RANGNICKS LEIPZIGER TALENTE – EXPLODIERT, STAGNIERT, GESCHEITERT?

Leipzig - (18.06.2015) Die Devise von Ralf Rangnick beim Amtsantritt in Leipzig im Sommer 2012 lautete, Spieler zu verpflichten, die hier den ersten oder zweiten Profivertrag unterschreiben. Wer von diesen Talenten hat den Sprung in die erste Mannschaft geschafft, wer stagnierte und wer ist in Leipzig gescheitert? Die Entwicklung von Rangnicks Talenten im Überblick.


Seit Saisonbeginn 2012/13 liefen über ein Dutzend Spieler der Kategorie U21 für die erste Mannschaft von RB Leipzig auf. Als U21-Spieler zählen Spieler, die zum Saisonbeginn (01.07.) das 22. Lebensjahr noch nicht beendet haben. Für die Saison 2012/13 ist der Stichtag der 01.07.1991, für 2013/14 der 01.07.1992 und für die Saison 2014/15 der 01.07.1993, folgende Spieler fallen in dieses Raster:
Explodiert
Yussuf Poulsen (*1994, seit 2013 bei RBL), Ablöse: 1,3 Mio. Euro
Als „Dänen-Pfeil“ vorgestellt, zog Poulsen mit seiner Dynamik und Leidenschaft für viele „Ohhh“s bei den Testspielen am Cottaweg. Nach fünf torlosen Pflichtspielen zu Saisonbeginn ließ er aufkommende Kammlott-Vergleiche verstummen, indem er gegen Erfurt einen Doppelpack erzielte. Insgesamt erzielte Poulsen in seinem ersten Jahr in Deutschland zehn Tore und bereitete sieben Tore direkt vor. In Liga zwei ist er der Toptorschütze von RB Leipzig.
Joshua Kimmich (*1995, 2013–2015 bei RBL, jetzt FC Bayern München), Ablöse: 0,5 Mio. Euro, Ablöse erzielt 0,75 Mio Euro
Auch Kimmich war nur Nachwuchsexperten ein Begriff. Im Gegensatz zu Poulsen musste er bis Ende September auf seinen ersten Pflichtspieleinsatz warten, eine Schambeinentzündung hatte ihn zurückgeworfen. Seitdem ist er unverzichtbar als Schaltzentrale im Leipziger Mittelfeld. Im Sommer holte er mit der DFB-U19 den Europameistertitel und übersprang die U20, um direkt in die U21 aufzurutschen. Die Qualität von Kimmich blieb auch Bayern München nicht verborgen. Der Rekordmeister kaufte ihn für 8 Mio. Euro vom VfB Stuttgart. Knapp 10% des Betrages, 750.000 €, gingen an RB Leipzig. Eine Summe, auf die man gerne verzichtet hätte, wenn Kimmich geblieben wäre.
Mit positiver Entwicklung
Lukas Klostermann (*1996, seit 2014 bei RBL), Ablöse: 1,0 Mio. Euro
Als U18-Spieler sammelte er in Bochum schon Zweitligaerfahrung. Der Wechsel nach Leipzig verlief nicht ohne Nebengeräusche und in Leipzig angekommen, lief es für Klostermann alles andere als gut. Erst legte ihn eine Lebensmittelvergiftung lahm, dann erzielte er in seinem ersten Pflichtspiel für Leipzig ein Eigentor im Pokalspiel gegen Aue. Seit der Winterpause ist er fester Bestandteil der Viererkette, mal als Rechts- oder Innenverteidiger. Abgesehen von seinem Tor gegen Darmstadt oder seiner Vorlage gegen Nürnberg spielt er nie auffällig, aber fast immer fehlerfrei. Nun ist eine Halbserie noch nicht genug, um von einer Leistungsexplosion zu sprechen, doch wenn seine Entwicklung weiter anhält, ist der Weg dahin vorgezeichnet.
Rani Khedira (*1994, seit 2014 bei RBL), Ablöse: 0,5 Mio. Euro
Für eine halbe Million Euro und der Erfahrung von neun Erstligaspielen kam Khedira im Sommer vom VfB Stuttgart. Als einziger Neuzugang schaffte er von Beginn an den Sprung in die Stammelf. Wie Klostermann spielte er solide, aber speziell in der Offensive unauffällig. Beim Spiel gegen den FSV Frankfurt zog er sich einen Innenbandriss im Sprunggelenk zu, wodurch er nahezu die gesamte restliche Saison verpasste.
Stagniert
Patrick Strauß (*1996, seit 2014 bei RBL), eigene Jugend
Als U19-Spieler war er offizieller Bestandteil des Bundesligakaders und bekam regelmäßige Einsätze in Testspielen, wo er bspw. beim 2:2 gegen Udinese Calcio durchaus zu gefallen wusste und sogar einen Treffer erzielte. Zum Pflichtspieleinsatz hat es bis jetzt noch nicht gereicht, auch weil sich der Fokus in Richtung U19 verschob, mit der er als Aufsteiger Staffelsieger der Juniorenbundesliga Nord/Nordost wurde und erst im Halbfinale der deutschen Meisterschaft an der TSG Hoffenheim scheiterte. Bei der U19 gelangen ihm wettbewerbsübergreifend 12 Tore – eine starke Quote für einen zentralen Mittelfeldspieler.
Tom Nattermann (*1993, 2012–2013 bei RBL, jetzt Erzgebirge Aue), eigene Jugend
Tom Nattermann erhielt zur Saison 2012/13 einen Profivertrag. Nach guter Vorbereitung setzte ihn eine Schulterverletzung außer Gefecht. Abgesehen von zwei Regionalligaeinsätzen am Ende der Saison, als die Relegationsteilnahme schon feststand, erhielt er nur noch Einsätze in der zweiten Mannschaft. Dort war er aber unumstrittener Leistungsträger und stieg zweimal auf. In der Saison 2013/14 stieg er mit der zweiten Mannschaft auf, wurde Torschützenkönig in der Landesliga und vom Magazin „Fußball in Sachsen“ zum besten Spieler der Saison gekürt. Auch in der Oberliga blieb er treffsicher und holte erneut die Torjägerkanone und schoss mit seinen Toren den Liganeuling zum erneuten Aufstieg.
Auch wenn es für die erste Mannschaft nicht gereicht hat, Tom Nattermann besitzt das Potential für die Regionalliga oder darüber hinaus, daran glauben auch die Handlungsträger in Aue und verpflichteten den U23-Toptorjäger, nun kann er seine Qualitäten endlich auf gehobenem Niveau unter Beweis stellen. Die Zukunft wird zeigen, ob Rangnick und Zorniger bei der Einschätzung eines der größten Leipziger Talente der Vor-Rangnick Ära falsch oder richtig lagen.
(Vorerst) Gescheitert
Matthias Hamrol (*1993, 2012–2013 bei RBL, jetzt VfL Wolfsburg II), eigene Jugend
Matthias Hamrol rückte für den verletzten Benjamin Bellot in der Hinrunde 2012/13 auf die Ersatzbank. Zu Einsätzen in der ersten Mannschaft reichte es indes nicht. Auch von der Ersatzbank verschwand er schnell, weil im Oktober 2012 mit Eric Domaschke ein neuer, erfahrener Ersatztorwart verpflichtet wurde. Am Ende der Saison wechselte Hamrol zur zweiten Mannschaft des VfL Wolfsburg, wo er seitdem als Ersatztorwart agiert.
Christos Papadimitriou (*1994, 2013–01/2014 bei RBL, jetzt FC International Leipzig), Ablöse: 0,05 Mio. Euro
Papadimitriou wurde kurzerhand vom AEK Athen verpflichtet und mit einem risikolosen Einjahresvertrag ausgestattet. Sprachbarrieren und fehlendes taktisches Verständnis ließen den Transfer zum Flop werden. Lediglich ein Einsatz bei der 0:1-Niederlage gegen Elversberg stand zu Buche. In der Winterpause wurde er zum FC Liefering verliehen, konnte sich aber auch dort nicht durchsetzen. Papadimitriou ging zurück nach Leipzig und spielt nun für den FC International in der Landesliga.
Denis Thomalla (*1992, 2013–2014 bei RBL, jetzt SV Ried), ablösefrei
Thomalla kam mit der Empfehlung von 10 Toren und 7 Vorlagen aus Hoffenheims zweiter Mannschaft in die dritte Liga nach Leipzig, kam hier aber nicht über die Rolle des Ergänzungsspielers hinaus und traf nur zweimal ins Tor. Nach einer guten Sommervorbereitung stand er im ersten Saisonspiel überraschend in der Startelf gegen Aalen und steuerte beim 3:0-Sieg in München ein Tor bei. Dennoch wechselte er am Ende der Transferperiode nach Österreich und scheint dort an alte Qualitäten anknüpfen zu können. Für den SVR Ried brachte er es in 26 Spielen auf 14 Scorerpunkte und war unumstrittener Stammspieler. Dennoch ist eine Weiterbeschäftigung in Leipzig trotz Zweijahresvertrages unwahrscheinlich, seine Trikotnummer ist bereits an das nächste Talent (Gipson) vergeben.
Federico Palacios-Martinez (*1995, seit 01/2014 bei RBL, zwischenzeitlich an Rot-Weiß Erfurt ausgeliehen), Ablöse: 0,6 Mio. Euro
Federico Palacios-Martinez (kurz: FPM) kam im Winter aus Wolfsburgs U19 als Torschützenbester der A-Junioren-Bundesliga (29 Treffer in 14 Spielen) an die Pleiße, weil man ihn dort nicht sofort in die erste Mannschaft integrieren wollte. Ein richtiger Schritt, wie sich im Nachhinein herausstellte, denn in Leipzig konnte sich Palacios nicht durchsetzen und wurde nach einem Jahr mit sporadischen Einsätzen und ohne Torerfolg nach Erfurt verliehen. Auch in Thüringen kam er nicht über die Rolle des Ergänzungsspielers hinaus und wird über das Saisonende hinaus dort keine Zukunft haben. Wahrscheinlich wird eine erneute Leihe angestrebt, da einerseits RB Leipzig FPM nicht ablösefrei abgeben wird und andererseits kein Verein bereit ist eine Ablöse zu bezahlen. Laut Gerüchteküche wird sich Palacios nächste Saison über die eigene U23 anbieten müssen, zuerst erhält er jedoch als einziger ehemaliger Leihspieler erneut die Chance bei der ersten Mannschaft.
Ante Rebic (*1993, 2014–2015 bei RBL), Leihgebühr: 0,6 Mio. Euro
Das Kapitel Ante Rebic sollte das (bisher) größte Missverständnis der kurzen Vereinsgeschichte von RB Leipzig sein. Als kroatischer WM-Teilnehmer von AC Florenz ausgeliehen, sollte Rebic helfen die Qualität im Sturm zu erhöhen. Der Gedanke war ein Guter, denn technisch gehört er zu den Top3 des Kaders. Als problematisch sollte sich die Einstellung Rebics erweisen. Als positive Aktion bleibt lediglich das Kopfballtor gegen den FSV Frankfurt in Erinnerung, welches auf Grund eines Foulspiels nicht gegeben wurde.
Bereits beim Hinspiel gegen den FSV Frankfurt war Rebic im Fokus, denn 22 Minuten nach seiner Einwechslung nahm ihn Alexander Zorniger wegen mangelnder Defensivleistung wieder vom Feld. Beim Spiel gegen St. Pauli sollte er vier Minuten vor Abpfiff eingewechselt werden, stattdessen wechselte Zorniger positionsgetreu Stefan Hierländer für den verletzten Rani Khedira ein. Rebic blieb draußen. Das Verhältnis zwischen Zorniger und Rebic war zerrüttet.
Nach Zornigers Rücktritt bekam Rebic unter dem neuen Trainer Achim Beierlorzer neue Bewährungschancen, doch der Durchbruch des Kroaten ließ auf sich warten. Nach der Niederlage gegen Heidenheim hatte auch Beierlorzer das Vertrauen in Rebic verloren.
Auch die Boulevardpresse hatte in Rebic ihren Liebling gefunden: Ein dutzend Artikel wurden über Rebic geschrieben, angefangen bei der Begrüßung als WM-Treter bis hin zur Verabschiedung als mittelfingerreckenden Proll.
Thomas Dähne (*1994, 2014–2015 bei RBL), ablösefrei
Das Torhütertalent wechselte von Red Bull Salzburg nach Leipzig. Seinen Stammplatz beim FC Liefering übernahm zur neuen Saison Fabian Bredlow. In Leipzig kam Dähne nie über den Status des dritten Torhüters hinter Fabio Coltorti und Benjamin Bellot hinaus. Pflichtspiele absolvierte er nur in der Oberliga für die zweite Mannschaft. Zum Saisonende wird er den Verein verlassen.
Zsolt Kalmar (*1995, seit 2014 bei RBL) , Ablöse: 1,0 Mio. Euro
Der Ungar kam nach der U19-Europameisterschaft im eigenen Land verspätet in Leipzig an. Sprachprobleme und das Lernen des Zorniger-Systems erklärten die Anlaufschwierigkeiten in der Hinrunde. Trotz Trainerwechsel kam Kalmar auch in der Rückrunde nicht ins Rollen, weshalb man bei ihm von einem verlorenen Jahr in Leipzig sprechen muss. Kalmar besitzt alle Anlagen, um ein Großer zu werden. Ob er das nächste Saison nochmal in Leipzig beweisen kann oder ob er an einen anderen Verein verliehen wird, steht noch nicht fest.
Yordi Reyna (*1993, 01/2015–2015 bei RBL, jetzt Red Bull Salzburg), ohne Leihgebühr
Yordi Reyna wurde kurz vor Transferschluss im Winter vom Leihverein Grödig nach Leipzig verschoben, nachdem der Transfer von Nils Quaschner kurzfristig platzte. Während er in Grödig in der Hinrunde 11 Tore schoss und weitere sechs Treffer vorbereitete, traf er nur einmal für RB Leipzig – und zwar im Spiel gegen Nürnberg. Im Kader der neuen Saison wird Reyna keine Rolle spielen, weshalb der Wechsel nach Leipzig eher Rück- denn Fortschritt für den Spieler war.
Nicht berücksichtigt wurden die Spieler Massimo Bruno, Marcel Sabitzer, Smail Prevljak und Fabian Bredlow, die zwar offiziell zum Leipziger Kader gehören, aber allesamt Spielpraxis in Salzburg bzw. Liefering sammeln.
Alexander Siebeck (*1993, 2012– jetzt bei RBL II) und René Legien (*1992, 2012– jetzt bei RBL II), die zwar Pflichtspiele absolvierten, aber nie dauerhaft Bestandteil der ersten Mannschaft waren.
Roter Brauser
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