WARUM EIN STADIONNEUBAU FÜR RB LEIPZIG EIN DESASTER WÄRE

Leipzig - (09.03.2016) Nachdem immer wieder Gerüchte bestanden, dass ein Stadionneubau zur Diskussion steht, hat der Vorstandsvorsitzende Oliver Mintzlaff bei der Mitgliederversammlung bestätigt, dass die Notwendigkeit eines Stadionneubaus geprüft werden soll.


Eine Stadionerweiterung (wäre auf 57.000 Plätze möglich) und einen Stadionneubau zieht Oliver Mintzlaff in Erwägung, wenn es die Nachfrage nach Karten bei einem Aufstieg erfordert. Ein Neubau ist insofern wirtschaftlich nur sinnvoll, wenn der Neubau deutlich mehr als die potenziell möglichen 57.000 Zuschauerplätze umfassen würde. Warum ein Stadionneubau einerseits in Bezug zur Kapazität unnötig, andererseits für die Identität des Vereins ein Desaster wäre, zeigen folgende Aspekte:
Identitätswirkung des Stadions
Der Einstieg von Red Bull im Jahr 2009 in den Leipziger Fußball wird gern als Landung eines Ufos in der Fußball-Diaspora bezeichnet. So waren Lok und Sachsen Leipzig damals beide fünftklassig und das Zentralstadion stand leer. Es stellte sich natürlich die Frage, wie der neue Verein angenommen wird. Hierbei spielte das Zentralstadion/Red Bull Arena eine ganz entscheidende Rolle. Das WM-Stadion aus dem Jahr 2006, in dem sich Zinedine Zidane mit einem Tritt an die Kabinentür verewigt hat, stand jahrelang abgesehen von Konzerten quasi leer und es drohte der Verfall. Architektonisch wurde dabei mit dem Bau des neuen Stadions in die alte "Schüssel" die Brücke in die größere Leipziger Fußballgeschichte geschlagen. Auf diese Brücke konnte RB Leipzig sinnbildlich aufspringen. Wer jetzt nach dem Einlass den Wall des Stadions erklimmt und dann ins neue Stadion blickt, dem stellen sich immer wieder die Nackenhaare vor Freude auf. Gänsehaut gibt es ebenfalls beim Abgang, wenn man auf die Skyline von Leipzig blickt. Gerade in Zeiten, wo austauschbare Betonklötze an Autobahnen (in München auch neben Müllhalden) errichtet werden, ein absolut positives Alleinstellungsmerkmal in Deutschland.
Die Nutzung des Zentralstadions/Red Bull Arena von RB Leipzig wird dabei auch von der nicht-fußballaffinen Bevölkerung als positiv wahrgenommen und trägt damit zur wichtigen Akzeptanz des Vereins bei. Gerade für unseren Verein, der bisher logischerweise über weniger Geschichte verfügt, ist dieses Stadion ganz wichtig zur Identitätsbildung. Die Identifikation der Fans mit dem Stadion zeigte auch die Choreographie gegen Aue.
Charme eines Innenstadtstadions und wirtschaftliche Effekte für Leipzig
Es wird immer mehr ein Genuss, sich vor und nach den Spielen im Stadionumfeld aufzuhalten. Friedliche RBL-Fans säumen die Straßen und sorgen für eine gute Stimmung. Durch die Nähe zur Innenstadt gibt es im Umfeld mehrere Kneipen und Cafés, die schon vor dem Spiel zum kurzen Plausch angesteuert werden können. Gerade nach einem Sieg ist es dann umso schöner, diese wieder aufzusuchen oder gleich die bekannten Kneipenmeilen zu entern. Man merkt in diesen Situationen einfach, dass RB Leipzig mit seinen Fans in der Stadt angekommen ist. Stadien an Autobahnen am Stadtrand werden dieses spezielle Flair nie haben.
Gern werden auch wirtschaftliche Effekte für u.a. gastronomische Einrichtungen als Argument für RB Leipzig angeführt. Bei einem Stadion am Stadtrand werden diese sich deutlich reduzieren, da dann das Stadion mit dem Auto von außerhalb angesteuert und nach dem Spiel direkt wieder nach Hause gefahren wird.
Nähe zum Trainingszentrum am Cottaweg
Was gibt es gerade für Nachwuchsspieler für eine größere Motivation, als vom Trainingsplatz das Stadion der 1. Mannschaft zu sehen? Durch die Nähe zum Stadion sind die Wege auch für Verantwortliche und die 1. Mannschaft deutlich kürzer. Bei einem Stadion am Stadtrand würde man diesen Vorteil leichtfertig aus der Hand geben.
Bau am Stadtrand entgegen dem Trend zur Reurbanisierung
Schaut man sich die Bevölkerungsentwicklung (Zahlen siehe stat. Landesämter Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen) in den letzten Jahren in Leipzig und Umland an, dann ist eine besonders positive Bevölkerungsentwicklung in der Stadt Leipzig zu verzeichnen. Die Bevölkerungsprognosen gehen auch weiterhin von dieser Entwicklung aus. Im Umland haben lediglich die direkt an Leipzig angrenzenden Gemeinden eine leicht positive bis stabile Bevölkerungsentwicklung, das weitere Umland weist einen hohen Bevölkerungsrückgang auf. In Leipzig können vor allem die innenstadtnahen Stadtteile vom Bevölkerungswachstum der Stadt profitieren. In der Folge ist die innerstädtische Lage sehr positiv in Bezug zur Bevölkerungsentwicklung, da mehr Einwohner das Stadion fußläufig, mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV erreichen können.
Riesige Infrastruktur müsste bei einem Stadionneubau geschaffen werden
Es wird beim aktuellen Stadion immer wieder kritisiert, dass die An- und Abreise sehr lang dauern. Wer aber einmal in anderen Erstligastädten war, der weiß, dass es dort nicht besser ist. Fraglos gibt es Ansätze zur Verbesserung, das bestehende Verkehrskonzept für das Stadion müsste aber einfach mal umgesetzt werden. Ob die Diskussion über ein Stadion am Stadtrand die Stadt Leipzig unter Druck setzen soll oder die Umsetzung blockiert, ist dabei nicht klar zu beantworten. Klar ist jedenfalls bei einem Stadionneubau, bei dann deutlich über 57.000 Zuschauern Kapazität, dass die Infrastruktur im neuen Stadionumfeld am Stadtrand geschaffen werden müsste. Letztlich kann dies nur mit einem ausgeklügelten Verkehrssystem und einer S-Bahn bewerkstelligt werden. Selbst dann, kann es große Wartezeiten geben, wie die Allianz Arena in München zeigt, weil einfach zu viele Leute zu gleicher Zeit mit dem Auto unterwegs sind. Die Folge sind Wartezeiten von teilweise über einer Stunde im Parkhaus. Zudem könnte wohl nur über eine Linie (idealerweise S-Bahn) der Abtransport mit dem ÖPNV erfolgen. Durch die Stadtrandlage werden sich die Fahrzeiten im Durchschnitt für die Zuschauer erhöhen. Bei einem Innenstadtstadion ist der Anteil der Zuschauer mit dem Fahrrad und zu Fuß jedenfalls deutlich höher.
Kapazität von 57.000 Plätzen wäre im Deutschlandvergleich weit oben angesiedelt
Mit 57.000 Zuschauerplätzen wäre die Leipziger Red Bull Arena gemeinsam mit dem Volksparkstadion auf Platz 6 in der Liste der größten Stadien der 1. Bundesliga. Davor wären lediglich der Signal Iduna Park in Dortmund, die Allianz-Arena in München, das Berliner Olympiastadion, die Veltins-Arena auf Schalke und die Mercedes-Benz-Arena in Stuttgart. Schaut man sich die Städte vergleichbarer Größe an, dann verfügen Hannover mit 49.000 Zuschauerplätzen (aktuelle Auslastung 81,2%), Bremen mit 42.100 (Auslastung 97,1%) und Frankfurt (mit über 700.000 Einwohner größer als Leipzig) mit 51.500 Plätzen (Auslastung 89,4%) über kleinere Stadien. Lediglich Dortmund und Gelsenkirchen, welche über Jahrzehnte deutschlandweit gewachsene Fanszenen verfügen, haben größere Stadion, die sie auch füllen können. Das größere Stadion des VfB Stuttgart hat derzeit eine Auslastung von 82,3%.
Das potenzielle Einzugsgebiet von RBL-Fans wird sicherlich bei einem Aufstieg in die Bundesliga nochmal entferntere Zuschauer anziehen, aber durch Dynamo in östlicher Richtung, Aue und Chemnitz in südlicher Richtung, den HFC, Magdeburg und Erfurt in westlicher Richtung sowie Hertha und Union Berlin in nördlicher Richtung begrenzt sein. Zudem ist nicht zu vergessen, dass Leipzig mit Lok und Chemie auch zwei weitere Fußballvereine hat, deren Fanszenen sowie deren Umfeld einen Besuch bei RB Leipzig ausschließen können. Beide Vereine werden in dieser Saison mit hoher Wahrscheinlichkeit aufsteigen. Darüber hinaus nimmt die SC DHfK eine erfreulich positive Entwicklung. Nicht zuletzt beim Heimspiel gegen den FSV Frankfurt (nur 19.119 Zuschauer), als die DHfK parallel vor ausverkauftem Haus gegen den THW Kiel gespielt und Sport1 live übertragen hat, wurde deutlich, dass auch hier Überschneidungen im Leipziger Sportpublikum bestehen.
Ebenfalls darf nicht vergessen werden, dass RB Leipzig momentan noch auf einer Euphoriewelle reitet und den über viele Jahre angesammelten Hunger auf höherklassigen Fussball stillt. Doch was wenn der Alltag Einzug hält? Wenn bereits zum dritten Mal ein eher unattraktiver Gegner antritt, wird das sicher kein Ereignis mehr darstellen. Um so wichtiger wäre es dann zumindest das gewohnte Stadionerlebnis bieten zu können. Nachhaltig kann man das Stadion - gleich ob alt oder neu - ohnehin nur mit sportlichen Höchstleistungen füllen. Doch die Trauben hängen in der Bundesliga sehr hoch. Wie schnell selbst ein exzellent besetztes Team in einen Negativstrudel geraten kann, hat man gerade beim BVB gesehen, der die letztjährige Hinrunde als Tabellenletzter(!) abschloss. Abwarten und schauen, was die Bundesliga bringt wäre mehr als vernünftig.
Was wird eigentlich aus dem Zentralstadion bei einem Stadionneubau?
Klar ist auch, dass bei einem Stadionneubau das ehem. Zentralstadion/die Red Bull Arena in die Zeit vor RB Leipzig zurückgeworfen werden würde. Zwei, drei Konzertveranstaltungen pro Jahr und ansonsten Leerstand. Dies wäre letztlich das Aus für das WM-Stadion aus dem Jahr 2006 und es würde der erneute Verfall drohen. Eine nachhaltige Stadtentwicklung, bei dem man ein Stadion am Stadtrand neubaut, neue Infrastruktur schafft und ein eigtl. nutzbares Stadion und eines der Wahrzeichen von Leipzig verfallen lässt, sieht jedenfalls anders aus.
Fazit: Ein Stadionneubau wäre für die Identität des jungen Vereins RB Leipzig eine absolute Katastrophe, eine Kapazität von mehr als 57.000 Zuschauer-Plätzen ist nur dann nötig wenn man ein Zuschauerpotential von 65.000+ erreicht, ein Stadionneubau am Stadtrand würde der aktuellen Bevölkerungsentwicklung entgegenstehen und das bisherige Stadion würde erneut leerstehen und damit der erneute Verfall drohen. Man kann nur hoffen, dass wie von Oliver Mintzlaff gesagt, auch weiterhin unsere bestehende Arena Priorität hat. Vielleicht ist die aktuelle Diskussion um einen Stadionneubau auch ein taktisches Manöver, um bei einem möglichen Stadionkauf vom aktuellen Besitzer Michael Kölmel, in eine unabhängigere Verhandlungsposition zu gelangen. Das RB Leipzig in ein Stadion investiert, welches der Verein nicht selbst besitzt, ist unwahrscheinlich.
Wir lieben unser Stadion und hoffen auf einen klaren Verbleib in der bisherigen Red Bull Arena. Unser heißgeliebtes Wohnzimmer ist bereits jetzt schon reif für die Bundesliga und kann sogar noch aufgewertet werden. Gerade ein Stehplatzblock im Sektor B sowie das Herunterziehen der Tribünen allgemein, sollten zur weiteren Verbesserung der Atmosphäre beitragen.
Jupp
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