DER PLUS/MINUS WERT UND SEINE ANWENDBARKEIT AUF DIE AKTUELLE SAISON RBLS

Leipzig - (17.04.2015) Statistiken machen auch vor dem Fußball nicht halt. Beim FC Midtjylland kommen sie derzeit erfolgreich in der dänischen Liga zum Einsatz und aus den Bundesligaspieltagen sind sie nicht mehr wegzudenken. Heute im Fokus: Der Plus/Minus Wert.


Was ist der Plus/Minus Wert?
Die Plus/Minus Statistik ist ein Verfahren, welches schon längere Zeit im Eishockey und Basketball Anwendung findet und angibt, wie die Tordifferenz eines Teams für einen bestimmten Spieler während seiner Einsatzzeit ist. Daraus lässt sich grundsätzlich ableiten, ob ein Team während des Einsatzes von Spieler X mehr oder weniger Tore erzielt bzw. gefangen hat, als ohne ihn.
Natürlich gibt es einige Probleme und dieser Wert sollte nie für sich allein betrachtet werden. So eignet er sich besser für Sportarten mit einer höheren Torquote, weil dadurch singuläre Außeneinflüsse ausgeglichen werden, zudem sollte der Spieler über ein Mindestmaß an Einsatzzeit verfügen, weil sonst schon ein Spiel für größere Abweichungen sorgen kann.
Dazu lassen sich Beeinflussungen wie Verletzungs- und Formprobleme des Teams (Schwächephasen) nur bedingt einarbeiten.
Die Plus/Minus Statistik sollte also eher ergänzend zu anderen Statistiken herangezogen werden.
Der Plus/Minus-Wert eines Stammspielers, der keine Minute der Saison verpasst hat, entspräche somit immer dem Teamschnitt. Hier müssen dann weitere Statistiken als Korrektiv eingreifen. Da Einzelleistungen und Statistiken aber schon an anderen Stellen ausführlich behandelt wurden (rotebrauseblogger, RBLObserver, Einzelkritik hier, verfügbar bei sportdaten.bild und bundesliga.de), soll es im Folgenden besonders um die Plus/Minus Werte gehen.
Welche Saisonphasen wurden ausgewertet?
Es wurden insgesamt vier Phasen ausgewertet:
Die gesamte Saison inklusive Pokalspiele
Tordifferenz des Teams: +12 in 2850 Minuten: +/- Wert in 90 Min.: +0,39
Die gesamte Saison bis zur Winterpause
Tordifferenz des Teams: +13 in 1950 Minuten: +/- Wert in 90 Min.: +0,65
Die Zeit nach der Winterpause
Tordifferenz des Teams: -1 in 900 Minuten: +/- Wert in 90 Min.: -0,10
Beierlorzers Amtszeit ohne FSV Spiel und Wolfsburg (dazu siehe unten)
Tordifferenz des Teams: +4 in 630 Minuten: +/- Wert in 90 Min.: +0,57
Warum inklusive Pokalspiele? Gerade die ersten beiden Spiele gegen einen Bundesligaaufsteiger und gegen einen Zweitligakonkurrenten waren durchaus vergleichbar mit den Ligaaufgaben, Wolfsburg dann letztlich auch der Vollständigkeit halber.
Warum Beierlorzer ohne FSV und Wolfsburg? Zum einen weil Wolfsburg als Bundesligaspitzenteam nicht wie Paderborn und Aue vergleichbar mit dem Ligageschäft war und zum anderen, weil der Einfluss Beierlorzers in der halben Woche bis zum FSV Spiel nicht sonderlich hoch gewesen sein kann. Dazu steht mit dem Wert nach der Winterpause ein Vergleichswert zur Verfügung.
Besondere Probleme: Gerade als Team, in dessen Begegnungen derzeit die wenigsten Tore fallen (Stichwort: "begeisternder Fußball"), können schon einzelne Spiele für große Bewegungen im Durchschnittswert sorgen.
Hinrunde
Stammspieler (67% Einsatzzeit oder mehr): Erwartungsgemäß sollten hier die Abweichungen von Mannschaftswert (+0,62) am geringsten sein. Bis auf Compper ( -0,15 fehlte in der etwas stärkeren Anfangsphase) und Demme (-0,02) spielten sechs der acht Stammspieler (+/- Reihenfolge: Teigl, Sebastian, Poulsen, Kaiser, Jung, Khedira, Demme, Compper) der Hinrunde über dem Mannschaftsschnitt.
Gewinner |
Verlierer |
||
Teigl Sebastian Poulsen |
+0,20 +0,17 +0,12 |
Compper Demme Khedira |
-0,15 -0,02 +0,02 |
Spieler mit min 15% der Einsatzzeit: Die Unterschiede werden hier deutlich größer. Während sich die Stammspieler die verletzungsbedingt wechselten sehr nah am Mannschaftsschnitt orientieren (Hoheneder (-0,01), Coltorti (-0,02), Bellot (+0,02)), gibt es gerade im Wechselspielerbereich starke, meist negative Schwankungen. Man könnte also sagen, dass die Breite des Kaders nicht ausreichend war und kaum nennenswerte Impulse abseits des Stamms erfolgten, bzw Ausfälle nur schlecht kompensiert werden konnten. Insgesamt zehn Kicker sind dieser Kategorie zuzuordnen, die einzige nennenswert positive Ausnahme ist Fandrich, der mit +0,6 über dem Schnitt die größte positive Abweichung aller Spieler mit mehr als 300 Einsatzminuten aufweist. Ein Umstand der allerdings stark mit dem Spielverlauf der beiden DFB Pokalspiele zusammenhängt.
Gewinner |
Verlierer |
||||
Fandrich Boyd Kimmich |
380 Min. 412 Min. 1109 Min. |
+0,60 +0,06 +0,05 |
Hierländer Heidinger Morys |
357 Min. 778 Min. 703 Min. |
-0,88 -0,74 -0,49 |
Aussagekräftiger ist es daher, über die Verlierer in dieser Kategorie zu sprechen. Allen voran Heidinger und Morys, die deutlich unter dem Schnitt liegen und mit über 700 Einsatzminuten auch relativ oft gespielt haben. Das beide aufgrund ihrer Spielweise einen teils deutlichen Abfall im Vergleich zu ihren Konkurrenten darstellten (Jung/Teigl und Frahn/Boyd), war jedoch auch in den Begegnungen schon ersichtlich. Auch Hierländer wusste in der ersten Saisonhälfte nicht zu überzeugen. Der bisher noch nicht erwähnte Frahn bewegt sich knapp über dem Mannschaftsschnitt (+0,01).
Andere Spieler wie Palacios (+2,25, 97 Min.), Prevljak (-0,62, 21 Min.), Thomalla (+0,33, 98 Min.), Klostermann (+0,9, 122 Min.), Kalmár (-0,1, 179 Min.) und Rebić (-0,62, 173 Min.) erhielten zu wenig Einsatzzeit, so dass ihre Daten kaum aussagekräftig sind, was man anhand von Palacios Wert gut nachvollziehen kann.
Rückrunde
Auch in der Rückrunde, bleiben die Stammspieler (+/- Reihenfolge: Klostermann / Kimmich / Kaiser, Coltorti / Forsberg, Poulsen, Jung) nah am Mannschaftsschnitt (-0,1), während Jung und Poulsen etwas abfallen (-0,22 bzw. -0,14) waren Klostermann, Kaiser und Kimmich etwas effektiver (+0,1), die Stammspieler Coltorti und Forsberg bewegen sich auf dem Mannschaftsschnitt.
Ein etwas anderes Bild zeichnet sich bei den elf Spielern, die über 15% Einsatzzeit erhalten haben.
Gewinner |
Verlierer |
||||
Reyna Teigl Compper Rodnei |
323 Min. 539 Min. 272 Min. 540 Min. |
+0,66 +0,43 +0,43 +0,27 |
Khedira Kalmár Demme |
159 Min. 211 Min. 361 Min. |
-1,60 -1,18 -0,15 |
Nicht aufgeführt: Damari, Rebić, Hierländer und Sebastian, alle jeweils mit +0,1 über dem Schnitt.
Während Khedira unter seiner Verletzung und der schwachen Startform leidet und dies im begrenzten Umfang auch für Kalmár gilt (Einsätze zu Beginn des Jahres), zeigt Teigl weiterhin, dass er ein gewichtiger Faktor ist (vgl Hinrunde). Mit Reyna gibt es einen Neuzugang, der voll eingeschlagen ist und in der Rückrunde den bisher besten Wert aller Spieler mit über 15% Einsatzzeit einfahren konnte. Auch Compper erweist sich als stabilisierender Faktor, wenn es um die Defensive geht. Rodnei profitiert als Neuzugang auch davon, zu Beginn des Jahres nicht eingesetzt worden zu sein.
Aktuelle Entwicklungen unter Beierlorzer und Ausblick
Wiederum gibt es acht Stammspieler, von denen sich erneut zwei unterhalb des aktuellen Schnitts (+0,57) bewegen. Zum einen ist dies der schon häufiger kritisierte, jedoch quasi alternativlose Jung (-0,26), sowie Poulsen (-0,02), bei dem die Abweichung jedoch unerheblich ist. Bei Jung sieht man deutlich, dass es auf dieser Position dringenden Nachholbedarf gibt, auch weil Heidinger kaum Druck auf den Stamm ausüben kann (vgl Hinrunde). Andere bewegen sich auf dem Schnitt Coltori/Kaiser (voll durchgespielt), oder knapp darüber: Forsberg +0,01, Rodnei +0,03. Größere Abweichungen gibt es bei Kimmich +0,2 und Klostermann +0,1, deren Formkurve momentan sehr positiv ist.
Dazu gibt es unter Beierlorzer sechs Spieler im erweiterten Stamm (über 33% Einsatzzeit) und drei weitere mit über 20% Einsatzzeit. Von diesen neun Spielern weisen insgesamt vier eine negativen +/- Wert auf, die anderen fünf bewegen sich jedoch deutlich über dem Schnitt.
Gewinner |
Verlierer |
||||
Reyna Sebastian Rebić Compper Teigl |
234 Min. 314 Min. 168 Min. 182 Min. 405 Min. |
+0,58 +0,58 +0,50 +0,42 +0,32 |
Kalmár Hierländer Damari Demme |
121 Min. 265 Min. 353 Min. 295 Min. |
-2,06 -0,57 -0,32 -0,27 |
Dass Reyna als Sturmalternative einen positiven Einfluss auf das Leipziger Spiel hat, überrascht wenig, aktuell ist der Sturmfloh auf einem guten Weg, Damaris Ausfall vergessen zu machen. Giftig und vom Gegner schwer zu kontrollieren erweist er sich als fähiger Poulsenpartner.
Über die Probleme, die ein Ausfall Sebastians derzeit hervorruft, wurde schon genügend geschrieben, seine Konstanz ist nicht zu ersetzen (dies zeigt auch der sein zweiter Platz unter den Stammspielern im Gesamtranking +0,19). Rebić profitiert von der geringen Einsatzzeit und wird wohl kaum noch größere Chancen erhalten, schade um sein zweifellos vorhandenes Talent. Teigl ist die fleischgewordene Konstanz und der Spieler, der über die gesamte Saison gesehen, den größten Unterschied gemacht hat (+0,31 insgesamt), Compper harmoniert wie auch Hoheneder gut mit Sebastian, die Unterschiede zum Duo Rodnei/Klostermann sind durchaus sichtbar, sollte kurz- bis mittelfristig wieder in den Stamm zurückkehren.
Auf der negativen Seite ist es leider auch Beierlorzer bisher nicht gelungen, Kalmár einzubinden, seine Entwicklung im Schatten der Rebićdiskussion ähnlich enttäuschend. Hierländer konnte nach seinem kurzen Zwischenhoch nicht bestätigen, einen größeren positiven Einfluss zu haben (vgl Hinrunde). Demme wohl nicht zu Unrecht momentan hinten an in der Frage, wer im Zentrum spielen soll, die unglaubliche Drittligaform hat er bisher noch nicht wiedergefunden. Bleibt noch Pechvogel Damari, der angedeutet hatte, warum er einer der teuersten Transfers Rangnicks war, jetzt muss er erst mal an Reyna vorbei.
Fazit
Insgesamt bietet der Plus/Minus Wert recht viele Angriffspunkte. Die geringe Anzahl von Toren, viele Stammspieler (deren Wertigkeit kaum in dieser Form ablesbar ist), Schwächephasen und Umbrüche. Einige Spieler blieben trotz dieser Widrigkeiten über dem Schnitt. Allen voran sind hier Teigl und Sebastian zu nennen. Die Hinrunde hat gezeigt, dass es kaum gelungen ist Alternativen einzubinden bzw., dass diese trotz beachtlicher Investitionen rar gesät waren. Während der Schritt in die zweite Liga sich für einige als zu groß erwies: Heidinger, Morys und wohl auch Thomalla, ggf. wird dies auch für Hierländer gelten. Auch die Neuzugänge konnten nicht überzeugen: Rebić und Kalmár sind hier vor allem zu nennen. Andere hoffnungsvolle Spieler wurden von Verletzungen zurückgeworfen: Klostermann, Boyd und einige Stammspieler liefen ihrer Form hinterher (Kimmich, Kaiser) Sicher keine einfache Gemengelage für Zorniger, der jedoch nicht zuletzt auch daran scheiterte, alternative Spiel- und Aufstellungsideen zu entwickeln (siehe Teiglexperiment).
Beierlorzer hat nun momentan zwar auch mittlere Verletzungssorgen (allen voran die Ausfälle in der Abwehrreihe, was sicher auch zum Teil den Anstieg der gegnerischen Torchancen erklären mag), hat jedoch offensiv einiges mehr an möglichen "Unterschiedsspielern" zur Verfügung. Während Forsberg noch auf den ganz großen Durchbruch wartet, aber momentan auch einen großen Teil der Last schultern muss (meiste Rückrundenminuten nach Kaiser, lange Winterpause zuvor), haben Reyna und auch Damari schon angedeutet, dass sie eine große Belebung fürs Team sein können. Die momentan häufigen Systemwechsel sind in dieser Hinsicht wohl auch nötig, um den nächsten Anpassungsschritt an die Liga zu machen.
Hin- und Rückrundenwerte als PDF
Rumpelstilzchen
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