TSCHÜSS REGIONALLIGA NORD, HALLO REGIONALLIGA NORDOST

Leipzig - (22.04.2012)


Mit einer verdienten 0:1-Niederlage in einem Spitzenspiel, das seinem Namen gerecht wurde, verabschiedet sich RB Leipzig aus dem Aufstiegsrennen. Kiel machte aus vielen Hochkarätern wenig, RB aus wenigen guten Chancen gleich gar nichts.
Etwa 500 Bullen-Anhänger hatten sich 4.30 Uhr im Hauptbahnhof versammelt, zu einer Zeit, zu der manche nicht von der Nachtruhe aufstanden, sondern direkt von einer Party zur nächsten aufbrachen. Entsprechend war für all jene Schlafsuchende, die sich von der sechsstündigen Fahrt in den Norden ein wenig Erholung versprochen hatten, nichts zu holen. Egal, wo man residierte – irgendwo war immer ein kleines Grüppchen, das trank, sang und feierte. Im Zug herrschte – wie jemand treffend feststellte - „Europapokalstimmung“. Wer dabei war, wird wissen, was gemeint ist. Auch die Polizei wird sich gefreut haben, dass man sich zur Abwechslung mal weniger mit latent Gewaltbereiten, sondern lediglich mit harmlosen Schnappsleichen herumzuschlagen hatte.
In Kiel angekommen, sorgte der Tross zunächst lautstark für einige verwunderte Gesichter im Bahnhof und wurde dann direkt per Shuttle-Bus Richtung Stadion transportiert. Dabei hatte man bisweilen das Gefühl, in ein skandinavisches Land verschleppt zu werden, so sehr streckte sich die Fahrt. Spilo und ich waren dennoch bereits zwei Stunden vor Anpfiff am Stadion und warfen noch einen kurzen Blick in die gemütliche lokale Kneipe. Der Gästebock war bereits gut gefüllt, stimmte sich weit vor Anpfiff gesanglich angemessen ein und irgendwann ging es dann tatsächlich los – das Spitzenspiel der Regionalliga Nord, das Verfolgerduell, Störche gegen Bullen, Kampf der supergeilen Maskottchen, der letzte Strohhalm im Aufstiegkampf, und so weiter und so fort.
Von der ersten Minute an kannten beide Teams aus nachvollziehbaren Gründen nur eine Richtung – die des gegnerischen Tores. Die Holsteiner machten sich dabei zunächst die durcheinander gewürfelte Leipziger Innenverteidigung mit Hoheneder und Ernst zu Nutze und hätten bereits mit 2:0 führen können. So setzte sich sich das 20 Minuten lang fort, vor allem Kiel hatte dabei viele hochkarätige Chancen. Für Rot-Weiß traf Frahn mal den Pfosten, ansonsten kamen die Gäste aber nicht zu den ganz zwingenden Möglichkeiten. Dennoch: Tempo, Intensität, Zweikämpfe, Stimmung auf den Rängen – die Zutaten für ein Spitzenspiel stimmten.
Was letzteres angeht, so waren wir Leipziger jedoch klar benachteiligt: mit einer Tribüne, die vom Spielfeld weiter entfernt war als jene der Kieler und aufgrund fehlender Überdachung auch eine schlechtere Akustik bot. Auf Höhe der Mittellinie klangen zehn Kieler lauter als zehnmal so viele Leipziger. Das ist besonders schade, da unser gesangliches Repertoire einen größeren Umfang aufzuweisen schien als das der Störche, wo man außer „Holstein Kiel“-Wechselgesängen, rhythmischem Klatschen und diversem Gegner-Bashing nicht allzu viel beizutragen wusste. Die großflächige Werbung für ein Energygetränk und die Jingles bei Ecken wussten allerdings zu gefallen.
Vor allem in der regnerischen zweiten Hälfte reichte aber zugegeben die pure Euphorie, die nach dem verdienten Führungstreffer durch Sykora auf den Rängen herrschte. Den RB-Fanblock schien ein Rückstand mit zunehmender Dauer wieder einmal zu hemmen, auch wenn es auswärts wie gewohnt keine Pfiffe zu hören gab. Gehemmt agierte auch die Mannschaft. Zwar war ihr anzumerken, dass sie hier was holen wollte, aber zwingend war das in letzter Konsequenz nicht. Stattdessen nutze Kiel jeden Fehler für brandgefährliche Konter, von denen eigentlich mindestens einer im Tor hätte landen müssen. Genau genommen war das ja auch der Fall, der Jubel der Kieler ebbte nach einer Weile ab, als sie begriffen, dass auf Abseits entschieden wurde.
Was bleibt vom Tage hängen?
500 Leipziger dürften trotz der Erkenntnis, dass die Reise auch im dritten Jahr in Folge durch beschauliche Regionalliga-Stadien führt, einen tollen Tag gehabt haben. Die erste Auswärtsfahrt im Zug – das ist ein Erlebnis, das zunächst einmal für sich steht.
Die Mannschaft hat – das ist die andere, die bittere Erkenntnis – den Aufstieg schlicht nicht verdient. Heute war Kiel klar stärker, zuletzt hatte uns Halle die Grenzen aufgezeigt. Am Ende dieser Saison wird eine Mannschaft aufsteigen, die den besten, den erfolgreichsten, den cleversten Fußball gespielt hat – sei es nun Kiel oder – eher wahrscheinlich – Halle. Halle sollten wir tatsächlich die Daumen drücken, denn anders als Kiel könnten wir dem HFC nächste Saison in der reformierten Regionalliga nicht aus dem Weg gehen. Und nochmal braucht man die nun wirklich nicht.
Die Saison ist gegessen, die Spannung der nächsten Wochen und Monate wird sich nicht aus den ausstehenden vier Saisonspielen ziehen, sondern aus grundsätzlicheren Fragen: Wird Pacult unsere Elf auch in der neuen Saison trainieren? Sieht so aus. Welche Spieler bleiben? Und welche Spieler können mit der Aussicht auf DDR-Oberliga 2.0 und Relegationsspiele, in denen man sich theoretisch eine perfekte Saison binnen einer Woche zunichte machen kann, überhaupt noch geködert werden? Sollte man das Konzept mit ehemaligen Bundesliga- und Nationalspielern nicht zu den Akten legen und stattdessen auf noch hungrige, hochtalentierte Spieler aus der dritten und vierten Liga setzen?
Vielleicht ist das ein wenig zu hoch gegriffen, doch das Projekt RasenBallsport Leipzig scheint nun am Scheideweg angekommen. Der Flaschenhals Regionalliga war eh schon ein dünner, ab der kommenden Saison passt nun gerade mal noch ein halber Strohhalm durch. Für Leipzig ist es der Strohhalm Profifußball, an denen sich zahlreiche Fußballbegeisterte seit drei Jahren klammern. Selbst jenen, die sich mit Regionalligafußball begnügen können, sollte klar sein: Gewisse „höhere Mächte“ werden sich mit so etwas nicht endlos lange zufrieden geben. Leipzig muss raus aus Liga 4, wenn es mit RB in dieser Stadt weitergehen soll. Wann das passiert, ist nun offener denn je.
Eine schöne Fahrt war's dennoch.
Loch
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