TERRENCE BOYD IM INTERVIEW

Leipzig - (22.09.2015) Seit seinem Wechsel von Wien nach Leipzig ist Terrence Boyd vom Pech verfolgt. Zwei schwere Verletzungen am Knie haben ihn monatelang außer Gefecht gesetzt. Mittlerweile arbeitet die "Wildsau" geduldig am Comeback. Wir haben mit ihm gesprochen.


RB-Fans.de: Nervt es dich,
immer nach deinem aktuellen Verletzungsstand gefragt zu werden?
Terrence Boyd: Ja, jedes Mal wenn die Frage kommt! (lacht) Aber es nervt eigentlich mehr, dass es seine Zeit braucht.
Acht Monate war ich komplett raus und durfte nur Fahrrad fahren. Mittlerweile
kommt es aber nicht mehr auf Wochen an. Ich bin jetzt in meiner Vorbereitung, was
die Fitness angeht, auf dem Stand, den die
Jungs im Sommer hatten. Es ist die schlimmste Phase, weil nur geackert und
gelaufen wird. Jetzt fühlt sich das Knie aber super an, das war vor ein paar
Wochen noch nicht so.
Trotzdem ist
aktuell die wichtigste Frage bei den Fans: Wann planst du dein Comeback?
Kurzfristig möchte ich in einem guten Monat wieder am Mannschaftstraining
teilnehmen und dann in der Rückrundenvorbereitung möchte ich wieder voll
angreifen. Aber ich werde da keine Ansprüche stellen, weil ich froh bin, gesund
zu sein. Ob ich dann bei den Amateuren in der Regionalliga kicke ist mir egal -
Hauptsache, ich kann wieder spielen und mein Knie hält das aus.
Zwei schwere
Verletzungen am Kreuzband innerhalb eines Jahres – wie viel Vertrauen hast du
noch in die Stabilität deiner Gelenke? Wie groß ist die Angst vor einer
erneuten Verletzung?
Mir ist schon klar geworden, dass ich aufpassen muss. Das Hauptproblem ist
allerdings nicht das Kreuzband, denn die obenliegenden Muskeln fangen das auf
und es gibt auch Spieler, die ohne Kreuzband spielen. Das eigentliche Hindernis
ist, dass der Außenmeniskus beeinträchtigt ist, gut ein Drittel davon ist bereits
raus. Gerade bei mir als schweren Spieler, bei dem sehr viel Druck auf den
Meniskus wirkt, ist das problematisch. Hätte mir Dr. Bönisch (Anmerk:
Knie-Spezialist Ulrich Bönisch) den Außenmeniskus nicht genäht sondern nur
ausgetauscht, wäre in zwei Jahren aufgrund der Abnutzungserscheinung vermutlich
Schluss mit Fußball gewesen.
Würde eine dritte
schwere Verletzung das Karriereende bedeuten? Hat diese Thematik schon eine
Rolle in deinem Kopf gespielt?
Ich warte solange, bis alles vernünftig verheilt ist. Ich bin ein Spieler,
der sich in jeden Zweikampf hineinwirft und da muss ich meinem Knie vertrauen
können. Klar weiß ich auch: Wenn ich noch einmal hängen bleibe, kann es schnell
vorbei sein. Aber davon gehe ich jetzt nicht aus, sondern stärke mein Knie und
arbeite auch künftig daran, dass es gesund bleibt.
Wie hat sich RB
Leipzig während der Verletzungszeit verhalten und wie war der Kontakt zur
US-Nationalmannschaft?
Der Verein hat sich super verhalten, obwohl hier so eine hohe
Leistungsdichte herrscht und die Konkurrenz enorm ist. Vom Zeugwart bis zum
Trainer stehen alle hinter mir. Sie schätzen mich als Spieler und Menschen und
das ist wichtig für mich. Sie geben mir die nötige Zeit, die ich brauche.
Alle paar Monate haben mich auch Jürgen Klinsmann und sein Co-Trainer Andreas
Herzog angerufen und sich nach dem aktuellen Stand erkundigt. Sie sind auch
froh, dass ich die letzte Phase des Aufbautrainings jetzt erreicht habe.
Du giltst im Team
von Beginn als Frohnatur und Spaßkanone. Hat dich das in der Verletzung
zurückgeworfen?
Minimal, ich bin nach wie vor ein Spaßvogel, würde ich sagen. Wobei die Hälfte
unserer Spieler ein bisschen verrückt ist (lacht). In einer normalen
Fußballtruppe hast du die älteren Spieler und die jüngeren Spieler, die in
bestimmten Situationen leise sein müssen. Das gibt es bei uns zum Glück nicht,
wir sind alle gleichgestellt und machen auch unsere Scherze in der Kabine. Selbst die älteren Spieler, die
Vernünftigeren, sind oftmals für jeden Spaß zu haben. Es ist grundsätzlich
wichtig, dass in der Kabine alle Themen angesprochen werden können.
Auf dem Platz bin ich natürlich ein ganz anderer und sehr aggressiver Typ, der alles für den Sieg der eigenen Mannschaft tut
Alexander Zorniger wurde vorgeworfen,
die Mannschaft habe sich in der ersten Zweitligasaison nicht mehr
weiterentwickelt. Wie hast du das halbe Jahr unter seiner Leitung erlebt?
Unter Zorniger hatte jeder seinen eigenen wöchentlichen Plan, woran er
arbeiten musste. Damit waren wir immer sehr gut vorbereitet und motiviert. Wir
hatten die Grundausrichtung mit totalem Gegenpressing und immer flach wieder
durchs Zentrum zu spielen.
Mit Ralf Rangnick ist nun der „Vater“
der aktuellen Spielphilosophie euer Trainer. Was hat sich im Training und am
Spielsystem geändert?
Früher war es so: Ballgewinn und sofort vertikal nach vorne in die Spitze.
Das wusste jeder Spieler und jeder Fan, der sich mit RB Leipzig beschäftigt
hat. Mittlerweile haben wir in der Offensive mehr Zeit, dass Spiel aufzubauen.
Wenn wir sehen, dass wir an dieser Stelle nicht durchkommen, wird nach hinten
gespielt oder eben auf die andere Seite verlagert. Wir gucken, wo sich die
Lücke auftut und schlagen zu. Also zum
einen Gegenpressing und wenn wir dann im Ballbesitz sind, lassen wir den Gegner
laufen. Das ist ein gutes Gleichgewicht.
Unser Team ist
solide in die neue Spielzeit gestartet – wie bewertest du den Saisonstart?
Der Start hätte besser, aber auch schlechter sein können. Die 2. Bundesliga
ist nun mal eine schwer zu spielende Liga, in der sich viele Gegner hinten
reinstellen und es auch auf den Kampf ankommt.
Wichtig ist für uns die mentale Einstellung, denn wir haben Top-Bedingungen und
die größte individuelle Stärke der Liga. Wenn jeder Spieler nach der Partie von
sich behaupten kann, er hat alles gegeben, dann steigen wir früher oder später
auch auf.
Lastet auf dem
Team derzeit ein höherer Erfolgsdruck, als noch in der letzten Saison?
Das kann man so nicht sagen. Wir haben unseren eigenen Druck, weil der
Konkurrenzkampf in der Mannschaft so groß ist. Jeder von uns hofft, am
Wochenende spielen zu dürfen und darunter müssen dann eben die Gegner “leiden“,
weil wir uns gegenseitig pushen und dadurch auch ein höheres Level erreichen. Außerdem
ist Erfolgsdruck sowieso kein gutes
Wort. Mein Vater hat Erfolgsdruck, ja. Der muss arbeiten gehen und die Familie
ernähren. Wir wissen, dass wir einen sehr privilegierten Job ausüben dürfen.
Mit Selke,
Quaschner und Poulsen hast du im Angriff große Konkurrenz - wie optimistisch
bist du, dass du ausreichend Einsatzzeiten – auch mit Blick auf die
US-Nationalmannschaft – erhältst?
Damit beschäftige ich mich gerade noch
nicht, weil ich nur auf mich schaue. Wie gesagt, ich bin froh, dass ich wieder
spielen kann. Wenn alles nach Plan läuft und ich einige Einsätze bekomme, wird
man ja sehen, ob ich meine Chance erhalte oder nicht. Wir sprechen hier von
Fußball, da geht es nun einmal ums Leistungsprinzip.
In einem Interview von 2014 sprachst
du davon, dass du Bedenken ob des Wechsels nach Leipzig hattest, weil ein
Schwarzer im Osten möglicherweise nicht willkommen geheißen wird. Haben sich
die Vorurteile bestätigt?
Ich bin jetzt über ein Jahr hier und muss sagen, dass Leipzig wirklich eine
tolle Stadt ist. Ich will da auch ganz ehrlich sein: Als ich zum ersten Mal
Leipzig hörte, hatte ich Zweifel. Erstens lag die Stadt im Osten und zweitens
war ich dort noch nie. Mir ist hier bisher
auch nichts passiert und von der Lebensqualität her ist Leipzig eine großartige
Stadt.
Anfang des Jahres
hast du klare Kante gegen „Legida“ gezeigt und warst selbst mit der auf der
Straße. Was hat dich dazu bewogen, dich
damals klar zu positionieren?
Mir ist das Thema wichtig, ich stehe klar zu meinem Standpunkt. Wenn du in
derselben Haut stecken würdest wie die Flüchtlinge und dir sagt jemand, wir
haben keine Lust auf dich, dann fehlt es mir an Verständnis. Deshalb habe ich
mich als Privatperson auch ganz klar
positioniert und bin dafür mait auf die Straße gegangen..
Zum Abschluss
noch ein paar kurze Fragen mit der Bitte um eine kurze Antwort.
• In Leipzig fehlt mir ... ein echtes Topteam beim Basketball oder
Football!
• Mein Lieblingsplatz in Leipzig ist ...
Ich pendle immer zwischen circa fünf Cafés. Also dort, wo immer die alten
Menschen sind (lacht).
• Wenn wir aufsteigen, dann ...
läuft‘s bei uns!
• Mein schönstes Erlebnis mit den RBL
Fans war … da gab es einige Momente. Das Aue-Spiel war besonders, der
Frahn-Abschied und natürlich das Tor von Fabio Coltorti gegen Darmstadt. Das
war echt unglaublich. Absoluter Ausnahmezustand. Ich habe
zu einem Kumpel gesagt: Ich habe noch nie Drogen genommen, aber jetzt weiß, wie
es sich anfühlt (lacht).
• Ich liebe Schildkröten, weil ...
Keine Ahnung, woher das kommt. Ich wollte ursprünglich einen Hund, war
aber zu faul zum Gassi gehen. Daher habe ich mir überlegt, welches Tier am
wenigsten Arbeit macht.
Interview durch
Rojiblanco
Permalink:
https://www.rb-fans.de/artikel/20150922-special-interview-boyd.html