vor Schulterklopfern kaum laufen, weil die Schulter weh tut“, so Gutzeit. Einen Titel habe Bundestrainer Jogi Löw mit seiner Truppe aber noch nicht gewonnen.
Deshalb sei gegen die teils rustikale Spielweise nichts einzuwenden. Zumindest bei den Spitzen-spielen von RB, wie zuletzt in Magdeburg, hat Gutzeit einen weiteren Unterschied im Vergleich zum Norden ausgemacht - die Fans. „Wir hatten einen Beobachter dort und es war eine tolle Stimmung in einem tollen Stadion wie sonst auch in Leipzig." Er spiele dieses Jahr oft auf besseren Gemeindesportplätzen, berichtet Gutzeit, wenn die Gegner nicht gerade die zweiten Mannschaften der norddeutschen Bundesligisten sind.
Einig sind sich am Ende alle Fachleute, ob der Cottbusser Mlriuta, Kämmerer Buchthaler, Ex-Leipziger Scholz oder der Kieler Gutzeit: RB steigt in die dritte Liga auf. Auch wenn in den anderen Staffeln das Niveau möglicherweise höher ist, die Bullen mit Ihrer Qualität seien nur schwer zu stoppen. Nun liegt es an den Leipzigern selbst, in der Liga stehen noch 18 Partien aus, gefolgt von den zwei Begegnungen in der Relegation.
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