AUGENZEUGEBERICHTE ZUM SPIEL GEGEN WILHELMSHAVEN

Leipzig - (20.02.2012)


Ein Blick auf die Nicht-Startelf
Alle reden vom sensationellen 8:2-Sieg, den tollen Kombinationen, einem dreifachen Wallner und von einer Demonstration der Stärke gegenüber den Aufstiegskonkurrenten Kiel und Halle.
Ich meine: Ja, ABER „eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“, werfe drei imaginäre Euro in das imaginäre Phrasenschwein und richte den Blick an den Rand des Spielfeldes. Da saßen mit Bellot, Sebastian, Hoheneder, Schulz, Heidinger, Kammlott und Kutschke wie gewohnt sieben Ersatzspieler bzw. wurden bereits nach 12 Minuten zum warm machen geschickt. Das dürfte neben dem höchsten Ligasieg übrigens ein weiterer neuer Vereinsrekord sein.
Nicht an der Erwärmung teilnehmen durften: Lagerblom, Rost, Lewerenz, Schinke, Watzka, Kerner, Rosin und Kocin. Selbst wenn man die drei letztgenannten wegen in der Vorbereitung aufgetretenen und anhaltenden Beschwerden ausklammert, bleibt folgendes Bild: Der Kader von RB Leipzig ist so groß, dass sogar die „aggressive Leader“ Rost und Lagerblom bei der Nominierung hinten runterpurzeln.
Werden die Spiele weiterhin so eindrucksvoll gewonnen wie gegen Wilhelmshaven, dürfte diese Tatsache eine Randnotiz bleiben. Wenn nicht, könnte es haarig werden oder wird es niemand wagen sein Wort über das von Peter Pacult zu stellen?
Im Fokus – Roman Wallner & Marcus Hoffmann
Gestern hieß die Devise: Augen auf beim Eierlauf, denn vom Abwehrchef bis zum quirligen Neuzugang aus den Bergländern im Süden sollten die Daten erfasst werden – etwaige Abweichungen mögen daher verziehen sein. Beide erwischten bei ihrem jeweiligen Einstand (auch für Hoffi hieß es zum ersten Mal Startelfeinsatz als Abwehrchef) einen guten Tag.
Roman Wallner
Wallners Spielstil sorgte vom Anpfiff weg für Aufsehen und kann am besten wie folgt beschrieben werden (zumindest bis zu seiner Abdelegierung auf die linke Außenbahn): unheimlich Laufintensiv (hatte da bis zur 55. Sicher Bestwerte), offensiv sehr variabel wich er auch gerne im Gegensatz zu Frahn auf die Außen aus, defensiv ließ er sich weit fallen , versuchte entweder als Zwischenstation anspielbar zu sein oder gab den Kettenhund für die gegnerischen Zentralspieler, sehr risikoreich, gerade im ersten Durchgang versuchte er seine Mitspieler oft einen Tick zu spektakulär einzusetzen, was teilweise nur knapp misslang und bei zunehmender Spielpraxis sicher zum Erfolg führen wird.
In der Zweikampfführung kann man fast sagen – entweder Wallner gewinnt, oder der Gegner bekommt ein Foul zugesprochen. Sicher hätten einige davon nicht zwingend gepfiffen werden müssen, teilweise hatte man das Gefühl, dass nachdem Wallner seinen Gegner schwindlig spielte, dieser einfach umfiel und dafür dann gegen unseren Ösi gepfiffen wurde. Im Bereich Flanken war er leider so Erfolglos wie viele vor ihm, hier besteht weiterhin Verbesserungsbedarf bei unseren Leipzigern.
Ballberührungen:
48 Kontakte (2 per Kopf) konnte Wallner für sich verbuchen, 27 davon in seiner stärkeren ersten Halbzeit, auch bedingt durch seine Position und die Spielanlage unserer Mannschaft, die oft durch die Mitte kombinierten. In Sachen Ballberührung führt er damit die Statistik der bisher beobachteten Spieler an: Frahn 37 gegen Kiel, Kutschke 43 gegen Havelse und 19 (57 Min.) gegen Meppen.
Pässe:
Durch das risikoreiche Spiel zu Beginn, war seine erste Halbzeit statistisch gar nicht so berauschend, 8/8 lautete die Passbilanz. In Halbzeit zwei war besonders im Kurzpassbereich eine Verbesserung zu sehen (11/3), ebenfalls natürlich positionsbedingt, keine seiner vier Flanken erreichte jedoch ihr Ziel, im ersten Durchgang zumindest noch eine von drei. Ein wenig mehr Glück, dann kommt der Pass auf Röttger an und Rockes Abschluss nach Anspiel durch Wallner geht nicht auf den Tormann, dann hätte auch Wallner sich über zwei Assists freuen dürfen.
Zweikämpfe:
Wie beschrieben löste Wallner seine Zweikämpfe fast immer erfolgreich, wenn dies ihm nicht gelang, dann ertönte der Pfiff des Schiedsrichters gegen ihn. Zweimal wurde er zudem selbst gefoult, einmal verlor er den offensivzweikampf, dem gegenüber standen sieben gewonnene Zweikämpfe (4 offensiv und 3 defensiv) sowie fünf Foulspiele seinerseits. Darüber hinaus konnte Wallner durch sein ausgezeichnetes Stellungsspiel und Schnelligkeit auch Zweikämpfen gut aus dem Weg gehen, bezeichnend sein Lauf zum 2:0.
Torschüsse:
Im Bereich Abschluss war er effizienter als unser Effizienzbiest Frahn, nur fünf Torschüsse benötigte er für seine drei Tore. Hier zeigt sich sehr schön, dass Wallner eher als hängende Spitze agierte und sich weit fallen ließ und auch oft versuchte seine Mitspieler einzusetzen.
Fazit:
Fast perfekter Einstand, der noch genügend Luft nach oben ließ, um auch größere Nummern als den SVW an die Wand zu spielen, denn im Bereich Abstimmung wurde sein Spiel im Laufe der ersten Halbzeit immer besser. Was nicht unbedingt nochmal probiert werden muss, ist sein Einsatz auf dem linken Flügel, wo er nicht nur als Rechtsfuß verschenkt ist, sondern auch seiner Kernstärken beraubt. Da auch Phantom Frahn einen unglaublich effizienten Tag hatte, dürfte es wie erwartet erst mal kein Vorbeikommen für die zweite Reihe geben. Kutschke hinterließ zwar keinen schlechten Eindruck (auch er ließ sich viel nach hinten fallen und übte Druck auf die Ballführenden aus), aber einen Wallner konnte er nicht gleichwertig ersetzen (wenngleich auch bei seiner Anwesenheit im Sturmzentrum vier Tore fielen).
Marcus Hoffmann
Der neue Abwehrchef, dies war vor dem Spiel klar und diese Rolle füllte er auch recht solide aus. Zwei gröbere Schnitzer bleiben jedoch im Gedächtnis. In der ersten Halbzeit lässt er sich durch sein ungestümes Heranrollen nur allzu leicht ausspielen und kann von Glück reden, dass Müllers Schnelligkeit selbigen erlaubt diesen Lapsus noch auszubügeln. Im zweiten Durchgang war es dann das zweite Gegentor, was zum Teil auf seine Kappe geht, wie auch die etwas pomadige Einstellung der Abwehr überhaupt natürlich auch auf den Chef zurückfallen muss.
Im Gegenzug war Hoffmann sowas wie der stille Denker und Lenker hinter unseren vorgeschobenen zentralen Mittelfeldspielern. Fast jeder Ball der die Abwehr verließ hatte Hoffmanns Fußabdruck dran. Auffällig war zudem sein ausgezeichnetes Kopfballspiel – seine 1,86 weiß er äußerst effizient einzusetzen. Mir ist jedenfalls kein Luftkampf eingefallen, den er verloren hätte, maximal landete seine Abwehr beim Gegner, aber auch dies war recht selten. Mit zunehmender Spieldauer war er sich gelegentlich auch nicht zu schade, mal einen Ausflug in gegnerische Gefilde zu unternehmen.
Ballberührungen:
66 Kontakte bezeugen die oben getroffenen Aussagen, stolze 18 davon via Kopf. In Halbzeit zwei, ob des teilweise zurückhaltenden Spiel noch etwas stärker eingebunden 30/36.
Pässe:
Von einfach bis steil, aber relativ ungefährdet war alles dabei. Hoffmanns Passstatistik liest sich daher auch tadellos 43 angekommenen Zuspielen mit dem Fuß steht ein Fehlpass gegenüber, selbiger war jedoch auch ein Versuch den Mitspieler über eine größere Distanz einzusetzen. Ganze drei dieser Versuche waren sogar von Erfolg gekrönt, so dass man Hoffmann durchaus als sichere Bank bezeichnen kann, der aber im Gegensatz zu längst vergangenen Spielzeiten unserer Mannschaft auch den vertikalen Pass beherrscht. Auch mit dem Kopf leistete er sich wenig Fehler 12 seiner Kopfbälle erreichten den Mitspieler, nur fünf gingen zum Gegner oder ins Aus.
Zweikämpfe:
Einziges Manko, der sonst guten Vorstellung waren seine Zweikämpfe (wie bereits oben angeklungen). Während in der Luft, wie gesagt, alles gelang (11), verzeichnet er auf dem Boden gar eine negative Bilanz (5/6). Dies hatte verschiedene Gründe. Zum einen die laue Einstellung nach dem 5:0, zum anderen unterliefen auch ihm Stellungsfehler (wie beim zweiten Gegentor) oder er war etwas zu ungestüm, wie in Halbzeit Eins. Hinzu kommen zwei Foulspiele. Hier hat Hoffmann noch das größte Verbesserungspotenzial, das er jedoch durch die zunehmende Wettkampfpraxis und das Einspielen der neuen Verteidigung durchaus wird ausschöpfen können.
Fazit:
Guter Startelfeinstand von Hoffi, der es durch den frühen Wechsel und die uneingespielte Viererkette auch nicht so leicht hatte. Der Gegner forderte selten, gegen stärkere Mannschaften muss und wird sicher auch etwas konzentrierter zu Werke gegangen werden. Hoffmann auf alle Fälle bester IV des Spiels, da Hoheneder auch einiges lieferte, was kritikwürdig war (Foulspiel vor dem 5:1, gerüttelt Maß an Stellungsfehlern, usw.). Ich bin mir sicher, dass Hoffmann seinen Weg gehen wird und mit zunehmender Spielpraxis wie Wallner ins Team wachsen wird und dann auch seine neue Abwehrkette in diesen Situationen besser in den Griff bekommt.
Ein kurzes Wort noch zu unserem kreativen Zentrum: Ernst & Geißler. Beide standen sehr hoch und spielten eine wichtige Rolle beim Dauerpressing der Mannschaft, die den Griff auf die Gäste nur zeitweise (nach dem 2:0 und dem 5:0) lösten. Dabei war die Rollenverteilung ähnlich der Kollegen im Sturmzentrum. Während Ernst eher unauffällig aber äußerst effizient agiert, war Geißler sicher einer der ansehnlichsten Akteure der ersten Halbzeit, der nicht nur das 1:0 mustergültig in den Strafraum vorgab sondern auch sehr schön Ernst vor dem 3:0 einsetzte. Beide waren bissig und sehr beweglich und gerade Ernst blühte in der Zentralen Schaltstelle auf. Für die tribünenbewohnenden Rost und Lagerblom wird es schwer werden, sich in diese Zentrale hineinzuspielen. Schulz hingegen kam zumindest auf seine Einsatzzeit, vergab aber die Chance auf einen eigenen Treffer etwas fahrlässig.
Statistik zum Spiel:
RB Leipzig: Borel - Müller, Hoffmann, Franke (30. Hoheneder), Wisio - Ernst, Geißler (69. Schulz) - Röttger, Rockenbach (55. Kutschke) - Frahn, Wallner
Wilhelmshaven: Gerdes - Broniszewski, Hofmann, Softic, Celikyurt - Sam (57. Koweschnikow), Puttkammer (76. Ari), Skoda, Karli - Nonni (46. Yilmaz), Sembolo
Tore: 1:0 Frahn (14.), 2:0 Wallner (26.),
3:0 Wallner (42.), 4:0 Müller (45.),
5:0 Ernst (50.), 5:1 Sembolo (72.),
6:1 Frahn (78.), 6:2 Sembolo (79.),
7:2 Kutschke (84.), 8:2 Wallner (88.)
Zuschauer: 4958
Roter Brauser, Rumpelstilzchen
Video: Bericht bei Sport im Osten
Bilder: Bei Sporting Pictures Leipzig
Audio:
Das ganze Spiel im Fanradio
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Das nächste Auswärtsspiel findet am 26.02.2012 in Garbsen statt. Infos zum Fanbus gibt es im Vorfeld bei RB-Fans.de und den Fanclubs.
Permalink:
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