WIE WOLFSBURG, ABER MIT KLEINEM HAPPY END

Leipzig - (25.04.2011)


Falls die Spieler von RB Leipzig in zwei Wochen beim Gastspiel in Meuselwitz auf einen leeren Gästeblock blicken, sollten sie sich nicht wundern. Die Auswärtsdarbietungen der Bullen haben Woche für Woche an Niveau verloren und am Ostersonntag nun ihren Tiefpunkt erreicht. Stimmte bei den enttäuschenden Unentschieden in Havelse und Wilhelmshaven zumindest noch der Einsatz, war das Gastspiel bei den „kleinen Berlinern“ eine Nicht-Leistung (von beiden Seiten). Nun könnte man es auf die nieder prasselnde Frühlingssonne schieben, man könnte es aber auch beim Namen nennen: Das war – zumindest bis zur 78. Minute, in welcher Hertha in Führung ging – eines der langweiligsten Spiele in der Geschichte von RB.
Möchte man Vergleiche zu anderen Partien ziehen, so bieten sich genügend Gelegenheiten. Nehmen wir mal drei Stück raus.
Nummer 1: Das Hinspiel. 7122 Zuschauer sahen in der Red Bull Arena eines der besten Spiele der Saison. RB kämpfte, RB kombinierte, RB siegte. In der Abwehr nicht sattelfest, im Spiel nach vorn aber sehr schön anzusehen. Am Ende versuchte es Timo Rost sogar noch mit der Hacke, so sehr hatte sich die Mannschaft in einen Rausch gespielt. Damals war die Welt bei einem Sechs-Punkte-Rückstand auf Chemnitz noch halbwegs in Ordnung, schien Tomas Oral mit einem 4-3-3 endlich das System seiner Wahl gefunden zu haben. Ein halbes Jahr später ist der Aufstieg nur noch theoretisch möglich (und das wohl auch nur noch eine Woche lang), fehlt RB jegliches Selbstvertrauen und jeglicher Spielwitz und hat Oral noch immer keine Mannschaft gefunden, der er sein Vertrauen schenkt. So spielte heute Carsten Kammlott den Großteil der Zeit wieder in der Sturmspitze und Daniel Frahn im offensiven Mittelfeld, also auf einer Position, die sich schon zu Beginn der Saison als nicht optimal für ihn erwiesen hat. Natürlich traf Daniel Frahn das Tor heute nicht.
Nummer 2: Das vergangene Spiel im Jahn-Sportpark. Als die Temperaturen noch jede Minusgrenze eines Thermometers unterschritten, musste RB an einem Abend bei Türkiyemspor ran. Die große Fußballkunst war's nicht, doch RB löste das Problem mit 3:0. Auch für eiserne Abwehrriegel schien das Rezept nun gefunden. Seitdem konnte RB auswärts nicht mehr gewinnen, auch heute nicht. Weil den ganz in Rot Gekleideten nichts, aber auch gar nichts einfiel, um die Hertha mal in Verlegenheit zu bringen. Die größte Chance? Kläse scheitert nach einer Ecke kurz vor der Pause mit dem Kopf. Beim Durchstöbern des (lückenhaften) Livetickers und des eigenen Gedächtnisses fällt mir keine (weitere) nennenswerte Großchance ein. Zugegeben: Auch Hertha hatte keine Großchancen im Minutentakt. Aber die junge alte Dame hatte zumindest überhaupt Chancen. Nach 23 Minuten versuchte es Top-Scorer Knoll (8 Tore, 8 Assists) mal von der Strafraumgrenze und zielte nur wenige Zentimeter rechts vorbei. 55 Spielminuten später machte Torunurigha seine Sache besser und traf zum 1:0 für den Gastgeber, den die ca. 420 Berliner unter den 468 Zuschauern anschließend lautstark mit „Hertha Amateure“ feierten. Ansonsten blieb es ruhig auf den Rängen, auch auf Seiten der Leipziger, wo bei Eckbällen der eigenen Mannschaft nur mal hilfloses Klatschen zu vernehmen war. Bei diesem Wetter hatte keiner Bock.
Nummer 3: Das letzte Auswärtsspiel. Im Prinzip war das heute eine ähnliche Nummer. Nur noch ärmer an Highlights. Wieder spielten zwei Mannschaften aus dem oberen Tabellendrittel gegeneinander, wieder spielte RB gegen eine besonders starke Rückrundenmannschaft (Wolfsburg hatte kein Rückrundenspiel verloren, Hertha hatte die sechs vorherigen Partien gewonnen), wieder schien keines der beiden Teams Lust auf Fußball zu haben. Kleiner Unterschied: Heute fiel die halbwegs interessante Anfangsphase des Wolfsburg-Spiels weg und die gesamte Darbietung war somit noch desolater. Den kuriosesten Unterschied markierte jedoch die Nachspielzeit, in der ausgerechnet Thomas Kläsener, der „Depp von Wolfsburg“, zum Goldenen Schützen avancierte. Wieder lief ein gegnerischer Spieler allein auf Neuhaus zu (diesmal hatte Rosin keine Lust, hinterherzulaufen), doch diesmal parierte Neuhaus großartig mit dem Fuß. Und im direkten Gegenzug, die Nachspielzeit zählte schon zwei, drei Minuten, brachte Müller mal wieder eine präzise Flanke in den Strafraum, wo der nach vorn geeilte Kläsener per Kopf vollendete. Späte Niederlage in Wolfsburg, später Ausgleichstreffer bei der Hertha. Freuen konnte man sich über beides nicht, denn beide Spiele waren mehr oder weniger eine Katastrophe und letztlich die Bestätigung für den nahenden Oral-Abschied.
Fünf Spiele gilt es noch zu überstehen. Mittlerweile merkt man auch den Spielern an, dass die Saison gedanklich für beendet befunden wurde. Wollen wir hoffen, dass zumindest die Heimspiele weiter von Erfolg gekrönt bleiben. Am Freitag kommt Cottbus, mit denen noch eine Rechnung zu begleichen ist. Auswärts geht es immerhin nach Meuselwitz, zu denen die Anreise keine Herausforderung darstellt, und zu den designierten Aufsteigern, denen man noch ein wenig in die Suppe spucken könnte. Noch fünfmal Dienst nach Vorschrift und dann beginnt die Vorbereitung auf die Saison, in der der Aufstieg gelingen muss, will man nicht womöglich über Jahre im Dann-Erst-Recht-Nadelöhr Regionalliga gefangen bleiben. Ach ja: Pokal gibt’s ja auch noch. Im Halbfinale gegen Dynamo. Zwei Spiele, die dem Einzug in den DFB-Pokal im Wege stehen. Na immerhin etwas.
Daten zum Spiel:
Hertha II: Strebinger – Morales, Morack, Brooks, Holland (89. Scheel) – Dardai, Perdedaj – Breitkreutz (70. Kurtaj), Knoll - Zecke, Boyd (76. Torunurigha)
Leipzig: Neuhaus – Albert, Rosin, Kläsener, Müller – Laas (89. Baier), Sebastian (80. Geißler) – Frahn, Rockenbach da Silva, Schinke – Kammlott (80. Frommer)
Schiedsrichter: Thomas Färber (Augsburg)
Zuschauer: 468 (ca. 30-50 Leipziger)
Tore: 1:0 Torunurigha (78.), 1:1 Kläsener (90.)
Gelbe Karten: Morack, Boyd, Dardai - Rosin
(Gelb-)Rote Karten: keine
Video: Video des MDR zum Spiel
Loch
Permalink:
https://www.rb-fans.de/artikel/20110425-hertha-spielbericht.html