ROTE BULLEN GEWINNEN HEIMSPIEL IN ROSTOCK

Rostock - (27.04.2014) Eigentlich sollte man den Fans (besser: einigen) von Hansa Rostock extrem dankbar sein. Dankbar dafür, dass sie gestern zeigten, wohin die Reise von uns hoffentlich niemals ansatzweise gehen wird.


Rund um die abgesagte Choreographie für das Darmstadtspiel war es in der Fanszene von RB Leipzig zu einigen Verstimmungen gekommen. Am Ende gab es einen Riss innerhalb der Fanszene und auch zwischen einigen Fanclubs und Verein. Das Ergebnis war ein 15-minütiger Stimmungsboykott von etwa 100 Anhängern. Was für viele eine besorgniserregende Entwicklung darstellte und für Tage so ziemlich alles andere überlagerte, war ja eigentlich nur Kindergarten im Vergleich zu dem Zustand, in dem sich die Fanszene von Hansa Rostock dieser Tage präsentiert. Auch wenn es etwas problematisch ist, diese aus der Ferne zu beurteilen, lassen die Beobachtungen vor Ort und anschließendes Lesen durch diverse Foren und Blogs doch einige Schlüsse zu.
Wie schon im Hinspiel boykottierten die Hansaanhänger die ersten sieben Minuten des Spiels durch Fernbleiben. Was auswärts in deren Logik noch eine gewisse Berechtigung haben mag, erscheint im eigenen Stadion ziemlich sinnfrei. Schließlich geht es dabei nicht darum, auf Missstände in der eigenen Fanszene oder im eigenen Verein hinzuweisen (so wie bei uns vor einer Woche – ob berechtigt oder nicht, ist dabei wohl eher subjektiv) oder gegen eine ungerechte Behandlung (Polizei, DFB, Jugendschutz auf dem Beate-Uhse-Kanal, was auch immer) zu protestieren. Sondern ein Zeichen zu setzen gegen einen anderen Verein, den man damit gewissermaßen über den eigenen stellt. Dazu hingen dann Banner, die sagten, dass man dem Produkt keinen Rahmen bieten möchte, oder auch „Bier statt Brause“ (was ich sehr ironisch fand, nachdem mir auf der Pressetribüne das Biertrinken vom Securitypersonal verboten wurde).
Nach sieben Minuten folgte wieder der Einmarsch, es gab eine Minichoreo („Scheiß Bulle“ – für das „n“ fehlten leider die nötigen Leute auf den Plätzen) und – wie zu erwarten – eine stimmgewaltige erste Halbzeit. In der Pause gingen die Auseinandersetzungen hinter der Südtribüne dann richtig los, was man aus dem Stadioninneren heraus jedoch überhaupt nicht mitbekam. Erst als der Support zur zweiten Hälfte ausblieb und es ein permanentes hektisches Hin und Her ganzer Personengruppen gab, wurde klar, dass dort irgendetwas vor sich ging. Die relativ übereinstimmenden Schilderungen aus diversen Hansaforen ergeben folgendes Bild: Einige Hansaanhänger vermummten sich, bewarfen RB-Fans mit Gegenständen. Darauf reagierte die Polizei, darauf wiederum ein noch größerer Teil von Hansaanhängern. Im Laufe dessen präsentierte man auf der Südtribüne auch mal einen Polizeihelm als Trophäe. Und für den unbeteiligten Beobachter stellt sich die Frage: Wie wenig Hirn kann ein Mensch eigentlich besitzen?
Da kommen 14.200 Zuschauer ins Stadion (Saisonrekord, auch mal wieder bezeichnend für die Scheinheiligkeit vieler, die RB verteufeln, uns dann aber doch gerne mal live sehen möchten), also 8.000 mehr als in den Spielen zuvor gegen Münster und die Kickers, und anstatt Werbung zu machen, veranstalten die aktiven Fans etwas, was von vielen in den Foren hinterher als „Tiefpunkt“ bezeichnet wurde. Nicht nur das: Da wird man vom DFB wegen zahlreicher Verfehlungen mit einer Strafe auf Bewährung belegt (Sperrung der Südtribüne droht) und wie reagiert man? Man zerlegt das eigene(!) Stadion, präsentiert Choreos und Banner gegen „Bullen“ und DFB (die in vorherigen Spielen auch schon Grund für die Bestrafung waren). Und am Schlimmsten: Man lässt die eigene Mannschaft im Stich. Keine Ahnung, was für diese möglich gewesen wäre, wenn sich das Stadion in der zweiten Hälfte in ein Tollhaus verwandelt hätte. Stattdessen – und das ist aus unserer Sicht letztlich natürlich positiv – überließ man dem verhassten Gästeanhang das Feld, der am Ende dann auch noch vollkommen berechtigt „Ohne Leipzig wär' hier gar nix los“ singen durfte. Im Ostseestadion! Unglaublich.
Der Gästeanhang präsentierte sich aber auch unabhängig davon in toller Form. Weit vor Anpfiff wurden bereits immer wieder Gesänge angestimmt und auch während des Spiels wurde, meist in gut vernehmbarer Lautstärke, durchgezogen. Besonders positiv fiel diesmal die Mitmachquote auf. Von der Haupttribüne aus hatte es den Anschein, als würde der komplette Gästeblock mitziehen. Ich persönlich hatte über lange Phasen der Saison Zweifel, ob die Fanszene von RB schon zweitligareif ist, aber wenn man die Euphorie, die es spätestens seit dem Darmstadtspiel gibt, halbwegs in die nächste Saison mitnimmt, dann ist das definitiv zweitligareif. Nun sind wir noch nicht aufgestiegen – aber zweifelt wirklich jemand daran, dass wir Saarbrücken am Samstag aus dem Stadion schießen?
Den wahren Hansafans kann man derweil nur viel Glück bei der Selbstreinigung wünschen. Die gestrigen Ereignisse könnten etwas in Gang gebracht haben, denn liest man in den Foren, dann ist da Wut zu spüren, die viele kaum in Worte fassen können. Da melden sich Fans, die von den eigenen Anhängern bepöbelt oder verprügelt werden, weil sie zu leise, zu weiblich, zu wenig gewalttätig, usw. sind. Unfassbare Zustände, von denen wir glücklicherweise meilenweit entfernt sind.
Bei allen Irrungen und Wirrungen der letzten Zeit sollte man daher eher die positive Entwicklung hervorheben, die unsere Fanszene seit Bestehen genommen hat. Und man möchte eigentlich nur an die einen appellieren, sich nicht so wichtig zu nehmen, und an die anderen, sich in etwas mehr Toleranz zu üben. Nicht jeder, der in 90 Minuten mal eine Pause braucht, ist ein schlechter Supporter. Und nicht jeder mit schwarzer Kleidung und Sonnenbrille ein potentieller Chaot. Im Vergleich zu anderen Fanszenen ist unsere kerngesund.
Statistik zum Spiel:
Rostock: Hahnel – Mendy, Weidlich, Ruprecht, Radjabali –
Jakobs (64. Kučuković), Schünemann (75. Christiansen), Krauße, Blacha –
Ioannidis – Savran
Leipzig: Coltorti – Heidinger, Hoheneder, Sebastian, Jung –
Kaiser, Demme, Kimmich (90.+1 Teigl) – Röttger (68. Franke) – Frahn (C)
(79. Morys), Poulsen
Tore: 0:1 Frahn (44., FE)
Schiedsrichterin: Bibiana Steinhaus (Hannover)
Zuschauer: 14.200 (ca 1.200 Leipziger)
Gelbe Karte: Krauße
Loch
Permalink:
https://www.rb-fans.de/artikel/20140427-spielbericht-hansa-lang.html