LEIPZIG UNBERECHENBAR! – DIE EINZELKRITIK ZUM BREMENSPIEL

Leipzig - (26.10.2016) Neben dem extremen Pressing, der läuferischen Leistung und dem starken Defensivverbund zeichnet RBL besonders die unberechenbare Offensive aus. Diesmal avancierten Naby Keita und Davie Selke zu Matchwinnern. Die Kicker in der Einzelkritik.


Gut ein Viertel der Saison ist rum und RBL eilt weiter von Erfolg zu Erfolg. Mit dem dritten Sieg in Folge und dem Sprung auf Platz 2 sind unsere Leipziger nun fraglos das Team der Stunde. Und dies völlig zu Recht! In jedem Spiel hatten die Rasenballer statistisch die besseren Chancen, so auch gegen Bremen, das am Sonntag mit 3:1 das nächste Opfer von Hasenhüttls Bullenherde wurde.
Mit einer Zweitliga-Gedächtnis-Herangehensweise kam Alexander Nouri an die Pleiße. Mit in der Tasche sieben Punkte aus den letzten drei Spielen inklusive eines Sieges gegen den Champions League-Teilnehmer aus Leverkusen. Mit einer tiefen Staffelung und Konter über die schnellen Einzelkönner Gnabry, Manneh und Junuzovic sollte Leipzig der Zahn gezogen werden. Die Hasenhüttl-Elf hatte abseits der Chance für Poulsen (herrlich eingeleitet von Kaiser) auch ihre liebe Mühe und versuchte es vornehmlich mit Flanken (die von Sané geklärt wurden oder zu ungenau blieben) und Fernschüssen (ebenfalls zu ungenau und bisher auch überhaupt nicht stilbildend für Leipzigs Offensive), die für Wiedwald kaum eine Gefahr darstellten. Erst Keitas Sololauf öffnete die Tür ein wenig, auch wenn Bremen auch im zweiten Durchgang eher auf Konter setzte (und dabei nur einen Torschuss verzeichnete), diese jedoch abseits der Startphase in Halbzeit 2 und des Tores nicht bis zum Ende durchbringen konnte.
Insgesamt war sehr gut zu sehen, dass Nouri die Werderaner wieder in die Spur gebracht hatte, läuferisch RBL quasi ebenbürtig mit viel Biss im Spiel (RBL jedoch mit noch etwas mehr Biss, teilweise auch über den Rand des erlaubten Hinaus) und vorne vertraute man auf Gnabry, der eindeutig das Highlight der Bremer Offensive darstellt.
RB Leipzig nahm die Herausforderung der Favoritenbürde an und diktierte auch mit den ungewohnten fast 60% Ballbesitz dennoch das Spiel. Als Werder im Verlauf der zweiten Hälfte etwas aufmachen musste, schlug die Offensive eiskalt zu und auch wenn danach sofort der Anschluss fiel, so ergaben sich in der Folge für Bremen keine echten Chancen mehr. Selkes Kontertor zum 3:1 mit dem Schlusspfiff war dann nur noch Ergebniskosmetik. Dürfte jedoch dem Ex-Bremer etwas Rückenwind geben.
Péter Gulácsi
Erneut kein arbeitsintensiver Tag für den Ungarn, der hielt, was zu halten war und beim Gegentor machtlos blieb. Abseits davon musste nur Bernardo (sehenswert) einmal eingreifen, um den Kasten sauber zu halten. Es bleibt dabei: RB Leipzig versteht es im Verbund extrem gut aussichtsreiche gegnerische Chancen zu unterbinden, hier und da auch mal mit etwas Glück (Bernardo), beim Tor beispielsweise jedoch mit etwas Pech, als Compper Manneh anköpfte. Für Gulácsi bedeutet das weiterhin seit dem zweiten Spieltag maximal ein Gegentor pro Spiel. Er kann sich zwar deutlich weniger auszeichnen als andere Keeper (nur 69 Torschüsse auf seinen Kasten sind Platz 2 hinter den Bayern). Was wirklich haltbar ist, hat er jedoch meist. In allen anderen Fällen beginnt die Fehlerkette meist früher, wie beim Gegentor, als beim Konter Glück und Zuordnung fehlen.
Willi „The Wall“ Orban
Zum zweiten Mal schaffte es Orban in die Kicker Elf des Spieltags – absolut verdient! Top-Zweikampfquote (90,9%), eine ganz abgeklärte Leistung des 23-jährigen Abwehrchefs, der in dieser Saison fast fehlerfrei das letzte Bollwerk vor Gulácsis Kasten ist und auch gegen Bremen kaum wackelte (beim Gegentor jedoch ein wenig zu ungestüm im Pressing und dann überspielt), ohne Foulspiel auskam und das Spiel von hinten gestaltete.
Marvin Compper
Straft weiterhin die Rufer Lügen, die ihn vor der Saison als ersten Streichkandidaten in der Abwehr gesehen haben und sorgt dafür, dass man es nicht den „Papa“ machen lassen muss. Bleibt lieber selber als Vaterfigur im Team, hatte jedoch gegen Bremen ein paar Mühen, Zweikampfführung gegen die flinken Angreifer (nur 41,7% gewonnen) und verunglückte Kopfballabwehr gegen Manneh vor dem Tor. Regelt dennoch vieles mit seiner Routine und wird auch in Zukunft ein harter Konkurrent für Papadopoulos bleiben.
Marcel Halstenberg
Solide Leistung des Außenverteidigers, der in dieser Saison bisher eine runde Leistung zeigt, ohne große Ausreißer in beide Richtungen. Mit etwas mehr Zug zum Tor (Offensivdribblings, Pässe, Torschüsse) als sein Gegenüber Bernardo, der dafür defensiv deutlich aktiver war, jedoch teilweise auch weit aufrückte. Wartet weiter auf seine erste Torbeteiligung, momentan jedoch alternativlos. Sollte Klostermann irgendwann seinen Platz als Rechtsverteidiger zurückfordern, könnte es ein enges Duell mit Bernardo werden.
Bernardo
Der 21-jährige Last-Minute-Neuzugang spielt weiter überzeugend. Auf ungewohnter Position musste er bei Bremer Gegenzügen weite Wege gehen und verhinderte sehenswert den möglichen Ausgleich durch Gnabry. Beim Gegentor als letzter Mann zwischen zwei Bremern dann in einer schlechten Position, die Fehler werden dort aber von den Innenverteidigern gemacht. Ein Spieler der teilweise an Luiz Gustavos ebenso eher „unbrasilianische“ Rolle in Hoffenheim erinnert. Extrem wichtiger Faktor, dass es auch nach der schlimmen Verletzung Klostermanns weiterhin so rund läuft. Offensiv noch mit Luft nach oben, dazu muss er aber seinen rechten Fuß noch weiter schulen…
Diego Demme
Vor jedem Tor mit dem Fuß am Ball, als Partner Keitas diesmal eher mit defensiven Aufgaben betraut, schaltete sich aber auch immer wieder in die Offensive ein und brachte die meisten Pässe an den Mann, nach Keita mit den meisten Ballkontakten und erneut läuferisch der Hans Dampf in allen Gassen. Vor dem 2:0 mit dem entscheidenden Ballgewinn und vor dem 3:1 Selke sicher eingesetzt. Demme ist derzeit die Nr.1 im DM und das aufgrund der Vielzahl seiner Stärken völlig zu Recht. Kein Spieler steht mit seiner Zweikampfbissigkeit und seinem Laufeinsatz mehr für das System Hasenhüttl als Mr. Pitbull!
Naby Keita
Der Mann des Spiel, sein Solo zum 1:0 wahrscheinlich die beste Einzelleistung eines Rasenballers in dieser Saison, zwar auch mit der nötigen Portion Glück, aber gerade gegen Gebre Selassie und Wiedwald eiskalt abgeschlossen. Mit 21 gewonnenen Zweikämpfen Top-Mann auf dem Feld und genau der richtige, um in Einzelaktionen den Bremer Abwehrriegel zu knacken. Manchmal immer noch mit überhasteten Pässen in die Spitze (21 Fehlpässe, das Gros im Angriffsdrittel), das ist in der Rolle des offensiven DM jedoch im Rahmen des Erwartbaren. Hier liegen in Punkto Genauigkeit und Abstimmung auch noch die größten Verbesserungsmöglichkeiten. Mit seinen zwei Treffern ist das aber auch Jammern auf extrem hohem Niveau. Keity damit zum Spieler des Spiels gekürt, laut WhoScored bester Kicker des Spieltags und bei bundesliga.de in der Auswahl zum Spieler des Spieltags. Keita hat seinen Aussagen zu Saisonbeginn Taten folgen lassen!
Dominik Kaiser
Als Rechtsaußen vertrat er den verletzten Sabitzer, besonders in der eigenen Hälfte mit einigen guten Szenen und der schönen Einleitung von Poulsens Großchance zu Beginn. Versuchte sich zudem an einigen Flanken (für RBL eher untypisch, was schon Leverkusen als Mittel gegen Bremen versucht hatte), dies jedoch eher mit geringem Erfolg. Auch bei den Standards derzeit nicht mit der nötigen Präzision. Im DM haben ihm die Spezialisten das Wasser abgegraben und auf Rechtsaußen wird der Konkurrenzdruck zunehmend größer. Kapitän Kaiser könnte nach Selke der nächste Härtefall im Kader werden, aktuell bleibt er als Verbindungsglied und Standardschütze weiter eine Option. Burke (wenn vollends ans Pressing adaptiert) und Sabitzer (wenn wieder fit) drücken mächtig, weitere Optionen hier könnten auch Poulsen und Werner sein, so Selke irgendwann ins Team rotiert.
Emil Forsberg
Das Geburtstagskind diesmal nicht der Unterschiedsspieler und eher mit einer überschaubaren Offensivleistung. Brach auf Links nur selten durch und tendierte eher dazu in die Mitte zu fallen. Sein Schuss auf Wiedwalds Kasten (63.) wäre jedoch beinahe zur Vorlage für Poulsen geworden, hätte der Däne den Ball besser weiterverarbeitet. Sonst durch das Durchlassen des Balls zumindest mit Augenzudrücken am 2:0 beteiligt. Leipzigs Stärke ist indes, dass diese „Schwächephasen“ stets von anderen Spielern abgefangen werden können.
Timo Werner
Auch Werner hatte es gegen Werder schwer zu Abschlüssen zu kommen und war dieses Mal abseits der läuferischen Komponente (wieder mit sehr viel Einsatz dabei und vielen Wegen) eher schwach. Wenig Ballkontakte, überschaubare Passquote, kein Schuss aufs Tor. Als Werder dann weiter aufmachen musste und Selke für ihn kam, avancierte der Ex-Bremer zum Matchwinner. Auch hier gilt: es kommen wieder bessere Tage und Hasenhüttl hat derzeit für solche Fälle immer noch ein Ass im Ärmel bzw. auf der Bank.
Yussuf Poulsen
Wenn Yussi auch noch vor dem Tor eiskalt wäre, würden wir ihn wahrscheinlich nicht mehr lange in Leipzig bestaunen. 34 Sprints, wie Werner immer laufbereit und einigen Zweikämpfen. Vergab die frühe Chance zur Führung ebenso wie die Kopfballchance zum 2:0. Als Rammbock dennoch wichtig, auch wenn es insgesamt nicht sein bestes Spiel für RBL in der Bundesliga war, dafür stand Bremen zu tief und war Sané ein ebenbürtiger Gegner.
Davie Selke
Er kam, er bereitete vor, er traf. Wenn man im Wörterbuch „Effizienz“ nachschlagen würde, wäre am Sonntag wohl ein Bild von Selke zu sehen gewesen. Alles was ihm im Angriffsdrittel wirklich gelang, führte zum Tor: Zwei Fehlschüsse und ein Schuss ins leere Tor, zwei Fehlpässe und butterweiche Flanke auf Naby Keita. Insgesamt war gut zu sehen, dass Selke als Sturmspitze seine Rolle anders interpretiert als Poulsen oder Werner und dabei viel weniger Druck auf den Gegner ausübt. Als es um zählbares ging, war er jedoch gegen seinen alten Klub zur Stelle. Nach den letzten Wochen, in denen er größtenteils auf der Bank schmorte sicher eine gewisse Genugtuung für Selke, ob das Gezeigte jedoch reicht, um der laufstärkeren Konkurrenz Druck zu machen, bleibt abzuwarten.
Stefan Ilsanker
Kam für Forsberg, sicherte gut ab und konnte einen Angriff einleiten, sonst eher unauffällig. Befindet sich nun mehr denn je in direkter Konkurrenz zu Keita.
Oliver Burke
Bekam von den Fans ein Extra Banner (Inhalt: lang möge dein Schornstein qualmen – sprich: Mögest du immer brennen!), kam sonst zu spät, um noch wirklich etwas zu bewegen.
Wie Schon bemerkt, derzeit läuft es bei der Bullenherde. Wenn mal ein Leitbulle ausfällt, steht der nächste schon in den Startlöchern. Zudem hat Hasenhüttl weiter ein güldenes Händchen – kein Trainer wechselte mehr Torschützen ein. Dazu funktioniert der Defensivverbund tadellos und lässt derzeit nie mehr als ein Gegentor zu, was insgesamt dazu führt, dass RBL in Sachen Torchancen bisher jedem Gegner überlegen war.
Nun wartet mit Darmstadt die nächste Aufgabe. Das waren in der Vergangenheit immer hitzige und enge Spiele. Norbert Meier wartet noch auf seinen ersten Sieg gegen Hasenhüttl (wie auch gegen Rangnick), hatte zumindest letzte Saison seine Bielefelder recht gut auf RB Leipzig einstellen können und ist mit den Lilien daheim noch ungeschlagen. Auch wenn die Wettanbieter RBL immer mehr in die Favoritenrolle schieben dürfte es am Böllenfalltor kein Zuckerschlecken werden, auch wenn Darmstadt das Team ist, welches derzeit die meisten Torschüsse aufs eigene Tor zugelassen hat. Über 1.000 Tickets wurden bereits für den Gästeblock verkauft. Es gibt somit weiterhin Tickets an der Tageskasse in Darmstadt! Auf zu den Lilien!
Datenquellen: FourFourTwo, WhoScored, SportdatenBild, Squawka, Bundesliga.de
Rumpelstilzchen
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