Auferstehung gegen Nürnberg, Tuchels Nein zu RB
Glücklicher 2:1-Sieg vor 30479 Fans / TT kommt nicht
Von guido schäfer
Leipzig. Ein ungenießbares Ei landet einen Tag nach dem 2:1-Sieg der Roten Bullen gegen Nürnberg im Leipziger Nest: Wunsch-Trainer Thomas Tuchel, 41, lässt über seinen Berater sinngemäß ausrichten, dass er sich 2. Liga nicht antun werde/könne (der HSV leidet mit...). Adressat der Mitteilung: RB-Präsident Oliver Mintzlaff, 39.
RB-Sportdirektor Ralf Rangnick, 56, bestätigt am Ostermontag eine Vorabmeldung der LVZ: "Thomas Tuchel wird im Sommer definitiv nicht Trainer von RB Leipzig."
Die Absage der zartesten Versuchung auf dem Trainer-Markt hat sich nicht abgezeichnet - im Gegenteil. Ein Beleg: TT schickt seinen Vertrauten Arno Michels als eine Art Vorhut nach LE. Der ist beim Leipziger 3:1 gegen Düsseldorf zugegen, inspiziert das Trainingsgelände, ist begeistert. Für RB spricht auch die Schwatzhaftigkeit des mitbietenden HSV. Dort melden sich stündlich Verantwortliche zu Wort und berichten vom Verhandlungsstand der Dinge. Das kann Tuchel gar nicht leiden. Auch die großen Bayern sollen an TT dran sein. Falls Pep Guardiola die Sehnsucht nach Barcelona übermannt.
Tuchels Nein ist nicht gleichbedeutend mit einem Ja für Aspiranten wie Andre Breitenreiter oder (Interims-)Coach Achim Beierlorzer, steigert aber die Chancen des Letztgenannten auf eine Dauerlösung. Rangnick und Mintzlaff sagen dazu: nichts.
Unter dem Eindruck der ersten und mindestens desaströsen ersten Halbzeit gegen Nürnberg muss man sofort und für immer Abstand von einem Cheftrainer namens Beierlorzer nehmen. RB bieter weniger als nichts, geht mit einem gnädigen 0:1 (29./Burgstaller) statt einem fälligen 0:4 in die Pause.
In selbiger legt Herr Beierlorzer Hand an, staucht seine Minus-Männchen zusammen, bringt Tim Sebastian für Stefan Hierländer, stellt Innenverteidiger Lukas Klostermann auf rechts.
Unter dem Eindruck der dann folgenden Auferstehungsgeschichte muss man einen Cheftrainer namens Beierlorzer sofort und für immer unter Vertrag nehmen. RB schwingt sich auf Augenhöhe, begeistert die RB-Fans unter den 30479 Zuschauern, gewinnt 2:1.
Yordi Reyna gleicht nach Klostermann-Flanke zum 1:1 aus (46.), Dominik Kaiser trifft aus 25 Metern zum 2:1 (76.). "Nach dem Wechsel stand eine andere Mannschaft auf dem Platz", sagt Beierlorzer. "Vorher war das unterirdisch", sagt der überirdisch hütende Fabio Coltorti. Sonntag, 13.30 Uhr, geht's in Bochum um Punkte.
Comeback: Henrik Ernst feiert nach 60-wöchiger Abstinenz seine ersten Zweitliga-Minuten, hat Tränen in den Augen. "Ich bin nur noch glücklich."
Tribüne: Porsche hat Kinder aus der Uni-Klinik eingeladen. Gesichtet auch: Anita Gerhardter, Chefin der "Wings-for-Life"-Stiftung (Rückenmarksforschung) und Ex-Lebensgefährtin von Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz.
RB: Coltorti - Teigl, Klostermann, Rodnei, Jung (40. Compper) - Hierländer (46. Sebastian), Kimmich, Kaiser, Forsberg (86. Ernst) - Poulsen, Reyna
Nürnberg: Schäfer (46. Rakovsky) - Celustka (78. Nikci), Petrak, Hovland, Pinola - Stark, Polak, Kerk, Schöpf - Burgstaller, Sylvestr (78. Mlapa)
Tuchel/Rangnick - Ex-Brüder im Geiste
Kommentar Von guido schäfer
Tuchel. Klingt nach großem Fußball. Nach Mourinho, Guardiola, Klopp. Obwohl TT nur in Mainz am Rhein das Zepter schwang. Tuchel landet in seiner Langzeittabelle nach fünf Mainzer Jahren auf Rang fünf. Fünfter mit Mainz. Ja, das ist groß.
Der Fußballer Tuchel musste früh aufhören, der Trainer Tuchel fing entsprechend früh an. Mit allem, was er hat. Und einem Lehrmeister und Förderer namens Ralf Rangnick.
Der Trainer Tuchel und der Trainer Rangnick - Brüder im Geiste. Pedanten, Nörgler, Nervensägen. Männer, die nach rauschhaften Siegen beinahe das Duschen vergessen. Weil sie darüber nachdenken, was eventuell nicht so gut war.
Fußball-Lehrer im Wortsinn. Besessene. Bessermacher. Hamster-Radler. Männer, die die aufblasbare Taktiktafel mit ins Bett nehmen.
In Mainz fragte man sich allen Ernstes, wann Tuchel seine beiden Kinder gezeugt haben könnte. Rangnick hat übrigens auch zwei.
Als sich der RB-Sportdirektor Rangnick um Tuchel bemühte, war das nur logisch. Rangnick fischt in einem kleinen Teich. Eigentlich schwimmt da aktuell nur ein Fisch: Tuchel. Dass der jetzt auf Tauchstation gegangen ist und dies schnöde via Berater kundtat, spricht ausdrücklich nicht für das vermeintliche Rundumsorglospaket TT. Wobei sich sowieso die Frage stellt, ob es die zwei Alphatiere überhaupt miteinander ausgehalten hätten.
Tuchel will nicht in die 2. Liga. Das sind auch schlechte Neuigkeiten für den HSV. Eines fernen Tages wird Rangnick wieder auf der Bank sitzen. Bis dahin könnte sich eine interne Lösung mit dem erdverbundenen Herrn Beierlorzer als segensreich erweisen.
g.schaefer@lvz.de