SEITENWECHSEL – U23-SPIEL ALS BLICK IN DIE VERGANGENHEIT
Leipzig - (24.11.2015) Etwa zweieinhalb Jahre sind vergangen, seitdem RB Leipzig die Regionalliga verlassen und den Sprung in den Vollprofibereich geschafft hat. Seit dieser Saison kann man mit den Roten Bullen wieder Regionalliga erleben – in Markranstädt bei der U23.
Dank kurzfristiger Bekanntgabe, dass alle Dauerkartenbesitzer der ersten Mannschaft kostenlosen Zugang zum U23-Spiel gegen den BFC Dynamo erhalten, machte ich mich kurzentschlossen auf den Weg nach Markranstädt. Bereits bei der Anreise vor die Tore Leipzigs fiel auf, dass heute etwas die Sonntagsruhe stört, denn bereits bei der Anreise überholten mich zwei Dutzend Polizeiwagen. Ein Wiedersehen mit den Kollegen in blau-weiß gab es am Bahnhof, wo ein guter Teil der BFC-Fans in Shuttlebusse transferiert und zum Stadion gebracht wurde – 15 Minuten vor Anpfiff.
Diese Szenerie erinnerte mich an unsere Regionalliga-Auswärtsspiele mit der Ersten Mannschaft: Unvergessen ist die massive Zahl an Polizeikräften, als man mit dem Zug nach Halle oder Magdeburg reiste und vom dortigen Bahnhof ins Stadion gebracht wurde.
Im Stadion selbst stellte sich heraus, dass die zweite Mannschaft doch viele Komponenten aus der ersten Mannschaft aufweist: Mit Bellot, Sebastian, Gipson, Kalmár, Hierländer, Bruno und Quaschner standen sieben Spieler aus dem Kader der Ersten in der Startelf.
Und auch bei den Berlinern erklangen bekannte Namen, allen voran Ex-RBLer Thiago Rockenbach. Aber auch Björn Brunnemann (Union Berlin), Sascha Schünemann, Dennis Srbeny (beide Hansa Rostock) oder Patrick Brendel (beim VfB und Sachsen Leipzig in der Jugend ausgebildet) waren für Nordostfußballinteressierte Begriffe.
Sportlich trat der Unterschied zwischen Zweit- und Viertligaspieler kaum hervor. Lediglich einmal zeigten die Profis der ersten Mannschaft, warum ihnen Zweitligatauglichkeit unterstellt wird: Gipson setzt sich dank koordinativer Glanzleistung gleich gegen zwei Berliner durch, passt zu Quaschner, der wiederum einen präzisen Pass in den Strafraum startenden Kalmár spielt, der im zweiten Versuch das 1:0 erzielt. Zwei weitere Großchancen aus der Kategorie 100%er wurden durch Gipson und Quaschner vergeben. Und weil BFC-Trainer Thomas Stratos (bekannt als Trainer von Regensburg) ein glückliches Händchen bei den Wechseln hatte und Torwart Bellot mindestens beim zweiten Gegentreffer schlecht aussah, ging das Spiel letztendlich mit 1:2 verloren.
Mindestens genauso interessant, wie das sportliche Geschehen auf dem Platz, war aber das Drumherum am Spielfeldrand.
Der mit über 1000 Fans gut gefüllte Berliner Block leistete zwar keinen Dauersupport, sich dafür aber bei der Schweigeminute für die Opfer der Anschläge in Paris einen geistigen Aussetzer. Statt Schweigen machten nicht wenige mit "Merkel muss weg"-Sprechchören auf sich aufmerksam. Im Gegenzug gab es bei Bekanntgabe der Schweigeminute zu Beginn der zweiten Halbzeit für den vor 25 Jahren in Leipzig erschossenen Mike Polley auch vereinzelte Pfiffe aus dem RBL-Bereich.
Für Regionalligaverhältnisse war der BFC-Support ordentlich, im Gedächtnis wird die gefühlt fünf Minuten lange und lautstarke Uffta nach Abpfiff bleiben. Auf RB-Seite gab es zwar eine Trommel, aber keinen organisierten Support – was ich für die Begegnung einer zweiten Mannschaft auch nicht zum Standard erheben möchte.
Durch die Nähe zum Spielfeld fühlten sich einige Zuschauer eher verpflichtet die Handlungen der Akteure auf dem Feld zu kommentieren. So wurde der souverän pfeifende Schiedsrichter bei der ersten vermeintlichen Fehlentscheidung von einem Zuschauer erstmal fünf Minuten vollgekäst ohne dabei die Stasi-Vergangenheit des BFC unerwähnt zu lassen.
Außerdem wurden die aus Dresden bekannten und auch von BFC-Fans intonierten "Dy-dy-dy-dy-dy-dy-dy, na-na-na-na-na-na, mo-mo-mo-mo-mo-mo" mit "Scheiß Dynamo" beantwortet. Bisher unbekannt war auch der Gesang "Ein Block – eine Mutter – BFC", bei dem ich mir ein Lächeln nicht verkneifen konnte. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass auch die eigene Mannschaft ab und an mit "Auf geht’s Leipziger Jungs" unterstützt wurde.
Mitsamt der Sportplatzatmosphäre fühlte ich mich aber an Auswärtsspiele der Ersten in Dörfern, wie Auerbach oder Meuselwitz erinnert, wo man auf der gegenüberliegenden Seite im abgesperrten Käfig – wo am Sonntag die BFC-Fans untergebracht waren – erinnert.
Kurzum: Freier Eintritt (Achtung: Nur zu ausgewählten Spielen!), unmittelbare Nähe zum Spielfeld ohne Zäune oder Gitter, Traditionsvereine mit bekannten Akteuren und vielen auswärtsfahrenden Fans, eine gute Roster und ein gutes Stück "Dorfpöbelei" – Fußballherz was willst du mehr.
Wenn man dann noch einem Aufstiegskandidaten in die Suppe spucken kann (ja, über die Frage der Fairness lässt sich bei sieben Spielern aus der ersten Mannschaft streiten), ist ein Besuch der U23 ein traumhaftes Erlebnis. So war es zumindest ein schönes.
Roter Brauser
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