DIE SPIELER IN DER EINZELKRITIK – 1. FC NÜRNBERG

Leipzig - (06.04.2015) Ein Spiel mit zwei extrem unterschiedlichen Halbzeiten. Kampfgeist zeigten die Rasenballer erst nach dem Seitenwechsel und hatten dabei Glück, dass die Begegnung bis dahin nicht schon entschieden war. Die Spieler in der Einzelkritik.


Wie im Vorbericht angedeutet, wird die Mannschaft mit dem stärkeren Willen das vermeintliche Spiel um die goldene Ananas gewinnen. Im ersten Durchgang war Nürnberg ganz klar das Team, was mehr wollte und die Rasenballer tief in die eigene Hälfte drückte. Selten wurde den Rot-Weißen in dieser Spielzeit daheim derartig der Schneid abgekauft, spielte Nürnberg Gegenpressing und Umschaltspiel vom Feinsten. Allein, die Franken zeigten auch ihre große Schwäche: die Effizienz. Die Großchancen die sie in der ersten Halbzeit liegen ließen, hätten durchaus zur Entscheidung dieses Spiels genügt. Aber nach extrem starken 40 Minuten und der quasi folgerichtigen Führung, zogen sich die Gäste zurück und ließen RB Leipzig durchschnaufen, ein folgenschwerer Fehler, der vielleicht auch der unglaublichen Intensität (insgesamt gab es im Spiel über 150 Zweikämpfe) dieser Startphase geschuldet war.
Was auch immer der Grund war, dieser Rückzug, Beierlorzers Umstellungen und der Halbzeitappell an die Spieler zeigten Wirkung und Dank eines sehenswert herausgespielten Ausgleichs, wachte endlich auch das Publikum aus dem fußballinduzierten Tiefschlaf auf. Die zweite Hälfte konnte in der Folge recht ausgeglichen gestaltet werden und Kaiser sorgte in bester Drittligamanier mittels Fernschuss für den entscheidenden Treffer. Beide Tore waren dabei durchaus haltbar, was dem verletzungsbedingten Tausch von Schäfer auf Rakovsky für die FCN-Fans einen bitteren Beigeschmack verliehen haben dürfte.
Dieses hart erarbeitete, aber letztlich glückliche Ende, darf nicht über Probleme hinwegtäuschen. Zum ersten Mal in dieser Saison gelang es einem gegnerischen Team in Leipzig mehr Torschüsse abzugeben als den Hausherren, eine Entwicklung, die gemessen an den letzten Spielen quasi folgerichtig war. Eine Abwehr, die im ersten Durchgang größtenteils neben sich stand und in der mit Rodnei und Klostermann zwei Spieler aufgeboten wurden, die mit dem guten gegnerischen Pressing eher suboptimal zurechtkamen und dies, obwohl mit Sebastian und Compper zwei deutlich solidere Spieler zur Verfügung standen. Auch deswegen gab es zu viele Abspielfehler und das Nürnberger Zentrum blieb quasi undurchdringbar. Die daher nötig werdenden Umstellungen schlugen ein, Beierlorzer hätte jedoch von Beginn an kompakter aufstellen können (auch Hierländer schien nicht bei 100%). Die Anzahl der Verschiebungen innerhalb des Spiels, die Beierlorzer dabei in Kauf nehmen musste, waren wohl lange nicht mehr in dieser Form bei RB Leipzig zu sehen. Bis auf Coltorti und mit Abstrichen vielleicht Reyna und Kimmich konnte jedoch kein Spieler über 90 Minuten vollends überzeugen.
Trotzdem war es schön zu sehen, dass das Team mit dem Willen zu Siegen aus der Kabine kam und sich den Rasen wieder zurück erkämpfte. Eine mannschaftlich geschlossene Leistung, auf die man nach dem ersten Durchgang kaum noch zu hoffen gewagt hätte. Darauf kann aufgebaut werden, wenn man die beiden folgenden schweren Auswärtsspiele im Blick hat, allerdings muss man sich gewaltig steigern und endlich die Startphase nicht verschlafen, will man auch mal wieder in der Fremde gewinnen .
Coltorti: Ist es ein Fels? Ist es eine Wand? Nein, es ist Coltorti! Unglaublich was der Schweizer wieder rausfischte. Weiter in bestechender Form und einer der Hauptgründe, warum es bisher nicht noch mehr Gegentore hagelte, dazu auch im Herauslaufen stark und mit guter Strafraumkontrolle. In der Spieleröffnung (35,7% Passquote) aber weiterhin ausbaufähig, wobei das Ankommen weiter Abschläge auch zu einem Gutteil an den Empfängern hängt. Darf in dieser Form gerne noch eine Saison dranhängen.
Klostermann: Beim U19-Nationalspieler gab es Licht und Schatten. Bis zur Halbzeitpause war die Abstimmung mit Teigl ausbaufähig, kam Klostermann nur auf 50% Passquote (aber immerhin 60% Zweikampfquote) und hatte starke Probleme im Spielaufbau (kaum angekommene Offensivpässe). Das Nürnberger Pressing auf die Innenverteidiger war extrem effektiv und behinderte fast vollkommen einen geordneten Spielaufbau. Nach der Einwechslung von Sebastian wechselte er auf die rechte Abwehrseite und leitete im Verbund mit Teigl ein paar gute Angriffe ein. Herausragend sein Anteil am frühen Ausgleich. Erst der Ballgewinn, dann mit zwei Ballkontakten hervorragend durchkombiniert und mit der perfekten Vorlage für Reyna. Trotzdem blieb auch hier Luft nach oben, starke 21 Zweikämpfe, aber nur knapp 43% Quote (30% in der eigenen Hälfte), dazu für einen Außenverteidiger eher wenige Sprints (10 in Halbzeit 2, vgl. Teigl mit 34 in 90 Minuten).
Rodnei: In der ersten Halbzeit war Rodnei einer der größten Unruheherde in der eigenen Abwehrkette, ein folgenschwerer Fehlpass, Zweikampf vor dem 0:1 verloren, nur 54% Zweikampfquote und einige Stellungsfehler. Das nicht er, sondern Jung gehen musste, lag wohl an der besseren Passquote sowie der Kopfballstärke Rodneis. Mit Sebastian und Compper an seiner Seite wurde auch Rodnei stärker, gewann vor allem in Tornähe fast alle Zweikämpfe, hatte jedoch in der zweiten Halbzeit eine ähnliche Passquote wie Jung in der ersten. Rodnei fehlt es weiterhin an der Stabilität, die Abwehrreihe zu führen, seine Grätschen gehören sicher zu den besten im Team, aber insgesamt macht er pro Spiel zu viele schwere Fehler.
Jung: Beierlorzer reagierte auf die Schwächen der Abwehrkette noch vor der Pause und nahm Jung vom Feld. Der linke Verteidiger hatte 10 der 22 Fehlpässe der Abwehrreihe zu verantworten (47,4% Passquote sind in der Defensive katastrophal) und konnte die Bälle dazu meist nicht entscheidend klären. Dafür war er im 1:1 recht stabil und gewann alle Zweikämpfe im Abwehrdrittel, nur vier von 14 Zweikämpfen gingen an den Gegner (jeweils um die Mittellinie – 71,4%, nur Sebastian hatte später eine bessere Quote). Insofern kann man durchaus diskutieren, ob seine Auswechslung wirklich nötig war, zumal das Gros der gefährlichen Nürnberger Angriffe eher über Rodnei bzw. über die rechte Außenbahn lief. Die quasi Alternativlosigkeit Jungs bleibt jedoch ein Problem des aktuellen Kaders.
Teigl: Auch Teigl wurde innerhalb des Spiels verschoben. Sein Start auf der rechten Abwehrseite durchaus solide, allerdings darf seine gute Zweikampfquote (68,4%) nicht darüber hinwegtäuschen, dass es einige Stellungsfehler gab, bzw. RB Leipzig auf der rechten Außenbahn teils von zwei Nürnberger überrannt wurde. Wenn er in den Zweikampf kam, so verlor er im Abwehrdrittel kaum ein Duell (1 von 7) und war auch relativ passsicher (81,8% Passquote), allerdings kam er auch nur selten an den Ball (11 Pässe im ersten Durchgang). Nach der Halbzeit sollte Teigl dann, von defensiven Aufgaben entbunden, offensiv für mehr Gefahr sorgen. Mit Klostermann durchaus ein zukunftsfähiges Duo, war er an der Entstehung des 2:1 beteiligt (abgewehrte Flanke) und hatte auch sonst ein paar gute Ansätze, gegen die solide Nürnberger Verteidigung um Altmeister Pinola (satte 82% Zweikampfquote) aber auch einige Probleme (33,3% Pass- 38,5% Zweikampfquote).
Kimmich: Versuchte sich im ersten Durchgang neben Coltorti noch am ehesten gegen die Nürnberger Übermacht zu stemmen. Führte extrem viele Zweikämpfe (23 in der ersten und 18 in der zweiten Hälfte) und gewann über 50%. Dazu passsicherster Spieler im RBL-Dress – 80,7% Quote, wenn auch ein spektakulärer Fehlpass darunter war, gepaart mit großer Sprint- (30) und Lauffreudigkeit (12,8 km). Neben Klostermann auch mit einem großen Anteil am Ausgleich mittels spektakulärem Hackentrick. Wird uns in dieser Form in der nächsten Saison fehlen und schwer zu ersetzen sein, auch wenn gerade im Bereich der Offensive noch einiges unausgeschöpftes Potenzial bleibt – siehe direkte Torschussbeteiligungen (0) und erfolgreiche Pässe im/ins Offensivdrittel (ca. 5).
Kaiser: Mit deutlich weniger Spielanteilen als Kimmich, aber wie üblich mit mehr Drang nach vorn und letztlich mit dem entscheidenden Treffer zum 2:1. Sein Hammer aus gut 30 Metern in bester Drittligamanier aber wohl nicht unhaltbar. In der zweiten Hälfte steigerte sich auch Kaiser, so dass er insgesamt auf 50% Zweikampfquote kam, in für ihn recht guten 32 Duellen. Produzierte kaum gefährliche Ballverluste (keine Fehlpässe im Abwehrdrittel nur drei verlorene Duelle vor dem Strafraum), mit 70,5% Passquote solide, aber nicht auf dem Niveau Kimmichs. Matchwinner Dank seines Tores zum 2:1, abseits davon aber weiter ausbaufähig.
Hierländer: Konnte nach seiner Verletzungspause nicht an die guten Leistungen (Düsseldorf) anknüpfen. Nur sieben Pässe und 38,5% Zweikampfquote (auch in der eigenen Hälfte negativ) machten ihn zum schlechtesten Leipziger Mittelfeldspieler, seine Auswechslung daher verständlich. Einer der Gründe, warum es auf der rechten Außenbahn zu einigen Durchbrüchen kam. Aber auch der offensivere Teigl hatte später gegen Pinola und Co Probleme.
Forsberg: Forsberg wartet weiter auf den Durchbruch, bisher fehlt einiges bei dem jungen Schweden, um eine tragende Säule der RBL-Offensive zu werden. In der ersten Halbzeit nur leicht besser als Hierländer (mehr Zweikämpfe und Pässe), aber nur ein gewonnenes Duell in der Nürnberger Hälfte und kaum erfolgreiche Offensivpässe (2), in der zweiten Halbzeit immerhin mit zwei Torschüssen und mehr gewonnenen Zweikämpfen in der Offensive (5/4) sowie passsicherer als Teigl, der jetzt die andere Außenbahn beackerte. Sicher nicht sein bestes Spiel für unsere Leipziger, braucht wohl ein Tor, damit der Knoten endlich platzt.
Poulsen: In der ersten Hälfte viel zu passiv und kaum eine Hilfe für die schwächelnden Rasenballer. Selbst Reyna mit mehr defensiven Laufwegen, Pässen und Zweikämpfen. Schien wie einige andere zu diesem Zeitpunkt eher kein Freund von Ananas zu sein und mit seinen Gedanken schon im Urlaub. Steigerte sich dann in der zweiten Hälfte, als ein Ruck durchs Team ging. Insgesamt aber unter seinen Möglichkeiten und ohne Torschuss bleibt Poulsen jedoch weiter in der Krise. Zumindest der Einsatz stimmte jedoch am Ende wieder (33 Sprints, 32 Zweikämpfe – 34,4% Quote). Hatte zudem Pech, dass er - mal wieder - keinen Elfer zugesprochen bekam.
Reyna: Kurzum: Nutzte die Chance, die sich durch den Ausfall Damaris ergab. Das ein Stürmer mehr Sprints, Zweikämpfe und Torschussbeteiligungen hinlegt als Poulsen, gab es trotz zuletzt ausbaufähiger Leistungen des Dänen selten bis nie. Reyna war sich für keinen Weg zu Schade und spulte wie Poulsen fast 11 km runter. In der Offensive der Dreh- und Angelpunkt – mit einem Tor und 4 Torschussbeteiligungen an über 50% der RBL-Torschüsse beteiligt. Trotz der geringsten Einsatzzeiten der Neuzugänge also nun der erste Sturmneuzugang, der auch treffen konnte. Einer der wenigen, die quasi vollkommen zu überzeugen wussten.
Compper: Ersetzte noch vor der Pause Jung als Linksverteidiger, schein jedoch auf ungewohnter Position nach der Zwangspause noch nicht ganz auf dem bekannten Level. Er konnte die Passschwäche Jungs auch nicht komplett ad acta legen, leistete sich jedoch zumindest im Abwehrdrittel keine Fehlpässe mehr. Mit 57,1% Zweikampfquote solide, aber gerade im Abwehrdrittel mit einigen Schnitzern. Ein Baustein der besseren Defensivleistung in Halbzeit 2, jedoch bei weitem nicht in der Form, wie es die Rückkehr Sebastians in diesem Sinne war.
Sebastian: Mit einem Satz: Der Abwehrchef ist zurück! An der Einleitung des 1:1 beteiligt und nur ein verlorener Zweikampf. An der Passicherheit kann Sebastian noch arbeiten, seine Einwechslung läutete jedoch eine deutlich stärkere und stabilere zweite Hälfte ein (nur noch ein gegnerischer Torschuss direkt auf den Kasten (Lattentreffer)). Sollte erneut gesetzt sein.
Ernst: Das Comeback des Spiels. Nach über einem Jahr ist Ernst endlich wieder zurück auf dem Feld. Auch wenn er in den letzten 7 Minuten kaum in Erscheinung trat (kein Pass, 2 verlorene Zweikämpfe), so freut es einen doch, dass der sympathische Hannoveraner nach so einer langen Zeit endlich zurück ist.
Fazit: Unterirdische erste Halbzeit, die einen zweifeln ließ, ob die Mannschaft die nächsten Spiele überhaupt noch mit dem nötigen Ernst annehmen würde. Beierlorzer bügelte dann die Einstellungsprobleme aus und stellte sinnvoll um. Nürnberg kam danach kaum noch zu aussichtsreichen Abschlüssen, blieb aber immer noch gefährlich, die Leipziger holten das Maximum aus ihren Torschüssen und sorgten so dafür, dass der FCN weiter das Team mit den größten Effizienzproblemen bleibt. Das RB Leipzig erstmals auch im eigenen Stadion weniger Torschüsse als der Gegner abgab (übrigens auch in Halbzeit 2), sollte jedoch stark zu denken geben. Die kommenden schweren Aufgaben können jedenfalls nur gelöst werden, wenn die Rasenballer über 90 Minuten volle Pulle Leistung zeigen. Das gilt für die spielstarken Bochumer unter Neucoach Verbeek und im noch stärkeren Maße für die derzeit unglaublich stabilen Spitzenteams aus Kaiserslautern und Darmstadt.
Rumpelstilzchen
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