VERFEHLTE NACHWUCHSPOLITIK

Leipzig - (31.01.2017) Millionenschwerer Aufwand, kein Ertrag – so lautet das ernüchternde Zwischenfazit der Arbeit des seit über fünf Jahren existierenden Nachwuchsleistungszentrums am Cottaweg. Eine Bestandsaufnahme.


„Der Halbfinaleinzug unserer U19 zeigt, wie erfolgreich hier in den vergangenen Jahren gearbeitet wurde. Die Mannschaft hat eine tolle Entwicklung genommen und sich als Aufsteiger bereits in der ersten Saison mit der Qualifikation für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft belohnt. (….)
Unsere U17 hat das Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft ebenfalls erreicht und damit sind wir aktuell der einzige Verein in Deutschland, der dort mit beiden Jahrgangsstufen vertreten ist.“
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Mit diesen Worten wurde Sportdirektor Ralf Rangnick im Juni 2015 zitiert. Es sollte der (bisherige) Höhepunkt der Nachwuchsarbeit von RB Leipzig sein. U17 und U19 schieden beide im Halbfinale aus.
Seitdem haben die Nachwuchsmannschaften noch bessere Rahmenbedingungen. 30 Mio. Euro wurden in Gebäude, Plätze und Infrastruktur in das Leistungszentrum am Cottaweg investiert, welches seit Herbst 2015 vollumfänglich nutzbar ist. Auch für die Verstärkung der Nachwuchsmannschaften wurde tief in die Tasche gegriffen: Teils sechsstellige Ablösesummen, Beraterhonorare und Monatsgehälter von einigen tausend Euro für die Topspieler im Nachwuchsbereich summieren die Ausgaben auf einige Millionen Euro. Pro Saison.
Die Entwicklung seit der Erfolgssaison 2014/15 ist im Nachwuchsbereich stattdessen rückläufig. Zum Saisonende 2015/16 belegte die U19 Platz 4 und die U17 Platz 2. Die Qualifikation zur Endrunde der Deutschen Meisterschaft wurde damit verpasst.
Zur Winterpause rangiert die U19 auf Platz 3 (29 Punkte aus 15 Spielen), bereits acht Punkte hinter dem Tabellenführer Hertha BSC Berlin. Die U17 belegt Platz 2 (34 Punkte aus 16 Spielen) und 14 Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Bremen. Auch diese Saison wird eine Endrundenteilnahme nicht erreicht werden.
Nun ist der mannschaftliche Erfolg nur ein Parameter erfolgreicher Nachwuchsarbeit. Ein anderer ist die Integration von Nachwuchsspielern in die erste Mannschaft. Doch auch hier gab es keine Erfolgsmeldungen. Im Gegenteil: Die, mittlerweile Ex-,U19-Nationalspieler Vitaly Janelt und Idrissa Touré wurden im Herbst auf Grund eines Fehlverhaltens bei einem DFB-Lehrgang und weiteren vorangegangen Vorfällen suspendiert und haben (Janelt - Bochum, Touré - Schalke) RB Leipzig verlassen. Auch U18-Nationalspieler Renat Dadashov wechselte nach internen Verstimmungen wieder zurück zur Frankfurter Eintracht.
Bei allen drei Spielern wird laut MZ die Persönlichkeitsentwicklung als Grund angeführt, dass sie den Sprung in die erste Mannschaft nicht schaffen werden. Allen drei gemeinsam ist, dass sie nicht aus Leipzig und Umgebung, sondern aus einer anderen Stadt mit Bundesligafußball (Janelt-Hamburg, Touré-Berlin, Dadashov-Frankfurt) nach Leipzig kamen. Dass diese Wechsel nicht nur auf Grund der guten Trainingsbedingungen (wie von den RB-Verantwortlichen immer wieder betont), sondern auch mit finanziellen Anreizen verbunden sind, ist selbstredend.
Der einzige Juniorenspieler, der in der Hinrunde realistische Chancen auf einen Bundesligaeinsatz hatte, war Dominik Franke. Viermal stand er auf Grund von Personalproblemen in der Abwehr (gleichzeitige Ausfälle von Klostermann, Gipson, Papadopoulus und Bernardo) im Kader. Franke wechselte übrigens 2011 vom SC Riesa nach Leipzig. Man könnte ketzerisch formulieren: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah.
Fakt ist: Ralf Rangnick hat richtige Weichen im Nachwuchsbereich gestellt und insbesondere die Vorzeigemannschaften U17 und U19 auf ein anderes Niveau gehoben, als er es im Sommer 2012 vorgefunden hat. Zur Erinnerung: Die U17 spielte zwar Bundesliga, hatte die Klasse in der Vorsaison aber mit Ach und Krach gehalten, die U19 steckte in der Regionalliga fest.
Fakt ist aber auch, dass dies mit einem enormen finanziellen Aufwand geschah/geschieht. Den Spielern, die im Internat am Cottaweg untergebracht sind, wird ein Rundum-Sorglos-Paket geboten (Verpflegung, schulische Betreuung, Wäscheservice). Top-Spieler bekommen zudem ein Monatsgehalt, was über dem Durchschnittsgehalt eines deutschen Angestellten liegt. In einigen Fällen verdienen also die fußballspielenden Kinder mehr als ihre Eltern.
In diesem Umfeld kann die oben angesprochene Persönlichkeitsentwicklung dann auch in eine Richtung gehen, die nicht leistungsfördernd ist – diese Entwicklung muss die Nachwuchsabteilung von RB Leipzig bewerten und gegensteuern. Manchmal ist weniger auch mehr. In diesem Sinne ist es gut, dass Ralf Rangnick seit Saisonbeginn keine Doppelfunktion als Trainer und Sportdirektor mehr ausübt und sich wieder vermehrt dem Nachwuchs widmen kann.
Mit dem Ausdünnen des Kaders für die angelaufene Rückrunde sind nun auch gute Voraussetzungen geschaffen worden, um Junioren an die Erste Mannschaft heranzuführen – beispielhaft dafür die Kadernominierung von Wojtkowski. Ob Rangnick sein selbstgestecktes Ziel – in diesem Jahr endlich einen Nachwuchspieler in den Kader zu überführen – erreichen wird, steht dennoch in den Sternen.
Roter Brauser
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