DIE SPIELER IN DER EINZELKRITIK – FC ERZGEBIRGE AUE (POKAL)

Leipzig - (01.11.2014) Ein Pokalfight wie aus dem Buch. Aue in 90 Minuten mit den klareren Chancen, aber Leipzig tonangebend und mit dem Willen das Spiel noch zu drehen. Wie schlugen sich die Einzelspieler beim ersten Achtelfinaleinzug der Vereinsgeschichte?


Der zweite Teil der englischen Woche war ein extrem hartes Stück Arbeit. Aue agierte mit schnellen und präzisen Nadelstichen über die Außenbahnen, im Abschluss fehlten jedoch Kaltschnäuzigkeit und Glück, wer weiß, ob sie den Flankenball ohne Klostermanns Hilfe über die Linie bugsiert hätten. Genügend Großchancen, das Spiel in der regulären Spielzeit für sich zu entscheiden, hatten sie jedoch, ein Umstand der Zorniger zu denken geben sollte. Unsere Leipziger verschliefen weite Teile der ersten Halbzeit und liefen danach einem Rückstand hinterher. Trotz vieler Torabschlüsse (33/10) fiel es den Messestädtern erneut schwer, aus ihrer Feldüberlegenheit (59% Ballbesitz) echte Torgefahr zu kreieren. Schließlich musste in der Nachspielzeit ein Standard herhalten; eine Ecke (11/2) die Poulsen ohne große Gegenwehr in Männels Kasten unterbrachte. Danach war Aue gebrochen und durch die kürzere Regeneration, Defensivwechsel und den Spielverlauf nicht mehr in der Lage, Leipzig in der Verlängerung Paroli zu bieten. Der berechtigte Elfer und das Tor von Boyd zum 3:1 Endstand somit die logische Konsequenz der Verlängerung.
Auf der Pressekonferenz dann beide Trainer mit unterschiedlichen Meinungen zum Spielverlauf, was in Anbetracht der Großchancen vs. Spielanteile durchaus verständlich war. Zorniger aber trotz der erstmaligen Qualifikation fürs Achtelfinale nicht tiefenentspannt, auch an dieser Front gibt es also Verbesserungspotenzial.
RBL muss sich verstärkt mit der Frage beschäftigen, wie man defensiv eingestellte Gegner spielerisch bezwingen kann. Abseits von Standards (wie auch schon gegen Bochum) und individueller Klasse generierte RBL zuletzt zu wenig Torgefahr aus dem laufenden Spiel.
Coltorti: Parallelen zur ersten Pokalrunde - aber vollkommen unbeabsichtigt. Dort kassierte Bellot sein erstes Saisongegentor, während man damals jedoch eine gewisse Mitschuld unterstellen konnte, war Coltorti bei Klostermanns überragendem Lupfer ohne Abwehrchance. Auch danach Ähnlichkeiten zum Paderbornkick, als das Gestänge für den Schweizer retten musste. Sonst abgeklärt und erneut mit dem Glück des Tüchtigen. Insgesamt ein weiterer Schritt nach vorne für den Eidgenossen, der diesmal auch deutlich mehr Spielanteile (39 statt 10 Pässe wie noch gegen Bochum) hatte und wie auch gegen VfL eine gute Passquote (72%) aufwies.
Sebastian: Keine einfache Situation für Sebastian, der sich zum dritten Mal in der noch jungen Saison auf einen Nebenmann einstellen musste. Trotz der Schwierigkeiten, vor die Aue in der ersten Halbzeit die Bullenabwehr stellte, ein souveräner Auftritt des Abwehrchefs, der seiner Rolle nach Klostermanns Eigentor sofort gerecht wurde, indem er das Jungtalent gleich wieder aufbaute (immerhin hatte aber auch sein eigener Fehlpass den Angriff eingeleitet). Mit solider Zweikampfquote (71%) und sicherem Passspiel (82% und mit 84 Pässen die meisten des Teams) ein starker Rückhalt, der bei den Auer Kontern allerdings nicht immer eingreifen konnte.
Klostermann: Hoheneder noch nicht fit, Compper angeschlagen - große Namen und damit große Fußstapfen in die Klostermann in diesem Entscheidungsspiel treten durfte. Dazu noch das unglückliche Eigentor (trotzdem der sehenswerteste Treffer des Spiels), das hätte auch locker nach hinten ausgehen können. Aber der Ex-Bochumer fing sich und lieferte insgesamt eine erstaunlich gute Partie ab. 64% Zweikampfbilanz und 78% Passquote lassen sich gegen die starken Auer durchaus sehen, zumal die Konter für die IV´s sehr schwer zu unterbinden waren, da der Zugriff auf einige Angriffe bereits im Mittelfeld abhanden gekommen war. Gelungener Einstand für einen der umstrittensten Transfers (Neururer) des Sommers.
Teigl: Spieler mit den meisten Ballberührungen (142). Ein echter Dauer(b)renner, aber auch einer der Faktoren, warum Aue besonders über die rechte Abwehrseite sehr gut angreifen konnte, noch dazu mit dem fast vorentscheidenden Ballverlust in der 81. Minute. Die hoch stehenden AV waren gegen die sehr gut eingestellten Auer eine hausgemachte Abwehrschwachstelle. Dafür Teigl aber auch mit guten Offensivaktionen und nicht zuletzt mit dem herausgeholten Elfmeter zur Führung. Mit 78% Passquote solide, dafür mit 52% Zweikampfquote der schwächste Akteur der Viererkette. Es bleibt letztlich dabei: Teigl kann offensiv eine Wucht sein, aber defensiv auch eine Schwachstelle, wobei davon auch 50% an die Spielanlage gehen (vgl. dazu die Anfangsprobleme von Jung).
Jung: Bester Zweikämpfer im Team (80%) mit einer stabilen Leistung nach der hektischen Anfangsphase, als er beim Gegentor hinten fehlte und Sebastians Kopfball-Fehlpass die Hintermannschaft auf dem falschen Fuß erwischte. Dafür jedoch schlechteste Passbilanz aller Abwehrspieler (62%). Offensiv wie Teigl mit drei Torschussvorlagen dazu aber noch drei Torschüssen. Besonders im zweiten Durchgang mit einer starken Leistung.
Khedira: Zweitbeste Zweikampfquote im Team (73%) und eine der besten Passquoten (83%). Khedira wieder ein stabilisierender Faktor im RBL Spiel, allerdings in der ersten Halbzeit im Mittelfeldverbund nicht in der Lage, die Auer Konter zu unterbinden, auch weil Aue kaum auf hohe Bälle setzte. Im Mittelfeld derzeit wenig Ruhe, möglicherweise eine Folge der Formschwäche bzw.- Verletzung Kimmichs.
Demme: Demme mit Schwierigkeiten in der Zweikampfführung, nach Hierländer der schwächste Akteur (44%). Bei ihm scheint das Fehlen Kimmichs besonders spürbar zu werden, seine Abstimmung mit Hierländer bleibt jedenfalls ausbaufähig. Gegen Aue hatte die defensive Dreierreihe bis in die zweite Halbzeit hinein signifikante Probleme. Mit immerhin 65% Passquote, wurde er in der Schlussphase durch Fandrich ersetzt, der offensiv mehr Einfluss aufs Spiel nahm und passsicherer wirkte. Möglich, daß dem dem Dauerläufer vom Dienst eine Pause gut täte.
Hierländer: Schwächster Mittelfeldspieler im ersten Durchgang und daher auch folgerichtig von Zorniger ausgewechselt. Wie schon gegen Bochum mit sehr schlechten Zweikampfwerten (25% - schlechtester RBL Kicker) und wenig Ballberührungen (31), zwingt seine Nebenleute zu Mehrarbeit und drückt damit ihre Effektivität. Dazu defensiv kaum im Spiel und auch offensiv nicht zu sehen. Nach Kimmichs Rückkehr nicht in der besten Position im Kampf um den entscheidenden Anschlussplatz nach der gesetzten Viererreihe.
Kaiser: Wird von Spiel zu Spiel stärker. Immer wieder der Mann für die wichtigen Tore bzw. entscheidenden Szenen. Wächst derzeit weiter in die Rolle des Führungsspielers hinein (kommender Kapitän?). Mit einer der besten Zweikampfquoten in der Offensive (65% und auch diesbezüglich seiner besten Saisonleistung), ein unermüdlicher Arbeiter im Anrennen auf das Gästetor. Dazu natürlich die beiden Torvorlagen und der entscheidende Elfmeter. Mit sieben weiteren Torschüssen, einer ausgezeichneten Passquote (82%) und vier Torschussvorlagen in dieser Form über alle Zweifel erhaben. Die Rückkehr des Kaisers, der in der Rückrunde zum besten Spieler der dritten Liga aufstieg, bahnt sich nicht nur an, sie ist schon Realität.
Poulsen: Wieder ackerte und rackerte der Däne, was das Zeug hielt. Mit neun Torschüssen war er der abschlussfreudigste Spieler auf dem Feld. Mit seinem Kopfball zum Ausgleich in letzter Minute belohnte er sich selbst für seine starke Leistung (u.a. Pfostentreffer in der 67.). Dazu leitete er mittels klugem Pass auf Kaiser auch das 3:1 ein. Mit 53% Zweikampfquote mal wieder über dem Schnitt und auch die 64% Passquote in der Sturmspitze ordentlich. Poulsen erneut der auffälligste Spieler im Sturm und hoffentlich weiter in dieser starken Form.
Frahn: So gut wie es für Frahn gegen Bochum lief, so schlecht lief es gegen Aue. Frahn konnte keinen Torschuss verzeichnen (!) und wurde in der 61. gegen Boyd ausgewechselt, der seine Sache deutlich besser machen sollte (siehe unten). Mit 33% Zweikampfquote nach Hierländer der schlechteste RBL Akteur und mit 18 Ballberührungen am Ende der Fahnenstange. Gelingt es ihm nicht, wie gegen Bochum, aus seinen wenigen Kontakten etwas zählbares zu machen, bleibt Frahn gegen die stärkeren Defensiven der zweiten Liga blass.
Palacios: Überraschender Wechsel zur Pause. Zorniger entschied sich, wie schon im Training, für Palacios als Mittelfeldoption und brachte ihn für den blass gebliebenen Hierländer. Insgesamt ein solider Einstand für den Ex-Wolfsburger auf einer ungewohnten Position, die er auch (nicht zuletzt weil Aue sich zurückzog) relativ offensiv interpretieren konnte (und ab der 70. auch für ein 433 nach vorne gezogen wurde). Trotzdem mit wenig Einfluss aufs Spiel (32 Ballkontakte, Demme bei ähnlicher Spielzeit mehr als doppelt so viele), dafür immerhin mit 4 Torschussvorlagen und guten Pass- (86%!) und Zweikampfwerten (55%). Spielt nicht mehr so körperlos wie zuletzt, auch wenn seine diesbezüglichen Nachteile noch immer offensichtlich sind.
Boyd: Spiel unter umgedrehten Vorzeichen für den Amerikaner. Während Frahn keinen Druck aufs gegnerische Tor aufbauen konnte (0 Torschüsse), schoss bzw. köpfte Boyd in den verbleibenden 60 Minuten ganze fünf Mal auf den Kasten und erzielte den Treffer zum 3:1 Endstand. Auch in der Anzahl der Ballkontakte (31/18), Zweikampfquote (53%/33%) und sogar der Passquote (79%/73%) eine Zyklopenlänge vor dem (noch?) Capitano. Jetzt fehlt Boyd nur noch die Luft für 90 Minuten und er hätte gute Chancen, den Platz neben Poulsen einzunehmen.
Fandrich: Nach der Zornigerschelte der erste Einsatz - und Fandrich lieferte eine gute Leistung ab. In der 77. für Demme eingewechselt, kam er auf immerhin 58 Ballkontakte, 3 Torschüsse sowie 3 Torschussvorlagen. Dazu legte er für den gefoulten Teigl auf (Elfmeter). Ein belebendes Element in der Offensive und mit 74% Passquote sowie 40% Zweikampfquote solide Werte. Gerade bei letzterem aber noch mit Luft nach oben.
Rumpelstilzchen
Datenquelle: kicker.de, bundesliga.de
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