EX-NACHWUCHSCOACH HÄRTEL VOR AUFSTIEG IN DIE 3. LIGA

Leipzig - (14.04.2015) Jens Härtel sorgte mit dem Berliner AK in der Regionalliga für Aufstehen, führte anschließend die U19 von RB Leipzig in die Bundesliga und steht nun mit dem 1. FC Magdeburg vor dem Aufstieg in die 3. Liga. Wir sprachen mit dem Coach über seine Zeit in Leipzig, das Verhältnis zu Ralf Rangnick und über die Gründe des Erfolgs in Magdeburg.


Alex muss nicht lange überlegen, um auf die Frage zu antworten, wie er als Fan den Trainer Jens Härtel beschreiben würde: "Was ihn aus meiner Sicht auszeichnet, ist eine sehr nüchterne, analytische Art und eine positive Fußball-Besessenheit gepaart mit seinem absoluten Fußball-Sachverstand. Der Mann weiß, was er tut, und er tut es ausgesprochen gut und akribisch."
Alex ist langjähriger Fußballfan des Viertligisten 1. FC Magdeburg und hat mit seinem Verein schon zahlreiche Höhen und in der Vergangenheit noch mehr Tiefen durchlebt. Drüben in seinem Blog "Nur der FCM" berichtet er - sofern es die Zeit zulässt - regelmäßig und emotional über das Geschehen seines Vereins. Überaus zufrieden und zuversichtlich wirkt er, wenn er über die aktuelle Saison seines Vereins berichten soll: "Die Stimmung ist sehr, sehr gut und die Euphorie in Magdeburg natürlich groß. Aufbruchsstimmung herrscht eigentlich schon seit der Saison 2012/2013, aber jetzt ist der Aufstieg wirklich realistisch und das beflügelt Ich denke, dass innerhalb der Fanszene kaum Zweifel bestehen, dass wir es mit diesem Trainer packen können - und zwar diese Saison!"
Es scheint, als ob Jens Härtel den schlafenden Riesen aus Sachsen-Anhalt endlich zum erwünschten Erfolg führen kann, den Aufstieg in die 3. Liga. Der mittlerweile 45-jährige assistierte vor seiner Zeit in Magdeburg als Co-Trainer jahrelang Dietmar Demuth, ehe er als Coach des Berliner AK in der Regionalliga eigene Erfahrung sammeln konnte. Schnell sprach sich die gute Leistung des gebürtigen Sachsen auch bis nach Leipzig rum und Ralf Rangnick verpflichtete Härtel 2013 als Nachwuchscoach für die eigene U19. Für beide Seiten ein lukrativer Deal: Härtel konnte sich in einem der besten sächsischen Nachwuchsleistungszentren beweisen und die U19 bekam einen jungen Trainer mit klarer Vision und moderner Spielweise. Der anvisierte Aufstieg von der Regionalliga in die Bundesliga gelang auf Anhieb.
Doch nach nur einem Jahr verließ Härtel die Messestadt aufgrund von Disharmonien wieder und heuerte beim 1. FC Magdeburg an. Als Ex-RBler zu einem Traditionsverein? In Magdeburg kein Problem gewesen, wie Alex erzählt: "Ich denke, dass Jens Härtel trotz seiner RB-Vergangenheit seinerzeit recht gut aufgenommen wurde, weil er damals schon einen ausgesprochen guten Ruf genossen hat. Mit dem BAK hatte er ja schon für einige Furore gesorgt (auch gegen uns...) und als klar war, dass es mit Andreas Petersen nicht weitergehen würde, war Jens Härtel schon einer der Namen, die (was die Fanszene betrifft) auf der Wunsch- bzw. Spekulationsliste eher weiter oben standen – insofern wurde die Verpflichtung schon positiv aufgenommen. Hinzu kam, dass unser Präsidiumsmitglied Sport (und im sportlichen Bereich damit der ‚starke Mann’), Mario Kallnik, Jens Härtel als absoluten Wunschkandidaten präsentierte und gleich sehr klar machte, dass er in Zukunft eher Spieler austauschen würde als diesen Trainer. Von daher hatte er von Anfang an eigentlich auch im Verein ein sehr gutes Standing".
Aktuell führt der 1. FC Magdeburg die Tabelle in der Regionalliga vor dem FSV Zwickau an und spielt bislang eine äußerst überzeugende Saison. Härtel lässt "taktisch variabel aus einer stabilen Grundordnung herausspielen", philosophiert der FCM-Blogger über die Spielweise seiner Mannschaft. Die Bördestädter verfügen über die zweitbeste Abwehr und den besten Angriff der Liga. Das Team besteht aus der richtigen Mischung zwischen jungen und entwicklungsfähigen Spielern und erfahrenen Kickern, die dem Team Stabilität verleihen. Ob Härtel einer für die höheren Ligen ist? "Ja, definitiv. Die Trainer-Qualität hatten wir so in der Form in Magdeburg noch nicht (Stichwort ‚moderner Fußball’) – ohne unseren großen vergangenen Trainern zu nahe treten zu wollen. Was ihn aus meiner Sicht vor allem für höherklassige Trainer-Engagements (am besten mit dem FCM ;-) ) qualifiziert, ist die schon angesprochene taktische Variantenvielfalt und seine Akribie. Verbesserungspotential sehe ich tatsächlich wenn, dann eigentlich nur in der Außendarstellung, wobei er mit Sicherheit kein Christian Streich mehr wird ;-). Härtel mag halt die Show und das Rampenlicht nicht allzu gern und macht eben nicht so viele Worte, aber das, was er sagt, hat Hand und Fuß. Mittlerweile schafft er es aber immerhin schon, bei Interviews auch mal in die Kamera zu schauen. Und ab und an rutscht ihm sogar mal ein Lächeln raus!".
Wir sprachen mit dem aktuellen Coach des 1. FC Magdeburg vor dem Pokalspiel gegen den Halleschen FC über seine Zeit in Leipzig, das Verhältnis zu Ralf Rangnick und über die Gründe des Erfolgs in Magdeburg.
RB-Fans.de: Nach der Absage von Thomas Tuchel wird in Leipzig gerade ein junger, erfolgshungriger Trainer mit offensiver Spielweise gesucht. Können wir Sie in den engeren Kandidatenkreis aufnehmen?
Jens Härtel: Nein, sicherlich nicht. Der Fokus wird bei RB Leipzig auf einen anderen Trainer gerichtet sein. Jemand, der bereits in der ersten oder zweiten Liga trainiert hat und keinen aus der 4. Liga. Außerdem habe ich einen Vertrag in Magdeburg und fühle mich hier sehr wohl.
Sie kamen 2014 vom Berliner AK zu RB Leipzig und übernahmen die U19. Welche Gründe sprachen für einen Wechsel nach Leipzig?
Ich hatte bis dato nur im Männerbereich trainiert. Für mich war es daher reizvoll, in einem gutgeführten Nachwuchsleistungszentrum mit vielen jungen Talenten zu arbeiten.
Gleich in Ihrer ersten Saison haben Sie mit der U19 den Aufstieg in die Bundesliga geschafft. Wie würden Sie die Arbeit als Nachwuchscoach bei RB Leipzig beschreiben? Konnten Sie sich frei entfalten oder waren Sie Zwängen unterlegen?
Das eine Jahr in Leipzig war sehr erfolgreich und hat dann auch Spaß gemacht. Die Trainer haben immer die neuesten Informationen zum aktuellen Fußball erhalten, viele Weiterbildungen unternommen und eine Menge Input bekommen. Für mich war es also sehr lehrreich.
Grundsätzlich muss natürlich die Ausrichtung des Trainers, die Grundphilosophie, auch zum Verein passen. Ich hatte also durchaus meinen gewissen Handlungsspielraum. Aber der Erfolg musste da sein, dementsprechend war auch der Druck groß. Ziel war, unbedingt in die Bundesliga aufzusteigen und nicht zwingend Spieler zu entwickeln, obwohl dies dann aber auch der Fall war. Der Aufstieg hatte Priorität. Das überträgt sich auch auf die Spielweise.
Nach nur einem Jahr bei RB Leipzig haben Sie den Vertrag aufgelöst und das Angebot vom 1. FC Magdeburg angenommen. Damals sagten Sie: Wenn nicht beide Seiten zu hundert Prozent zufrieden sind, sollte man sich trennen.“ Welche Gründe sprachen gegen eine Weiterbeschäftigung bei RB?
Ich habe in Gesprächen gemerkt, dass kein totales Vertrauen vorhanden war. Es herrschte zwar kein Misstrauen, aber eine Stimmung, die nicht zu 100 Prozent dem entsprach, wie ich mir das vorstelle. In Leipzig wird man als Nachwuchscoach auch nicht unbedingt alt, weswegen die Aufgabe in Magdeburg sehr reizvoll war, um sich neu zu orientieren.
Wie lief die Zusammenarbeit mit Ralf Rangnick während der Saison?
Aufgrund seiner Doppelfunktion in Salzburg und Leipzig hatte ich nicht sehr viel mit ihm zu tun. Er war ab und zu mal in die Kabine und hat einem über die Schulter geschaut, was natürlich nicht immer angenehm ist. Aber das muss man aushalten. Es zeugt ja auch von Interesse, wenn sich der Sportdirektor die tägliche Arbeit im Nachwuchs anschaut.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Entwicklung in Leipzig? Wie haben Sie die Entlassung von Alexander Zorniger aufgenommen?
Ich schaue immer mit einem Auge nach Leipzig und war ehrlich gesagt nicht sehr überrascht. Die Erwartungshaltung in Leipzig ist groß, genauso wie der Druck von Mateschitz auf Rangnick – das ist für alle nicht so einfach. Zorniger hatte sehr erfolgreiche Jahre in Leipzig mit einer klaren Hierarchie und einer guten Chemie innerhalb der Mannschaft. Nach dem Aufstieg muss ein Trainer natürlich immer schauen, für welchen Spieler die Qualität auch in der neuen Liga reicht. Und wenn man so lange bei RB arbeitet wie Zorniger, entwickeln sich über den Zeitraum natürlich auch Beziehungen zu den Spielern, die man nicht so einfach kaputt machen will. Wem traut man etwas zu? Wann fällt man eine Entscheidung gegen einen Spieler, obwohl der die letzten Jahre immer seine Leistung auf den Platz brachte?
Der eine oder andere Spieler schafft aktuell den Schritt in dieser Liga nicht, deshalb wird der Kader nach und nach verändert und umstrukturiert. Ein weiteres Jahr in der 2. Liga finde ich daher gar nicht so schlecht, RB legt nur eine Pause auf hohem Niveau ein.
Wie wurden Sie in Magdeburg von den Fans aufgenommen? Nicht jeder wird freundlich empfangen, wenn er von RB Leipzig kommt…
Zunächst natürlich skeptisch, wie das bei so einem Verein nun mal ist. Der 1. FCM war in der letzten Saison durchaus erfolgreich - und dann kommt ein neuer Trainer mit anderen Konzepten. Da hat es natürlich gedauert, bis bestimmte Maßnahmen greifen. Letztlich wird die Arbeit des Trainers aber nach dem Erfolg bewertet. Und wir sind aktuell gut dabei, auch wenn noch nichts erreicht wurde.
Sie führen mit dem 1. FC Magdeburg die Tabelle der Regionalliga Nordost an und spielen eine starke Saison. Wie habenSie es geschafft, aus dem schlafenden Riesen endlich ein Aufstiegsteam zu formen?
So ganz stimmt das nicht. Das Team war im letzten Jahr schon stark, allerdings hat es zum Ende hin nicht gereicht, weil Neustrelitz in der Spielzeit einfach überragend war.
Insgesamt gesehen hat sich die Mannschaft das dritte Jahr in Folge kontinuierlich weiterentwickelt und ist gewachsen. Ich mache in Magdeburg nur meinen Job. Außerdem lebt die gesamte Stadt für den Verein, weil es hier eben nur Blau-Weißgibt. Sobald der Erfolg da ist, sind alle im Stadion. Magdeburg ist eine sehr fußballaffine Stadt.
Welche Erfahrungen aus Leipzig halfen Ihnen beim 1. FC Magdeburg?
Der Umgang mit Druck und Ziele klar zu benennen. Auch wir wollen in Magdeburg aufsteigen, das haben wir zu Saisonbeginn kommuniziert. Jedoch standen wir nach elf Spieltagen mit elf Punkten unten in der Tabelle und da flog uns das Saisonziel natürlich um die Ohren. Statt um den Aufstieg spielen die jetzt gegen den Abstieg. Aber wir mussten damit umgehen können. Die Negativerfahrung hat die Jungs stärker gemacht.
Natürlich habe ich auch einzelne Elemente der Art und Weise Fußball zu spielen aus Leipzig mitgenommen, wobei alles auf das Spielerpersonal in Magdeburg abgestimmt werden musste.
Nach dem Transfer von Niemeyer, der aus der Leipziger U23 nach Magdeburg wechseln wird: Gibt es Spieler aus der RB-Jugend, die für Sie in der künftigen Kaderplanung eine Rolle spielen könnten? Tom Nattermann, Smail Prevljak oder Fabian Bredlow eventuell?
Es gibt viele Spieler, die bei uns spielen könnten. RB Leipzig macht eine hervorragende Nachwuchsarbeit und bildet Spieler mit einer guten Mentalität aus. Wir hatten bereits einige Anfragen gestellt, auch schon im Winter, die allerdings abschlägig behandelt wurde. Wir haben nicht die große Finanzkraft wie die Leipziger und müssen daher die Spieler auf andere Art und Weise von den Vorzügen des 1. FC Magdeburg überzeugen. Bei Niemeyer war es eine Rückholaktion, da er vor dem Wechsel nach Leipzig bereits die Nachwuchsteams in Magdeburg durchlaufen hatte. Er weiß, was ihn hier erwartet.
Abschlussfrage: Steigt der 1. FC Magdeburg in die 3. Liga auf?
Wir werden versuchen, alle unsere Ziele zu erreichen, auch wenn das schwer wird. Wir wollen nicht wie schon in der letzten Saison vier bis fünf Spieltage vor Saisonende aus dem Aufstiegskampf raus sein. Wenn Zwickau wie Neustrelitz letztes Jahr nun alle Spiele gewinnt, gratulieren wir ihnen natürlich. Aber wir müssen erst einmal unsere Spiele in der Liga gewinnen. Und dann haben wir noch die schwere Aufgabe im Halbfinale des Landespokals gegen den Halleschen FC.
Herr Härtel, vielen Dank für das Interview und viel Erfolg in den nächsten Partien!
Rojiblanco (mit Dank an den 1. FC Magdeburg und den FCM-Blogger)
Permalink:
https://www.rb-fans.de/artikel/20150413-special-jens-haertel.html