DR. MICHAEL KÖLMEL IM INTERVIEW - TEIL 1

Leipzig - (07.01.2013) Promovierter Volkswirt, Honorarprofessor für Medienökonomie, Gründer des Filmverleihs "Kinowelt", Geschäftsführer des Verlages "Zweitausendeins" und Inhaber der Red-Bull-Arena. Im Interview mit rb-fans.de spricht der umtriebige Medienunternehmer Dr. Michael Kölmel über das Stadion, RB Leipzigs verpasste Aufstiege, Chancen und Parallelen zum FC Sachsen.


rb-fans.de: Herr Kölmel, Sie haben in Göttingen Mathematik und Volkswirtschaftslehre studiert, Ihre Leidenschaft ist der Film. Wie sind Sie auf Fußball bzw. Leipzig aufmerksam geworden?
Dr. Michael Kölmel: Ich habe mit Filmen für das Kino angefangen. Später kamen Rechte für das Fernsehen hinzu. Auf Dauer waren dem Fernsehen nur Kunstfilme zu wenig, sie wollten Blockbuster. Daraufhin habe ich auch Blockbuster wie „Mr. und Mrs. Smith“ oder „Der englische Patient“ gekauft. Was das Fernsehen aber wirklich wollte, war Fußball. Dazu hatte ich die Überlegung, Traditionsvereine, die in Nöten waren, wieder aufzupeppeln, damit man diese wieder an das Fernsehen verkaufen kann. Hierbei habe ich dann gesehen, dass bei diesen Vereinen nicht nur die sportlichen und finanziellen Situationen schlecht waren, sondern auch die Stadien. Vor der Weltmeisterschaft 2006 gab es Subventionen, weil sich in den neuen Bundesländern zumindest ein WM-Standort befinden sollte, worauf sich Leipzig gleich gemeldet hat. Zusammen mit der Stadt Leipzig habe ich das Stadion dann renoviert, damit es für die WM tauglich war.
(lacht) Ja, wahrscheinlich, aber das Filmgeschäft ist auch nicht leicht berechenbar. Am Ende kann man nur gut davon leben, wenn die Leute auch ins Kino gehen.
Ich bin in der Stadt von vielen darauf angesprochen worden. Von Leuten, die sich gefreut haben, dass das Stadion renoviert wird, weil es am Ende nicht mehr benutzt wurde bzw. zu benutzen war. Allerdings war die Stadt Leipzig anschließend vollständig im Olympia-Fieber. Ich habe darauf hingewiesen, dass man die Austragung der Weltmeisterschaft sicher habe und die Olympischen Spiele hingegen nur Traumtänzerei seien. Erst als man den Zuschlag für Olympia leider nicht bekam, sind alle wieder auf die Fußball-Weltmeisterschaft umgeschwenkt. Während der WM war in Leipzig eine super Stimmung. Aber nach jeder super Party herrscht Katerstimmung und die tauchte nach der WM in Leipzig auf.
Ich fand das Projekt gut. Manchmal muss man auch Utopien hinterherlaufen. Die Bewerbung hat für Leipzig auch viel bewirkt: Infrastrukturmaßnahmen sind bezahlt worden, aber auch eine Euphorie, dass alles machbar ist, hat sich entwickelt. Klar hatte man hinterher einen Kater, aber trotzdem fand ich das toll.
Man muss dafür sorgen, dass das Stadion voll in Schuss ist. Darüber hinaus ist es wichtig, dass der Rasen in einem guten Zustand ist. Es kommt darauf an, dass die Hochleistungssportler optimale Bedingungen haben. Die Fußballer wollen sich auf keinen Fall auf einem schlechten Rasen verletzen. Der Fußball wird immer schneller und dabei muss sich der Spieler darauf verlassen können, dass nicht plötzlich ein Schlagloch auftaucht, wo er sich überraschend verletzt. Des Weiteren muss es auch den Zuschauern, die immer mehr Komfort verlangen, gefallen. Das alles ist alles relativ viel Arbeit, auch unter der Woche. Das ist auch der Grund, weshalb nur sehr wenig im Stadion trainiert werden darf und es erst recht nicht erlaubt ist, dass andere Mannschaften mal so eben aus Spaß dort spielen können.
Ich bin ein totaler Verfechter von Innenstadt-Stadien. Nach dem Spiel setzen sich die Leute nicht ins Auto und fahren nach Hause, sondern sie beleben die Innenstadt. Damit steht man auch nicht in Konkurrenz mit Kneipenbesitzern, die auch für Leben in der Stadt sorgen. Außerdem können die Zuschauer in Leipzig mit der Straßenbahn direkt zum Stadion fahren. Die Leute können sogar mit dem Zug in Leipzig ankommen und zu Fuß zum Stadion laufen. Das finde ich phantastisch. Wir wollen die Ereignisse doch in der Stadt haben und nicht außerhalb. Das hat auch die WM 2006 gezeigt. Es gab für die Spiele nur 45.000 Karten, aber es waren noch unglaublich viele Menschen auf den Public-Viewing-Plätzen. Nach dem Spiel haben sich alle Leute getroffen und die Stadt in eine Partymeile verwandelt. Das ist nur möglich, wenn das Stadion mit der Stadt verbunden ist. Deshalb bin ich sehr froh und verfechte auch an allen Stellen, dass ich für Innenstadt-Stadien bin. Meiner Ansicht sind Stadien in der Stadt die Zukunft.
Ein Verkehrskonzept wäre notwendig, sicher. Städtische Mühlen arbeiten aber langsam. Zu den Verantwortlichen sage ich, dass sie jetzt Zeit zum Üben haben. RB Leipzig wird langsam aufsteigen und dann kommen auch immer mehr Zuschauer. Momentan kann mit 7.000 Zuschauern getestet werden. Später, wenn regelmäßig 45.000 Zuschauer kommen, muss alles passen.
Auf jeden Fall sollte geregelt werden, dass Stadionbesucher, die mit der Straßenbahn anreisen, nicht noch die Straße überqueren müssen - quasi ein Ausbau der Unterführung. Das ist eine ganz einfache Sache.
Wenn das Stadion in Zukunft kontinuierlich ausverkauft ist, muss aber noch einiges geändert werden. Das sollte aber alles machbar sein.
In der Zeitung konnte man lesen, dass das Stadion eine Investitionsruine sei. Davon habe ich mich aber nicht beeinflussen lassen. Ich wusste, dass ich hier irgendwann eine Lösung finden werde. Das geht nicht von heute auf morgen. Man hat hier auch keine konstanten Partner gefunden. Die Stadt war auch selber immer schwankend. Es geht ja nicht nur um die 1. Mannschaft, sondern auch um eine klare Perspektive und gute Ausbildungsmöglichkeiten für die jugendlichen Fußballer. In diesem Szenario mit RB ist das alles in einer unheimlich guten Planung und wird teilweise auch schon praktiziert. Man ist bereit auch in hochklassige Fußballausbildung relativ viel zu investieren.
Wir würden gerne jedes Jahr ein Länderspiel austragen, aber das geht leider nicht. Es gibt eine bestimmte Anzahl von Länderspielen und es gibt eine bestimmte Anzahl an WM-tauglichen Stadien. Da kann man sich ausrechnen, dass man alle drei Jahre ein Spiel austragen darf. Wir waren 2012 dran, also ist 2015 mit dem nächsten Spiel zu rechnen. Für ein Spiel gegen eine „große Nation“ verbessern sich die Karten für Leipzig immer mehr, weil die Stadt fußballbegeistert ist und die Länderspiele immer ausverkauft sind. Für die Top-Gegner nimmt der DFB aber bevorzugt die größeren Stadien wie in Dortmund, München oder Gelsenkirchen. Diese Stadien sind in der Priorität einfach vor uns. Falls RB Leipzig später aber mal Bundesliga spielt und an dem Stadion noch ein paar Verbesserungen vorgenommen wurden, ist es möglich, dass auch attraktivere Gegner in Leipzig spielen.
Das Logo müsste im schlimmsten Fall wieder abgedeckt werden. Probleme bestehen in erster Linie mit dem teuren Bereich, dem VIP-Bereich. Wir haben momentan nur eine Seite mit VIP-Logen. Bei Länderspielen müssen da aktuell noch welche angebaut werden, zum Teil wird da auch das Hauptgebäude mit einbezogen. Das ist für den DFB auch ein Entscheidungskriterium. Der Verband will mit den Länderspielen viel Umsatz machen, weil er auch viel dafür ausgibt.
In letzter Zeit gab es bereits kleine Veränderungen im Stadion: Im VIP-Bereich gibt es bereits rot-weiße Sitze und auch der Zugang vom Stadiontunnel ist in den Vereinsfarben von RB Leipzig umgestaltet worden. Sind weitere solcher Maßnahmen in Planung? Wenn ja, wann?
Red Bull hat diesbezüglich sicher einige Pläne. Die genauen Vorstellungen kenne ich aber nicht. Momentan ist der Fokus aber auf den sportlichen Erfolg gerichtet. Wenn dieser ausbleibt, bergen dekorative Umgestaltungen am Stadion die Gefahr, dass sie lächerlich wirken. Deshalb steht jetzt der sportliche Erfolg an erster Stelle. Man kann aber davon ausgehen, dass Red Bull bei nachhaltigem Erfolg im Stadion präsenter wird. Was in den vergangenen Jahren bereits erreicht wurde, ist eine gute Verankerung in der Stadt. Zudem hat der Verein relativ viele Fans. Das hat man ihnen nicht zugetraut, dass so viele Zuschauer zu den Heimspielen kommen. Und inzwischen fahren ja auch relativ viele zu den Auswärtsspielen mit.
Ja, diese Anliegen sind uns bekannt und die nehmen wir uns auch zu Herzen. Viele Sachen sind machbar, viele Sachen kosten aber auch Geld. Wir lernen alle noch dazu. Mit dem Caterer gibt es auch Verträge. Kritik nehmen wir wahr und geben sie an die Leute weiter, die direkt dafür zuständig sind.
Nein, das Projekt wurde langfristig geplant. Aber ich hätte eine Ausstiegsklausel für den Fall, der Verein würde ewig in unteren Ligen spielen. Aber an so etwas denkt derzeit niemand.
F-Lion & Rojiblanco
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