Giftpfeile bleiben im Köcher
Das Derby RB gegen Lok lässt Zeit für Zärtlichkeit - siehe Marco Rose und Alexander Zorniger
Leipzig. Sonntag, 14, Uhr, Red-Bull-Arena: RB gegen Lok. Zum Derby gehören Emotionen, Bildersprache - und Übertreibungen jedweder Art. Alsdann: Reich trifft Arm. Das Böse trifft das Gute. Brutalstmöglicher Kommerz trifft heimelige Tradition. Man könnte auch etwas heiße Luft aus der Nummer lassen und feststellen: Männer aus Fleisch und Blut unterschiedlicher Gehaltsklassen spielen gegeneinander: Fußball. RB-Coach Alexander Zorniger, 45, und sein Lok-Kollege Marco Rose, 36, über gegenseitige Wertschätzung und unterschiedliche Perspektiven.
Die Anforderungen an RB sind gewachsen, neuerdings muss gewonnen und wunderschön gespielt werden. Ist das der Fluch guter Taten?
Alexander Zorniger: Wir stellen selbst hohe Anforderungen an uns, wollen erfolgreichen und attraktiven Fußball spielen. Letzteres gelingt nicht immer. In dieser Liga gibt es keine Mannschaft, die sich in der Woche dreimal zum Bier trifft und dünn drüber geht. Alle können 90 Minuten Tempo gehen, alle können verschieben. Siehe Neustrelitz.
Marco Rose: Ich war beim Neustrelitz-Spiel im Stadion. RB hat mir vor allem in der ersten Halbzeit gut gefallen. Die verteidigen extrem hoch, spielen ein aggressives Gegen-Pressing. Das hat Struktur, Sinn und Verstand. Man sieht die Handschrift des Trainers. Die Neustrelitzer haben gesagt, dass sie nah an Punkten waren. Seltsame Einschätzung, die haben zweimal aufs Tor geschossen.
Wie ist das Verhältnis Zorniger/Rose?
Zorniger: Absolut kollegial. Marco ist ein guter Typ und Trainer. Er hat nicht die personellen und finanziellen Möglichkeiten wie wir bei RB, macht aber das Beste daraus. Lok ist keine Bolzer-Truppe, die wollen Fußball spielen, werden sich auch am Sonntag nicht hinten reinstellen.
Rose: Alex ist umgänglich, wir haben keine Probleme miteinander. Ich habe meinen Jungs gesagt, dass sie mutig sein müssen. Beim 1:3 im Sommer waren sie das nicht, haben Glaube und Überzeugung gefehlt. Wir waren da ganz weit weg davon, etwas zu holen. Und die Tore haben wir uns auch noch fast selbst reingemacht. Dass RB besser besetzt ist, muss ich nicht erwähnen.
Ist die Außenseiterrolle des 1. FC Lok eine komfortable?
Zorniger: Lok ist ganz sicher nicht in der Pflicht, das Spiel machen zu müssen. Diese Last müssen und werden schon wir tragen. Es ist aber auch nicht so, dass Lok nur gewinnen und wir nur verlieren können. Ich bin übrigens nie davon ausgegangen, dass wir jedes Spiel klar gewinnen. Wir müssen jede Woche Widerstände brechen.
Leidet RB unter dem Bayern-München-Syndrom?
Rose: Red Bull hat außergewöhnliche Möglichkeiten, große Ziele. Natürlich will jeder dem großen Favoriten ein Bein stellen. Das geht aber nicht, wenn man vor Ehrfurcht erstarrt, Beton anrührt und nur zweimal aufs Tor schießt. Man muss sich von Anfang an Respekt erarbeiten und zeigen: Hallo, wir sind auch noch da. Und wenn ihr uns schlagen wollt, geht das nicht zwischen Tür und Angel.
Zorniger: Für unsere Gegner ist das Spiel gegen RB jedenfalls immer eine Art Pokalspiel. Da muss keiner motiviert werden, da gibt jeder, was drin ist.
Wo liegen die Stärken des 1. FC Lok?
Zorniger: Lok ist sehr gefährlich bei Standardsituationen, darauf sind wir vorbereitet. Ansonsten kommen sie vor allem über ihre mannschaftliche Geschlossenheit, werden beim Derby getragen von ihren Fans. Wobei wir uns in Sachen Unterstützung auch nicht beschweren können. Unsere Zuschauer-Entwicklung ist quantitativ und qualitativ fantastisch.
Rose: Wir haben keine Stars in unserem Team, leben vom Teamgeist, von der Begeisterung, von der Bereitschaft. Ich hoffe sehr, dass alle blau-gelben Fans am Sonntag kommen und uns unterstützen.
Auf Lok-Keeper Christopher Gäng dürfte eine tragende Rolle zukommen.
Rose: Idealerweise strahlt er von hinten Sicherheit aus und überträgt die auf seine Kollegen. Es nützt uns nichts, wenn Gänger super hält, wir aber keinen Ball an den Mann bringen und nur hinterherlaufen. Dann klingelt es irgendwann im Kasten.
Für manche ist RB immer noch ein rotes Tuch. Wie stehen Sie zum Bundesliga-Projekt in der Nachbarschaft, Herr Rose?
Rose: Ich würde auch gerne eines Tages Bundesligaspiele in Leipzig sehen, habe keine Berührungsängste. Dass eingefleischte Lok-Anhänger RB ablehnen, muss man ihnen zugestehen.
Haben Sie bei der Spendenaktion zur Rettung des 1. FC Lok mitgemacht, Herr Zorniger?
Zorniger: Nein. Aber ich glaube, dass wir mit dem Tausch des Heimspielrechts im Sommer unser Scherflein beigetragen haben.
Rose: Das war eine tolle Aktion, die uns geholfen hat. Beim 1. FC Lok muss sich perspektivisch und strukturell einiges ändern. Der Verein und eine gesunde Weiterentwicklung müssen wieder im Mittelpunkt stehen. Eifersüchteleien und Kompetenzstreitigkeiten bringen uns nichts.
Werfen wir einen Blick ins Lazarett. Wer fehlt beim Derby?
Zorniger: Dominik Kaiser ist zurück im Lauftraining, braucht noch ein, zwei Wochen. Sebastian Heidinger macht Reha-Training, fällt aus. Ansonsten sind alle fit. Der Trainer hat also die Qual der Wahl.
Rose: Markus Krug und Kevin Kittler können definitiv nicht. Hinter Kevin Walthier, Christoph Schulz und Alexis Theodosiadis stehen Fragezeichen.
Wer gewinnt das Derby?
Zorniger: Wir wollen gewinnen.
Rose: Wir auch. Da muss aber alles passen.
Interview: Guido Schäfer