„SCHEISSEGAL, WO ES VIELLEICHT NOCH FUSSBALLSPIELER GIBT!“

Leipzig - (11.02.2018) Wie am 06. Februar offiziell verkündet wurde, verpflichtet RB Leipzig den 36-jährigen Paul Mitchell als "Head of Recruitment and Development" bis 2020. Wer ist der neue Chef in Fragen der Kaderentwicklung?


Zuletzt arbeitete Mitchell bis 2017 als „Head of Recruitment“ für Tottenham Hotspur. Dort schied er aus eigenen Wunsch aus. Nachfolger von Johannes Spors, der bis Dezember 2017 das Amt des Leiters der Scoutingabteilung von RB Leipzig bekleidete, wird Benjamin Ehresmann, der bereits 2013 als „Head Video Analyst for Scouting“ bei RB Leipzig aktiv war und zuletzt als „Head of Scouting“ beim Schwesterclub New York Red Bulls fungierte.
Rangnick ledert ab
Auf die völlig offen gestellte Frage der kreuzer-Sportredakteurin Britt Schlehahn an Ralf Rangnick und unseren Trainer Ralph Hasenhüttl: „Sie sind sie jetzt beide glücklich?“, folgte in der Pressekonferenz vor unserem Spiel in Gladbach ein fast schon denkwürdiger Auftritt unseres Sportdirektors. Bezugnehmend auf die langwierigen Verletzungen von Marcel Halstenberg und Emil Forsberg und die nicht vorhandene Möglichkeit, diese Ausfälle über die Rekrutierung aus dem eigenen Nachwuchses zu kompensieren, stellte er außerordentlich kritisch fest: „Wir müssen konstatieren, dass wir die schlechteste U19 haben der letzten sechs Jahre, seit ich hier bin!“ und, „dass keiner dieser Spieler infrage kam, beide auch nur annähernd zu ersetzen“. Im selben Atemzug kündigte er in aller Deutlichkeit an, wie er zukünftig gedenkt, diese Situation zu ändern: „Es wird bei uns in den nächsten Wochen und Monaten gravierende Veränderungen geben, auch in der Aufstellung des Scoutings, sowohl personell als auch strukturell. Und ich werde mich höchstpersönlich jetzt auch einbringen, wenn es um die Auswahl von 15-, 16-,17-jährigen geht, denn mit der Entwicklung können wir alle im Verein im Moment nicht zufrieden sein. Mir müssen jetzt einfach dafür sorgen, dass wir für die nächsten zwei/drei Jahre uns international, unseren Ansprüchen genügend, aufstellen.“ Für die kommenden Sommertransferperioden versprach er eindringlich und akzentuiert: „dass wir jeden Spieler auf der ganzen Welt kennen. Jeden in Deutschland, jeden in Europa und jeden egal wo: in China, Japan, Indien oder scheißegal wo es vielleicht noch Fußballspieler gibt, die wir bisher noch nicht kennen.“
Hilfe für den "Jack of all Trades"
Ich kann mich persönlich nicht erinnern, wann und ob überhaupt er jemals so klar und deutlich Probleme im Verein öffentlich angesprochen und insbesondere auch selbstkritisch analysiert hat. Wir kennen unseren Sportdirektor nun schon lange genug, um zu wissen, mit welcher Energie und Akribie er sich diesen Themen widmen, und dass er sich an den Ergebnissen messen lassen wird. Dennoch und bei allem Respekt vor seiner höchstprofessionellen Arbeit ist auch ein Rangnick niemals in der Lage, ein Projekt in diesen essentiellen Bereichen eines Vereins und solcher Dimension allein zu stemmen. Ein möglicher Erfolg hängt im entscheidenden Maße auch von der Qualifikation und den Möglichkeiten seiner Mitarbeiter ab. Denn herausragende Arbeitsergebnisse erzielt man nur, wenn im Hintergrund ebenso engagierte, verlässliche Experten arbeiten und ihnen die entsprechenden Mittel und Bedingungen zur Verfügung gestellt werden. Ein erster Schritt dahin erfolgte nun offensichtlich mit den Verpflichtungen von Paul Mitchell als „Head of Recruitment and Development“ und Benjamin Ehresmann, der die (seit Dezember letzten Jahres) vakante Stelle des Chefscouts übernimmt.
Der Fluch des schnellen Aufstiegs
Aber ein kurzer Sprung zurück in eine Zeit, die geprägt war von jahrelangem, erfolglosem Rumdümpeln in unteren Ligen, eingefahrenen Strukturen, oft wechselndem Personal und dem punktuellem Drehen an verschiedensten Stellschrauben ohne Masterplan für die Zukunft. Na, seid ehrlich, wer denkt gerade nicht an die Situation in Leipzig bevor Ralf Rangnick im Juni 2012 Sportdirektor bei uns wurde? Aber an dieser Stelle rede ich ausnahmsweise mal nicht über unseren geliebten RasenBallsport. Nein. Wir schreiben das Jahr 2010. Im April des Jahres wird ein gewisser Les Reed „Head of Football Development“ beim FC Southampton. Bei einem Club, der das erste Mal seit 50 Jahren in die dritte!!! englische Liga abgestiegen ist und nur noch wenig vom Glanz der früheren Jahre innehatte. Wie ein Rangnick bei uns damals, stellte er in seinen Verantwortungsbereichen: Jugendakademie, Scouting und Rekrutierung, Sportmedizin und Sportwissenschaft die vorhandenen Strukturen und Personal auf den Prüfstand. Southampton investierte zu jener Zeit stark in personelle und technische Ressourcen.
Nachdem der Klub bereits in der Saison 2010/11 wieder in die zweite Liga aufsteigen konnte, schafften sie direkt in der nächsten Saison den Sprung zurück in die Premier League. Die damalige Situation ist ein wenig mit unserer zu vergleichen. Genauso wie wir, erlebten sie binnen anderthalb Jahren einen rasanten Aufstieg in die höchste Spielklasse. Um den wachsenden Ansprüchen an die jeweils höhere Liga gerecht zu werden, lag der Fokus insbesondere auch darin, die Jugendakademie so zu entwickeln, dass junge Kicker auch zu Premier League-Spielern entwickelt werden konnten. Aber da Erfolg in der Regel auch Begehrlichkeiten bei anderen (größeren) Vereinen weckt, brauchte es mehr als eine exzellente Jugendakademie, um wechselwillige Spieler überhaupt adäquat ersetzen zu können. Daher bauten sie auch ihr Scouting-Netzwerk und die Transferabteilung neu auf. Die wohl wichtigste und entscheidende Verpflichtung gelang ihnen im Januar 2012 mit dem damals noch 30-jährigen Paul Mitchell als „Head of Recruitment“. Reed und Mitchell hatten u.a. das Ziel, 50% der Spieler der ersten Mannschaft aus der eigenen Jugend zu rekrutieren. Zweimal konnten sie das in der Premier League Saison 2013/14 in den Spielen gegen Crystal Palace und Sunderland sogar erreichen. [1] In der Startformation standen mit: Luke Shaw, Calum Chambers und James Ward-Prowse bspw. gleich drei 18-jährige aus der eigenen Jugend. Eine herausragende Leistung, wie ich finde.
Verletzungsbedingt zurückgetreten
Aber wer ist dieser Paul Mitchell? Der im Jahre 1981 geborene Engländer, begann seine professionelle Spielerkarriere im Jahre 1999 beim englischem Drittligaclub Wigan Athletic. Nach sechs Jahren verließ er den Verein kurz nach dem Aufstieg in die Premier League, in der er nur einen Einsatz gegen Leeds United zu verzeichnen hatte. Während dieser Zeit wurde er mehrmals ausgeliehen, bevor er 2005 zu den Milton Keynes Dons wechselte. Mitchell absolvierte dort über 70 Einsätze und war auch für kurze Zeit Kapitän. 2007 wurde seine Karriere im Alter von nur 27 Jahren aufgrund einer schweren Verletzung (er brach sich in einem Spiel Unterschenkel und Knöchel) jäh beendet. Zwei Jahre später verkündete er offiziell seinen Rücktritt, bekam aber aufgrund seiner Qualitäten auf und neben dem Platz eine Anstellung vorerst als Botschafter des Vereins und später als Leiter der Scouting und Transferabteilung sowie Trainer des Reserveteams. [2]
Ein entscheidender nächster Schritt in seiner Karriere war die bereits angesprochene Anstellung bei den Saints, dem FC Southampton von 2012-2014. Danach folgte er dem argentinischem Erfolgstrainer Mauricio Pochettino, mit dem er 2013/14 in Southampton zusammenarbeitete, nach London zu den Spurs. Dort schied er 2017 offiziell auf eigenen Wunsch aus. Englischen Medienberichten zufolge, soll er hingegen nicht mit der restriktiven Transferpolitik des Spurs-Vorstands Daniel Levy einverstanden gewesen und deswegen mehrmals mit dem Boss aneinandergeraten sein. Offensichtlich hat Levy immer eine aktive Rolle bei Transfers eingenommen. Aber insbesondere seine kompromisslose Haltung in Ablöseverhandlungen und Gehaltsstruktur des Clubs soll es schwierig gemacht haben, mit ihn zu arbeiten und erfolgreiche Geschäfte mit anderen Vereinen abzuschließen. [3] Mitchell selbst bestreitet diese Berichte.
Schlüsselfigur in Southampton
In seiner Zeit in Southampton erlangte er hohes Ansehen und wurde zu einem der gefragtesten Männer im englischen Fußball. Und die Tottenham Hotspurs glaubten 2014 nicht ohne Grund, dass sein Wechsel eine der wichtigsten Neuverpflichtungen der jüngeren Vereinsgeschichte darstellte. [4]
Aber wie schaffte er das bzw. woher kam dieses außerordentliche Renommee?
Der Gesamterfolg eines Vereins ist natürlich immer abhängig von seinen finanziellen Möglichkeiten, seinen Strukturen und insbesondere den handelnden Personen und kann i.d.R. nicht nur einer Person zugeordnet werden. Aber wie beim Fußball gibt es Schlüsselspieler, die das Geschehen in eine entscheidende Richtung führen können und damit essentiell für Erfolg aber auch Misserfolg sind. So eine Schlüsselperson ist natürlich Ralf Rangnick für RB Leipzig. Aber so ein Key-Player war auch Mitchell für den FC Southampton.
Erfolg bemisst sich generell natürlich immer am besten quantitativ. D.h. anhand von Zahlen, Daten und Fakten. Gerade bei einem „Head of Recruitment“ kann man die Summe seiner Arbeit am besten an der Schaffung von Transferwerten von neuen Spielern, Tabellenpositionen oder an den Einsatzzeiten von eigenen oder geholten Jugendspielern in der 1. Mannschaft festmachen. Wenn man sich bspw. nur die Transferwertentwicklungen der Spieler anschaut, mit denen Mitchell an seinen Stationen direkt transferverantwortlich in Verbindung gebracht wird, eröffnet sich monetär betrachtet natürlich ein herausragendes Ergebnis:
Southampton (2012-2014, lt. Transfermarkt.de)
Tottenham (2014-2017, lt. Transfermarkt.de)
Hierzu muss man aber noch ergänzend erwähnen, dass das Interesse der Spurs an Dele Alli, der aktuell einer der begehrtesten Mittelfeldspieler der Welt ist, schon vor seinem Amtsantritt bestand.
Was aber die wenigsten wissen, dass Mitchell schon im Sommer 2014 den niederländischen Abwehrspieler Virgil van Dijk von Celtic Glasgow für 8 Mio. Pfund nach Southampton holen und 2015 nach Tottenham transferieren wollte. Leider scheiterte der Versuch 2014, 2015 stimmten die Schotten dem Transfer nach Southampton, statt Tottenham zu. Bekanntermaßen wechselte der Niederländer in diesem Wintertransferfenster für 78 Mio. € nach Liverpool und wurde damit der bisher teuerste Abwehrspieler aller Zeiten.
Auch die Tabellenplatzierungen der jeweiligen Vereine während seiner Anstellung sprechen eine eindeutige Sprache:
Zu guter Letzt und wie schon erwähnt, zeigen auch die Debüteinsätze von Jugendspielern in der ersten Mannschaft eine herausragende Entwicklung im Nachwuchs:
Schwieriger zu bewerten sind hingegen die Qualität und die Besonderheit seiner Arbeit im Einzelnen, die sich zwar letztendlich in Transferwerten und im Vereinserfolg äußern, aber häufig nicht einfach mit Zahlen quantitativ beschreiben lassen.
Der Zauber der „Black-Box“
Die entscheidenden Qualitäten eines Scouts bzw. Recruiters sind neben seinen Analysefähigkeiten, die Erfahrung und insbesondere seine Kontakte und Vernetzung auf nationaler und internationaler Ebene. Letzteres ist gerade in jungen Jahren schwierig. Verständlicherweise wurde Mitchell daher anfänglich nicht wegen seines üppigen und weltweit aufgestellten Netzwerkes (gefüllt mit Agenten und Clubmanagern) verpflichtet, sondern wegen seiner herausragenden Fähigkeit, Fußballspieler zu analysieren.
In Southampton ermöglichte man ihm, neue Strukturen zu schaffen und eine ganz neue Abteilung nach seinen Vorstellungen aufzubauen. Mit seiner ganzen Abteilung konnte er sich nun auf seine außergewöhnlichen Analysefähigkeiten konzentrieren und neue Methoden und Konzepte entwickeln, um diese weiter auszubauen und zu verfeinern. Zentraler Bestandteil des neuen Fußball-Entwicklungszentrums des Klubs war ein großer offener Raum, indem gleichzeitig auf mehreren Bildschirmen verschiedene ausgewählte Fußballspiele liefen, die den ganzen Tag von Mitarbeitern beobachtet wurden. In einem anderen Teil des Raumes befand sich die Zentrale für ein Team aus verschiedenen Scouts, die gezielt losgeschickt wurden, um potenzielle Fußballer ab einem Alter von fünf Jahren zu identifizieren.
Aber der weitaus interessanteste Teil der Abteilung und ein großer Garant für den Erfolg im Verein war jedoch die so genannte „Black-Box“. Die „Black-Box“ war ein kleines Zimmer mit einem Telefon, einem Schreibtisch und einer Reihe von Stühlen, die vor einem riesigen Bildschirm standen. Mit nur wenigen Klicks waren Mitchell und sein Team mittels einer vom Verein eigens entwickelten Computersoftware in der Lage, jeden Spieler oder jedes Team irgendwo auf der Welt zu beobachten. In dieser Echtzeit-Datenbank, die von mehreren Analytikern betrieben wurde, waren alle verfügbaren Informationen wie: Videoclips, Performance- und Statistikdaten sowie Informationen über den Charakter, die Persönlichkeit und die Verletzungshistorie eines Spielers jeder großen Liga gepflegt. Wenn ein bestimmter Bedarf und bestimmte Spielstile auf einer Position in der Mannschaft mit den Trainern und Verantwortlichen diskutiert und formuliert wurde, waren Reed und Mitchell sofort in der Lage mögliche Optionen zu präsentieren.
Reed sagte dazu in einem Interview: "Performance data allows us to say technically if he is what we are looking for. Physical information is not just high-intensity sprints. It is whether they are in high-level competition, how they hold the ball up, what the first touch is like." [5]
Sinngemäß übersetzt: „Leistungsdaten erlauben es uns, technisch zu sagen, ob der Spieler das ist, wonach wir suchen. Solche physischen Informationen beinhalten nicht nur hochintensive Sprints. Sie beinhalten eben auch, ob die Spieler in einem hochklassigen Wettkampf stehen, wie sie den Ball halten und wie die erste Ballberührung aussieht.
Sie waren so beispielsweise schon im Abwerbeversuch eines eigenen Spielers durch andere Vereine in der Lage einzuschätzen, ob es adäquaten oder sogar noch besseren Ersatz gab, den sie selbst verpflichten konnten. Beispielsweise basierte die Entscheidung, das Eigengewächs Calum Chambers an Arsenal im Sommer 2016 für 20 Mio. Euro zu verkaufen, auf der Einschätzung, dass sie bereits einen besseren Rechtsverteidiger in Nathaniel Clyne in Aussicht hatten. [6]
Die 'Black-Box' wurde jedoch nicht nur zur Identifizierung von Spielern verwendet, sondern auch zur Analyse der eigenen Mannschaft und zukünftiger Gegner. So enthielt die Datenbank auch Aufzeichnungen und Daten von eigenen Spielern in jeder Altersstufe, die alle sechs Wochen spielerbezogen auf Zielerreichung überprüft worden sind.
Kurz bevor er den Verein 2014 verließ, sagte Mitchell: “Unless people have got a real black box underground, I've never heard of a training facility having something like that - having something designed and bespoke with that ability to deliver.It's not just recruitment. That's where the theory started, but I've seen the power of that room, to sit with Fraser Forster [der damalige Torhüter] when Dave Watson [der Torwarttrainer] is going through the pre- and the post-match with him or to even deliver to a young player we potentially want to sign into the academy and have him sat there with mum and dad and go through a visual presentation to say why he should choose Southampton. It's just a very powerful platform."[7]
Sinngemäß übersetzt: „Sofern Leute nicht eine echte Blackbox unter der Erde haben, habe ich noch nie von einer Trainingseinrichtung wie dieser gehört - die so entworfen und maßgeschneidert ist und so eine Aussagefähigkeit besitzt. Es ist nicht nur Rekrutierung. Es ist dort, wo die Theorie beginnt. Und ich habe die Kraft dieses Raumes gesehen, während ich mit Fraser Forster [der damalige Torhüter] und mit Dave Watson [der damalige Torwarttrainer] zusammensaß, um die Spielvor- und Nachbereitung durchzugehen oder als ich einen jungen Spieler, den wir vielleicht für unsere Akademie verpflichten wollten, mit Mama und Papa dort hineinsetzte, um allen mithilfe einer visuellen Präsentation zu erklären, warum sie Southampton wählen sollten. Es ist einfach eine sehr starke Plattform.“'
Forensische Akribie
Seine Methode basierte darauf, seine gesamten Fähigkeiten auf die spezifischen Bedürfnisse und Anforderungen des Vereins abzustimmen, um dann mit fast forensischer Detailschärfe die Hintergründe und die Leistungen vorhandener oder möglicher Spieler zu analysieren. Dabei wurden nicht nur die speziellen Fähigkeiten eines Spielers betrachtet, sondern insbesondere auch die wesentlichen Charakterzüge und das Verhalten im Alltag. Das Ganze natürlich immer unter der Betrachtung eines sinnvollen Kosten-Nutzen-Verhältnisses.
In einem Interview sagte Mitchell damals: "Part of the philosophy and the theory is to not waste time on things that are unachievable. What can we achieve? How can we achieve it? How can we be more efficient? Then how can we analyse that to make it even better the next window or the next time we debrief it, and constantly just keep evolving and challenging ourselves every day. That's the key.”
"It's not proven science, but I think our philosophy and theory was always risk management. Let's try to offset as much of the risk as possible to make the best acquisition. You have a responsibility to your owner that invests a hell of a lot of money to work as hard as you possibly can to make the best acquisition for the football club, and that's what we're trying to do. We're investing in the processes and the strategies." [8]
Sinngemäß übersetzt: „Teil der Philosophie und der Theorie ist es, keine Zeit mit Dingen zu verschwenden, die unerreichbar sind. Was können wir erreichen? Wie können wir es erreichen? Wie können wir effizienter sein? Anschließend, wie können wir das dann analysieren, um es im nächsten (Transfer)Fenster oder das nächste Mal noch besser zu machen, wenn wir es nachbesprechen, und uns ständig weiterentwickeln und uns täglich herausfordern. Das ist der Schlüssel“.
„Es ist keine bewiesene Wissenschaft, aber ich denke, unsere Philosophie und Theorie war immer Risikomanagement. Lasst uns versuchen, so viel wie möglich von dem Risiko auszugleichen, um den besten Transfer zu machen. Man hat eine Verantwortung gegenüber dem Vereinsinhaber, der eine Menge Geld investiert. Daher versuchen wir so hart wie möglich zu arbeiten, um den besten Transfer für den Fußballclub zu machen. Wir investieren in die Prozesse und Strategien.“
Die geschilderten Einblicke und seine Aussagen geben aus meiner Sicht einen guten Eindruck seiner Denk- und Arbeitsweise. Zudem geben sie auch erste Hinweise auf seine Persönlichkeit. Und sind es nicht genau diese Merkmale, Worte und akribischen, ehrgeizigen Wesenszüge, die wir in ähnlicher Weise auch schon von unserem Sportdirektor gehört bzw. erlebt haben? Und sind die beschriebenen Möglichkeiten und Instrumente nicht auch genau die, die unser Sportdirektor sehnlichst in der oben angesprochenen und zitierten Pressekonferenz vermisste, um in Notfallsituationen vorbereitet zu sein, immer einen Plan B oder gar C zu haben und, wie er etwas umgangssprachlich und pathetisch, dafür aber umso deutlicher seinen zukünftigen Anspruch formulierte: Jeden Spieler, scheißegal wo, zu kennen?
Der richtige Mann zur rechten Zeit?
Wie in der Pressekonferenz zur öffentlichen Bekanntgabe der Verpflichtungen noch einmal deutlich wurde, hat Rangnick seit der ersten Begegnung im August 2014 noch als vereinsübergreifender Sportdirektor in Salzburger Zeiten bei der Transferverhandlung mit den Saints um Sadio Mané, nie den Kontakt zu Paul Mitchell verloren. So sollen sie sich laut eigenen Angaben seit 3,5 Jahren immer wieder einmal im Austausch und Diskussion befunden haben. Beide kennen sich offensichtlich mittlerweile sehr gut und wissen insbesondere die Stärken und historischen Leistungen des Gegenübers sehr gut einzuschätzen bzw. einzuordnen. Es ist nur konsequent und verwundert letztendlich nicht, dass Rangnick für Paul Mitchell eine bisher nicht vorhandene Stelle des „Head of Recruitment und Development“ im Verein neu installiert und ihn nicht, für viele überraschend, für die Stelle des Chefscouts vorgesehen hat. Sondern diese Scouting-Stelle zukünftig eher Benjamin Ehresmann, der ebenfalls neu verpflichtet (bzw. in neuer Position zurückgeholt) worden ist, zuordnet. M.E. ebnet er ihm den Weg und eröffnet ihm somit alle Möglichkeiten seine ganz eigene, bewährte und in vielen Punkten mit dem Verein deckungsgleiche Philosophie und Strategie in Leipzig fortzuführen und weiterzuentwickeln. Denn wie beschrieben, nimmt Mitchell genau die Position ein, die er in all seinen Stationen bereits inne und außerordentlich erfolgreich aus- und mit Leben gefüllt hatte.
Bei allem Respekt vor dem Job des Chefscouts. Paul Mitchell ist mehr als das. Trotz seines noch jungen Alters ist er ein höchst akribischer, ehrgeiziger Analyst, innovativer Ideengeber, nie stillstehender, höchstprofessioneller, außerordentlich erfolgreicher und mittlerweile sehr erfahrener und weltweit vernetzter, international hochangesehener Recruiting- und Entwicklungsexperte im Fußball, welchen er liebt und lebt. Ganz im Sinne eines schnittstellenübergreifenden Prozessmanagers hinterfragte und, wenn nötig, durchbrach er bereits vorhandene, alte Methoden an seinen jeweiligen Wirkungsstätten und entwickelte und installierte erfolgreich neue, innovative Strukturen auf Basis seiner Philosophien und Strategien. Seine außerordentliche Stärke besteht insbesondere darin, den Verantwortlichen (wie Trainern, Sportdirektor etc.) im Verein genau zuzuhören, um die aktuelle Situation zu analysieren und zukünftige Zielvorgaben und Bedürfnisse zu erkennen. Zielgerichtet, detailreich und immer in Absprache stürzt er sich dann in seine Arbeit, um die passenden Spieler für die jeweiligen Aufgaben und Positionen zu finden oder bei außerordentlichen Situationen, die er immer auch als Chance begreift, in der Hinterhand zu haben. Er ist in der Lage, den Entscheidern ein größtmögliches Maß an Informationen zur Verfügung zu stellen, um das Risiko eines Transfers, der immer nur ein Versprechen in die Zukunft darstellt, bestmöglich zu minimieren und die Chancen auf Erfolg zu erhöhen. Dabei zielt er aber nicht nur auf externe Lösungen, sondern versucht auch immer, Ressourcen zu nutzen. Wie kein zweiter ist er in der Lage, die Potentiale bereits vorhandener Spieler im Verein zu erkennen und sie maximal zu entwickeln.
Wenn man die Aussagen von Rangnicks Brandrede zusammenfasst, kann man drei grundlegende Zielvorgaben formulieren:
(1) Es geht zukünftig darum, mit allen möglichen vorhandenen Informationen, strukturellen Verbesserungen in allen Bereichen und der Anwendung neuer Best-Practise-Methoden und -Instrumenten, passende Talente zu finden.
(2) Talente, nationaler aber in besonderem Maße auch internationaler Natur, zu identifizieren, um in Notsituationen (bspw. bei Verletzungen) und in Transferperioden optimal auf die spielerischen sowie taktischen Bedürfnisse der Mannschaften des Vereins vorbereitet zu sein (auch im Hinblick auf die monetären Voraussetzungen).
(3) Dabei soll der Fokus auch auf die Entwicklung und Analyse bereits vorhandener Spieler, insbesondere auch eigener Jugendspieler liegen.
... Meine Stimme hat er!
Wir sprechen also von Zielen, die Paul Mitchell bereits mehrmals in seiner Karriere mit herausragenden Ergebnissen erfüllte. Aus meiner Sicht gibt es aktuell keinen geeigneteren Kandidaten, der die an ihn gestellten Aufgaben in Leipzig besser oder erfolgreicher erfüllen könnte. Er ist durch seine Fähigkeiten und seine Sichtweisen quasi prädestiniert für eine Anstellung bei RasenBallsport Leipzig. Auch menschlich scheint es zwischen ihm und Rangnick zu passen. Die ähnlichen Aussagen, Vorstellungen und Arbeitsweisen lassen auf ein vergleichbares Fußballverständnis und ähnliche Wellenlängen schließen. Daher gibt es für mich überhaupt keinen Zweifel daran, dass er in den nächsten zwei Jahren nicht ähnlich erfolgreich sein kann, wie zuvor. Es wird insbesondere interessant sein, zu beobachten, ob er es schafft, den Wegfall der schmerzlich vermissten U23 zu kompensieren und über die U19 junge Spieler im Alter von 17 und 18 Jahren an das Profiteam heranzuführen. In Southampton hat er es mit herausragenden Ergebnissen vollbracht. Wir dürfen gespannt sein.
Mit Sicherheit dürfen wir uns aber schon jetzt darauf einstellen, dass es weitere fundamentale Änderungen (besonders aus prozessualer Sicht) im Verein in den nächsten Wochen und Monaten und noch spannendere Transferperioden geben wird. Der erste und wichtigste Schritt ist mit den Verpflichtungen bereits getan. Ich wünsche mir natürlich größtmöglichen Erfolg. Aber zu hoffen ist, dass wir Southampton in Zukunft nicht als „Farmteam“ von Liverpool ablösen und Naby Keita auf absehbare Zeit der einzige Wechsel eines Schlüsselspielers dorthin bleibt.
Was sagte Tottenham-Trainer Mauricio Pochettino noch gleich im August 2016? “I’m very disappointed by head of recruitment Paul Mitchell’s decision to leave the club. Did I try to persuade Mitchell to stay? I think it's obvious that happened.” [9]
Übersetzt: „Ich bin sehr enttäuscht über die Entscheidung Paul Mitchells, den Verein zu verlassen. Ob ich versucht habe, ihn zu überzeugen? Ich denke, es ist offensichtlich, dass das passiert ist!“
Um nun auch selbst die eingangs gestellte Frage nach dem persönlichen Glück in der Pressekonferenz zu beantworten: „Ich bin auch glücklich. Glücklich darüber, ihn bei uns begrüßen zu dürfen!“ Daher: „Welcome, Paul Mitchell! Enjoy your stay with us!”
Justgroovy
Permalink:
https://www.rb-fans.de/artikel/20180211-transfer-paul-mitchell.html
- Benjamin Ehresmann
- Black Box
- Chefscout
- Head of Recruitment
- Management
- Paul Mitchell
- Ralf Rangnick
- Scouting
- Transfer
- Transfers
- Vereinsführung