LEIPZIG GEGEN MÖNCHENGLADBACH – EINZELKRITIK

Leipzig - (22.09.2016) Der Tag nach einem weiteren emotionalen Highlight. RBL bleibt ungeschlagen, doch nach dem 1:1 ist die Zeit der Wasserstandsbetrachter angebrochen. Dazu werfen wir einen Blick auf die Einzelleistungen der Spieler.


Vier Spiele acht Punkte – ungeschlagen auf den internationalen Plätzen. Viele Leipziger hätten dies vor der Saison oder gar nach der Niederlage gegen die SGD mit Kusshand genommen und auch am Tag nach dem späten Ausgleich des Champions League Teilnehmers aus Mönchengladbach ist dies eine bockstarke Bilanz.
Dennoch kann man das gestrige Unentschieden wie so oft aus zwei Warten betrachten. Die Optimisten werden herausstellen, dass man die Gäste größtenteils aus dem Spiel nehmen konnte (nur drei Torschüsse für die Schubertelf) und das Hasenhüttl-System weiterhin auch gegen die stärksten Teams der Liga funktioniert. Anhänger der Theorie des halbleeren Glases werden wohl darauf verweisen, dass im zweiten Durchgang der Zugriff nach und nach etwas verloren ging, RBL fünf Minuten vor Ende bei einem langen Ball gegen die Effizienzmeister aus Gladbach nicht so offen stehen darf (ein Tor, das am besten damit beschrieben ist, dass die Borussen RBL mit den eigenen Mitteln schlugen), und dass es unsere Rasenballer verpassten, vorher einen weiteren Treffer zu erzielen.
Das der volle Gästeblock des, man kann es nicht oft genug erwähnen, Champions League Teilnehmers den späten Ausgleich wie einen Sieg bejubelte, sagt indes auch einiges über RBL aus. Auch die Stadionbesucher schienen vermehrt der Optimistenfraktion anzugehören, wurde das Team doch trotzig stehend in den letzten Minuten angefeuert und auch nach dem Spiel für die gute Leistung gefeiert. Überhaupt war es gestern eine runde Leistung auf den Rängen.
Ganz nüchtern betrachtet hatte RBL zwar mehr investiert (läuferisch), aber viel mehr echte Großchancen konnte die Hasenhüttl-Elf sich nicht erspielen. Zu spitz waren die meisten Winkel aus denen Werner und Burke versuchten Sommer zu bezwingen und abseits der beiden Tore waren es bei RBL Halstenberg und für Gladbach Johnson, die jeweils Hochkaräter auf dem Fuß hatten. Im Laufe des zweiten Durchgangs konnte man bei RBL, die läuferisch wieder extreme Werte aufs Feld brachten auch erste Ermüdungserscheinungen ausmachen. Compper musste mit Wadenproblemen runter, für ihn kam Papadopoulos, der einen soliden Einstand hatte, vor dem Ausgleich jedoch das Kopfballduell verlor. Einige Sprints konnten nicht mehr gezogen werden und die sowieso schon relativ hohe Fehlerquote des eigenen Passspiels stieg weiter an, so dass das Spiel noch chaotischer wurde als üblich. Ebenso fiel auf, dass gegen die stark gegen den Mann verteidigenden Gäste noch mehr als normal auf Poulsen gesetzt wurde. Der Däne war es auch, der das Tor stark durch ein Solo und eine gute Flanke auf Werner einleitete. Zwar war diese Idee leichter zu durchschauen, als eine frisch gewaschene Fensterscheibe, wirklich komplett zu verteidigen war sie indes nicht, da Poulsens Antritt und Sprungkraft selbst vom hoch gewachsenen Vestergaard kaum zu kontern waren, war der Ball jedoch dann wieder auf dem Boden der Tatsachen, spielte RBL oft zu überhastet und leistete sich etwas zu viele Fehlpässe.
Zudem brachten die Einwechslungen von Forsberg, Papadopoulos und Burke dieses Mal nicht den erwarteten letzten Schwung. Der Schwede konnte nicht an die überragende Leistung in Hamburg anknüpfen und verlor so ziemlich jeden Zweikampf, Burke fehlte am Ende das Glück des tüchtigen im Abschluss, als sein Schuss nicht die nötige Geschwindigkeit erreichte, um Sommer vollends zu passieren, der Keeper bekam noch im Nachfassen die Hand auf den Ball und Papadopoulos war ein wenig die tragische Figur, auch wenn das Kopfballduell den Blick auf eine sonst gute Leistung nicht verstellen darf.
Fantechnisch reift die Erkenntnis: Die Zeiten, in denen andere Fanszenen RBL in der heimischen RBA einen vom Pferd erzählen konnten, sind vorbei. Wer dabei war erinnert sich vielleicht an Hansa, die damals mit brachialer Gewalt in die Ränge strömten und den RBL Support fast vollständig übertönten. Das passierte dieses Mal den Gladbachern, die sich mit ihren 19 Minuten Schweigeprotest (nur kurz unterbrochen vom obligatorischen und wenig imposanten „Red Bull Schweine“) in die eigenen Fohlenbeine schossen. Denn ab der 18. Minute zog der Fanblock einfach das gesamte Stadion mit und feierte drei-vier Minuten durch, so dass der Gladbacher Anfangssupport erstickte. Kurz vor dem Ausgleich hätte man zudem meinen können, dass die Gäste auch die letzten 19 Minuten boykottieren wollten, ehe der späte Treffer für den, ja ich sage es wieder, Champions League Teilnehmer, die Gladbacher Kurve wieder erweckte. Zudem war die Initiative 60 Plus vor dem Spiel auf dem Stadionrund aktiv. Neues dazu sicher in Kürze.
Emotionaler Höhepunkt sicher die Aktion für Klostermann, dem die Kicker zuerst Werners Tor widmeten, ehe 10 Minuten später das ganze Stadion mit Bannern und Selbstgedrucktem dem Verletzten Genesungswünsche übermittelte.
Was bleibt ist die Frage, ob der hohe Aufwand, den RBL betreibt, in der englischen Woche noch Probleme bereiten wird. Mit den starken Kölnern, die von der Spielanlage her Leipzig sicher wenig entgegenkommen dürften, wartet eine richtig schwere Aufgabe. Nur ein Treffer mussten die Geißböcke bisher hinnehmen, dabei setzt Stöger auf wenig Ballbesitz, schnelles Umschalten und starke Außenbahnen. Dazu sind die Kölner derzeit Meister darin gegnerische Chancen zu vereiteln, nur 1.54% der Torschüsse ihrer Gegner gingen ins Ziel. Unsere Leipziger mussten gegen Gladbach schon am Ende dem Stil Tribut zollen, bereits am Sonntag geht es weiter, da ist jetzt vor allem Regeneration angesagt, damit die Bullen auch dann noch kräftig zubeißen und lange laufen können.
Ein kurzer HInweis noch zum Dauerthema An- und Abreise. Die LVB gestern durchaus mit Bundesliganiveau. Gerade die Sonderbahnen (51) haben die Problematik um den geschlossenen Hauptbahnhof entschärft. Auch die Teilsperrung des Waldstraßenviertels begünstigt den schnelleren Abfluss der Bahnen. Ein weiterer Baustein in Sachen Verkehrskonzept.
Petér Gulácsi
Bitter, da bekommst du als Tormann einen Schuss aufs Tor und der ist drin, typisch für Gladbach, keine Mannschaft ist derzeit besser darin die eignen Schüsse zu nutzen. Aber viel zu Halten gab es beim Schuss von Johnson nicht. Die Fehler passierten früher. Sonst starker Rückhalt und immer wach. Dazu als Passgeber auf Poulsen meist Ausgangspunkt eines RBL-Angriffs – 15 seiner Bälle erreichten den Dänen.
Willi Orban
Abgeklärt und routiniert, der Ruhepol der Abwehr und mit einem Stellungsspiel, das sich gewaschen hatte. Gewinnt zwar nicht jedes seiner Duelle, aber gefühlt alle wichtigen. Wie Ilsanker wichtig, damit der ständig im roten Bereich laufende Rasenballermotor auch mal eine kurze Pause einlegt. Kein Mann für die spektakulären Zuspiele, aber einer muss hinten ja auch mal auf sicher spielen können, während vorne alles wie wild durch die Kante läuft.
Marvin Compper
Wenn Gulácsi es nicht selbst machte, dann mit Halstenberg der Nächste im großen: „Such den Dänen“-Spiel, daher auch mit etwas schlechterer Passquote. Defensiv eine Bank und kaum zu schlagen. Musste später mit Wadenproblemen raus und wurde durch den soliden Papadopoulos ersetzt. Compper bleibt derzeit in Abstimmung mit Orban ein wichtiger Faktor der bisher so stabilen Defensive (nur Bayern ließ weniger Torschüsse zu), er wird aber voraussichtlich der hohen Intensität des Spiels als einer der Ersten Tribut zollen müssen.
Marcel Halstenberg
So etwas wie die tragische Figur des Spiels, erst mit der Megachance zum 2:0 und kurz vor Ende verliert er Johnson komplett aus den Augen und geht dann auch zu ungestüm in den Zweikampf. Abseits dieser „Highlights“ wieder ein gewohnt starkes Spiel von Halste, der in allen Belangen zu den besten Rasenballern zählte (läuferisch, bei Pässen und Zweikämpfen).
Bernardo
Nach dem starken Hamburgspiel erneut ein wirklich guter Auftritt. Wenn Bernardo noch ein wenig an der Passeffizienz arbeitet, dann kann er ein ganz großer werden. Erneut einer der Fixpunkte des Spiels (meiste Ballkontakte) mit vielen Sprints, starker Laufleistung und solider Zweikampfquote. Über die rechte Seite ging für Mönchengladbach wenig, das lag nicht zuletzt an ihm. In der Form wird es Schmitz ganz schwer haben, den gelernten Innenverteidiger zu verdrängen. Seine Abgeklärtheit und Spielfreude machen jedenfalls viel Spaß beim Zuschauen.
Stefan Ilsanker
Gab schon bessere Tage im Leben des Mentalitätsmonsters, das Spiel kam ihm da nicht ganz so gelegen. Im Mittelfeld mit weniger Zugriff (wenigste Ballkontakte der Spieler, die über 90 Minuten gingen) und einer ungewohnt schlechten Zweikampfquote, dafür jedoch bis auf ein paar Ausnahmen mit guter Übersicht und bei Pässen weniger fehleranfällig als seine Nebenleute, insgesamt jedoch mit zu wenig Impact.
Diego Demme
Über Demmes läuferische Leistung muss man wohl kein Wort verlieren, maximal: Bundesligaspitzenklasse. Wo ein Demme ist, da ist eben auch ein (Lauf)weg, der zu gehen ist. Dafür erneut mit vielen Zweikämpfen aber dieses Mal in Sachen Spielberuhigung und Passquote eher unterdurchschnittlich. Wobei Gladbach die flachen Passwege in die Spitze auch sehr gut zugestellt hatte und durch die enge Manndeckung viele Pässe abfangen konnte.
Dominik Kaiser
Defensiv solide und mit einigen Spielanteilen, erneut als Standardschütze gebraucht, wobei die zweitbeste Chance des Spiel nach einem selbigen erfolgte. Sonst manchmal zu überhastet (zweitschlechteste Passquote) aber dafür kämpferisch und läuferisch stark. Insgesamt die bessere Wahl auf Rechtsaußen als Keita zuletzt in Hamburg und von den RBL-Außebahnspielern am gestrigen Abend wohl der beste Mann.
Marcel Sabitzer
Auf Links gestern mit mehr Schatten als Licht, auch sein Ersatz Forsberg hatte es indes nicht viel leichter. Überhaupt das Spiel durch Poulsen größtenteils rechtslastig. Agierte gestern meist unauffällg, wenngleich mit zwei (ungefährlichen) Abschlüssen. Unterdurchschnittliche Pass- und Zweikampfquoten „runden“ dieses Bild ab.
Timo Werner
Für seine Leistung mit standing ovations und Timo-Rufen verabschiedet. Werner ist angekommen in Leipzig und das schneller und imposanter als gedacht. Bereits sein dritter Treffer im Rasenballerdress, sein erstes gegen Mönchengladbach zudem, nur auf einen Sieg gegen die Fohlen muss Werner weiter warten. In Sachen Duracellhasenfaktor wieder ganz weit vorne (die meisten Sprints aller auf dem Feld), dazu der passsicherste Spieler. Auch an ihm ist derzeit kaum ein Vorbeikommen, auch wenn man diese Belastung sicher nicht andauernd über 90 Minuten ertragen kann.
Yussuf Poulsen
Dauerläufer, Zweikampfmonster, gefürchteter Gegenspieler und Schrecken aller vereinsinternen Konkurrenz. Poulsen ist all das und mehr. Was Yussuf gestern wieder runterspulte ist schon fast nicht mehr menschlich. Diesmal absolut im Fokus jedweder Angriffsbewegungen, weil er allein bei langen Abschlägen gesucht und meist auch gefunden wurde, mit toller Einleitung des 1:0 und quasi unermüdlich. Als Halstenberg vorne seine Chance suchte sprintete Yussuf mannschaftsdienlich sofort auf die Linksverteidigerposition. Er führte die meisten Zweikämpfe auf dem Feld und gewann fast die Hälfte, auch läuferisch und in Sachen Ballkontakte weit vorne. Besonders für Selke muss die Dominanz die Poulsen derzeit in der vordersten Linie verströmt frustrierend sein, aber wie bei Demme gilt derzeit: an ihm führt kein Weg vorbei.
Kyriakos Papadopoulos
Bitter, da kommst du rein in ein hitziges Spiel, bist der beste Zweikämpfer auf dem Platz und verlierst insgesamt nur ein Duell, das aber ausgerechnet vor dem Ausgleich. Was die Spritzigkeit anbelangt darf Papa sicher noch ein paar Prozente draufpacken und über seine Passquote (33,3% - schlechtester Wert des Teams) wird in diesem Spiel besser auch der Mantel des Schweigens ausgebreitet (teilweise aber auch systembedingt), aber die Ansätze sind da, schon gegen Köln könnte er gefordert werden, wenn Compper nicht schnell wieder gesundet.
Emil Forsberg
Nicht gerade mit optimalen Zweikampfwerten und in diesem Bereich der schlechteste Kicker auf dem Feld (nur ein gewonnenes Duell). Zwar relativ sicher im Passspiel aber mit nur wenig Impact. Hat schon bessere Spiele im RBL Dress gemacht und wird dies wieder tun. Gestern war nicht sein Tag und er hatte Probleme gegen die Gladbacher Abwehr die entscheidenden Pässe zu finalisieren, aber das ging auch Sabitzer vor ihm so. Gegen die Ballbesitzverweigerer von der neckischen Seite des Rheins wird er sicher wieder gebraucht.
Oliver Burke
Hätte, hätte … Fahrradkette. Im Nachhinein ist man ja immer schlauer, aber hätte Hasenhüttl eher auf Sicherheit gesetzt und vielleicht mit Schmitz oder Keita die leckende Defensive gestärkt, wir würden jetzt vielleicht über einen 1:0 Sieg diskutieren. Hätte Burke aus spitzem Winkel mit etwas mehr Schwung den Ball vorbei an Sommer ins Netz bugsiert, hätten wir jetzt den genialen Schachzug als weiteren Beweis für Hasenhüttls wundertätige Händchen feiern können. So kam Burke zu einem Zeitpunkt in dem das Spiel RBLs zu viel von Zufällen und Ermüdungserscheinungen geprägt war, um abseits seines Schusses noch für großes Aufsehen zu sorgen. Fazit: Wird noch!
Rumpelstilzchen
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