TEMPO UND DOMINANZ – LEIPZIG ZEIGT SICH IN FORM

Leipzig - (16.01.2017) Ein Tag voller Gewinner. Die Mannschaft sammelt Selbstvertrauen, der Trainerstab Erkenntnisse, die Gastronomen das Geld der Gäste und die Fans neuen Schwung für die bevorstehenden Aufgaben. Ein Blick auf das Spiel gegen die Rangers aus Glasgow.


Nach den "Totalausfällen" gegen Amsterdam, angeschlagenen Spielern und vielen Fragezeichen rund um eine Startaufstellung für die kommenden Spiele wurde der Test gegen die Rangers von allen herbeigesehnt. Dennoch dominierte vor dem Spiel die Massen an angereisten Schotten die Berichterstattung und die sozialen Netzwerke.
Sangesfreudige Schotten mit Schwund
8.000 Gäste hatten sich angesagt, ca. 5.000 waren später im Stadion. Ob der Rest in den
örtlichen Kneipen oder Hotels zurückblieb ist nicht überliefert. Jedenfalls feierten die Gäste aus Glasgow ausgelassen ihr "Comeback" auf der europäischen Fußballbühne, nachdem die Gers 2012 nach eine Insolvenz in die vierte Liga zwangsabsteigen mussten. Quasi "all inclusive": Begegnungsschal, einige Airlines mit Begegnungspin für die RFC Anhängerschaft, bierselige Stimmung in Leipzig und Berlin am ganzen Wochenende, der ein oder andere dadurch kurzzeitig verschwundene Fan sowie ein imposanter Fanmarsch der Rangersfans vom Markt zum Stadion. Inklusive mitgereiste Alte und Lahme – sehr beeindruckend – und dabei in Sachen Stimmung mehr an RBL-Fanmärsche erinnernd, als beispielsweise an die martialischen Aufläufe von Rostock & Co. Auch für die britische Boulevardpresse fiel hier und da ein Skandal ab. So wurden das bei Aufeinandertreffen mit deutschen Teams beliebte "10 German Bombers" vielfach intoniert und wohl auch einige Flugbegleiterinnen belästigt.
Insgesamt war die Atmosphäre in Leipzig jedoch fast schon freundschaftlich, auch wenn sich beim Spiel herausstellen sollte, dass die Schotten schon weite Teile ihres Pulvers vor Anpfiff verschossen hatten und im Stadion dann doch meist die Rasenballsportfans den Ton angaben. Überhaupt war es auf Leipziger Fanseite ein sehr ordentliches Testspiel mit deutlich überdurchschnittlicher Mitmachquote für ein Testspiel. Dazu wurde bei den Toren fast durchgängig auf das besonders im Fanblock beliebte: "viel zu viel..." verzichtet – ein echter Freundschaftskick zwischen Freunden eben. Vielleicht sieht man sich ja wieder, Leipzig ist auf jeden Fall eine Reise wert, das dürften einige RFC-Fans wohl nun auch wissen. Nun aber zum Spiel.
Tempo-Startelf
Gulácsi – Bernardo, Orban, Compper, Halstenberg – Ilsanker, Demme – Sabitzer, Burke – Werner, Selke
Die Startelf die Ralph Hasenhüttl in das Spiel schickte war durchaus überraschend. Mit Sabitzer, Burke, Selke und Werner standen vier Offensivspieler mit hohem Tempo auf dem Platz. Durchaus ungewohntes Bild und interessant in der Spielanlage. So spielten die Leipziger sehr tempolastig nach vorn und versuchten besonders die Umschaltsituationen auszunutzen. Auf diesen Weg gelangen auch die beiden Tore stereotypisch nach Ballgewinn im Mittelfeld. Zum Beispiel in der 22. Minute: Demme erobert den Ball und spielt auf Sabitzer, der nicht lange wartet und den durchstartenden Werner bedient. Werner umkurvt den Keeper und legt den Ball mit ein wenig Glück ins Tor. Das 1:0 und das absolut verdient. Das Spiel bliebt weiterhin vom schnellen Spiel in die Spitze geprägt. Die Rangers schafften es nur ab und zu über Tempodribblings von McKay sich dem Strafraum zu nähern. Finale Gefahr entstand dennoch nicht. Das 2:0 kurz vor der Pause, dann wieder nach Plan. Demme erobert den Ball, bedient diesmal direkt Werner, der den Ball auf den durchstartenden Burke spielt, welcher keine Probleme hat den Keeper zu überwinden. Halbzeit.
Ballbesitz-Startelf
Müller – Bernardo, Orban, Compper, Halstenberg – Ilsanker, Demme/Khedira – Keita, Kaiser – Werner, Poulsen
Zweite Halbzeit, andere Ausrichtung. Aus der Tempooffensive wurde eine, die geduldig Lücken suchen und bespielen kann. Ab dem Zeitpunkt wurde das Übergewicht erdrückend, da Leipzig von nun an sehr Ballsicher aber auch weiter aggressiv im Gegenpressing spielte. Schönes Beispiel: In der 60. Minute verliert Ilsanker den Ball an der Mittellinie, rennt zurück und grätscht den ballführenden Schotten an der Grundlinie ab. Für die Offensive fand Hasenhüttl eine ansprechende Idee: Keita auf die offensive Halbraumposition. Hinsichtlich des gesperrten Forsberg durchaus ein Fingerzeig. Keita wirkte im Spiel als wäre er nie weg gewesen. Stark präsentierte sich auch Rani Khedira, der als Abräumer viele Situationen bereinigte und sich zumindest als Alternative für den Kader anbot.
Keitaeske zweite Halbzeit und Upamecano-Debüt
Müller – Schmitz, Upamecano, Compper, Halstenberg – Keita, Khedira – Forsberg, Kaiser – Werner, Poulsen
61. Minute, erneute Wechsel. Forsberg rückt auf die Halbraumposition, Keita geht zurück auf die Sechs und Schmitz ersetzt Bernardo. Es dauerte keine zwei Minuten, da zeigte Forsberg gleich sein Können. Mit einem kurz angetippten Ball bedient er Halstenberg, der aus Nahdistanz am Gästeschlussmann scheiterte. Wieder zwei Minuten später machte Keita, was Keita halt so macht. Erst erobert er einen Ball, schüttelt dann einen Gegenspieler ab, sieht die Lücke und passt punktgenau auf den startenden Werner. Der bedient den in die Mitte gestarteten Poulsen, welcher nur noch einschieben musste. Das 3:0 war auch in der Höhe verdient. Vor lauter Euphorie ging ein wenig unter, dass Dayot Upamecano sich erstmals im Zentralstadion präsentierte. Und dabei hinterließ er durchaus einen guten Eindruck. Sowohl bei den Zweikämpfen als auch bei abgefangenen Pässen konnte Dayot schon zeigen, was möglich ist. Darüber hinaus durfte er in einigen Szenen auch sein tolles Spiel mit Ball vorführen. Zu diesem Zeitpunkt musste man fürchten, dass die Gäste komplett untergingen. Immer wieder das RB typische Spiel. Keita baut aus der Tiefe auf. Ballzirkulation, Spielverlagerung bis das Tempo plötzlich anzog und es schnell nach vorn ging.
Erster Schuss auf das Tor des einzig wahren Rasenballsports dann in der 73. Minute. Abstimmungsprobleme zwischen Compper und Neuzugang Upamecano. Den Schuss aus 20 Metern entschärft Müller ohne Probleme. Kurz darauf grätscht Khedira eine Eingabe im Strafraum ab, sonst hätte ein Ranger aus Nahdistanz abschließen können. Dieser Szene ging ein verlorener Zweikampf von Upamecano voraus.
Der Nachwuchs zeigt sich
Müller – Schmitz, Upamecano, Compper, Franke – Khedira, Keita/Gipson – Forsberg, Kaiser – Poulsen, Wojtkowski
Schön wenn sich auch einmal ein paar Nachwuchskicker zeigen dürfen. In einem Augenblick, in dem die Gäste schon längst geschlagen waren und sich die Ambitionen im Rahmen hielten, zeigte vor allem der junge Dominik Franke ein gutes Spiel. Eingeleitet – natürlich – durch Keita, der den Ball im eigenen Drittel bekommt, Doppelpass mit Forsberg, kurzer Antritt und schon ist er im gegnerischen Drittel. Ein kluger Pass auf Franke, der den Ball Richtung Fünfmeterraum passt, wo Poulsen aus dem Rückraum kommt und keine Mühe hat einzuschieben. Alles super, wäre da nicht die verletzungsbedingte Auswechslung von Keita. Hasenhüttl sagte nach dem Spiel, dass es eine reine Vorsichtsmaßnahme war. Gipson ersetzte Keita dann im defensiven Mittelfeld.
Fazit
Ein rundum verdienter Sieg. In der ersten Hälfte konnte die Mannschaft mit viel Tempo überzeugen und effektiv die Chancen verwerten. In der zweiten Halbzeit dominierte der einzig wahre Rasenballsport dann komplett die Partie. Keita wirkte besonders ab seiner Versetzung ins defensive Mittelfeld auf das Spiel ein. Die Gäste konnten zu keinem Zeitpunkt das Spiel in ihre Richtung lenken, dafür blieben die Hausherren zu dominant.
Die Mannschaft zeigt sich in Form für kommende Aufgaben. Und die wird gegen Frankfurt, Hoffenheim und Dortmund auch nötig sein, denn die Spiele werden schwer genug. Danach darf man gern einmal formulieren, was der finale Anspruch an den Rest der Saison ist.
"Comebacks"
Marvin Compper ist zurück und entspannt die Situation in der Defensive. In vielen Situationen wie gewohnt abgeklärt. Das Missverständnis mit Upamecano sei nach so kurzer Zeit verziehen. Ein weiteres Quasi-Comeback gab Stefan Ilsanker im defensiven Mittelfeld. Nach der Aushilfstätigkeit als Rechtsverteidiger und Innenverteidiger konnte der Österreicher wieder auf seiner liebsten Position ran und überzeugte mit einer starken Partie.
Neue Optionen
Damit hat Hasenhüttl nun einige Optionen, um sich eine Startelf zu bauen und so lässt sich natürlich auch trefflich darüber spekulieren. Eine Doppelsechs aus Demme/Ilsanker lässt es zu, einen Keita auf die offensive Halbraumposition zu setzen und so die Sperre von Forsberg zu kompensieren. Die Frage wäre dann, wer die andere Halbraumposition besetzt? Sabitzer oder Kaiser? Ganz persönlich glaube ich, dass wir die ersten fünf Minuten in der zweiten Hälfte die favorisierte Aufstellung (bis auf die Torwartposition) des Trainers für Frankfurt sahen. Bemerkenswert auch die gute Partie von Khedira und Franke, die zeigten, dass beide durchaus auch Alternativen sein können.
crank
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