"ICH KANN AUCH BEI BALLBESITZ MEINE STÄRKEN EINBRINGEN!"

Leipzig - (18.02.2019) Dabei seit Liga 3! Demme verkörpert gemeinsam mit Poulsen am ehesten den Aufstieg RBLs durch die Klassen. Das personifizierte Laufwunder genießt bei den Fans hohes Ansehen. Wir haben mit Diego Demme über Ziele, Freunde, Nationalelf und Gänsehautmomente gesprochen.


Du bist in der Bielefelder Jugend groß geworden – wie schwer war der Sprung aus dem Juniorenbereich zu den Profis und gibt es etwas, was du den Jungs am Cottaweg mit auf den Weg geben würdest?
Im Fußball ist es so, dass es nicht viele schaffen. Zumindest nicht in der eigenen Mannschaft von der Jugend bis zu den Profis, wie ich es beispielsweise in Bielefeld geschafft habe. Aber ich glaube, dass dies immer möglich ist, gerade weil heutzutage immer Wert auf die Jugend gelegt wird. Heutzutage werden die Spieler immer schneller in den Profikader geholt, teilweise schon mit 17/18 Jahren.
Den Jungs am Cottaweg kann ich nur sagen, dass sie ehrgeizig bleiben sollen, immer ihren Traum verfolgen und dabei auch Freude an der Sache haben sollen. Letzterer ist im Fußball besonders wichtig. Der Spaß und der eigene Wille etwas zu erreichen müssen im Vordergrund stehen.
Würdest du einem der aktuellen Junioren diesen Durchbruch zutrauen. Ihr trainiert und spielt ja teilweise zusammen. Wenn ja, wem?
Niclas Stierlin und Erik Majetschak sind ja schon bei uns im Training. Beide hatten ja bereits Einsätze in der Europa League. Die beiden machen das gut und ich glaube, dass sie langfristig auch eine gute Rolle spielen können.
Viele Spieler sehen RBL auch als Sprungbrett; haben ihren sportlichen Weg im Kopf. Was sind deine Ziele? CL? Ausland?
Erstmal möchte ich die Saison so gut wie möglich abschließen, ich lebe im Hier und Jetzt. Ich fühle mich nach wie vor sehr wohl bei dem Verein. Irgendwann einmal möchte ich auch noch einmal eine Auslandserfahrung machen, sei es Italien, Spanien oder England. Ich möchte gerne in meiner Karriere nochmal ein anderes Land kennenlernen.
Ein langer Weg. Seit Liga 3 dabei! Demme ist wie Poulsen ein Mohikaner im Team.
Wie war das zu Beginn deiner Karriere?
Damals war die Bundesliga immer mein Ziel. Aber ich werde ja auch älter, kann noch bis ca. 34 auf dem Niveau spielen, denke ich. Das Ende ist zwar noch nicht in Sicht, aber der Traum ins Ausland zu gehen, ist für die Zukunft auf jeden Fall da.
Aus Niederlagen lernt man bekanntlich. Wie wichtig war die gegen Salzburg im Hinspiel für die bisherige Saison?
Nach dem Spiel haben wir uns alle zusammengesetzt und uns geschworen, dass es mit dieser Einstellung nicht gehen kann. Auch fußballerisch war es ein schlechtes Spiel. Besonders problematisch aber war es von der Einstellung her und von den Nebenerscheinungen, die in den Wochen davor neben dem Platz passiert waren. Seitdem sind wir, was die Disziplin und den Zusammenhalt im Team anbelangt gut in der Spur.
Was wäre wohl gewesen, wenn wir knapp gegen Salzburg gewonnen hätten? Friede, Freude, Eierkuchen? Würde RBL da aktuell auch so gut in der Bundesliga stehen?
Das kann man schwer sagen. Ich glaube, dass wir in der ersten Bundesliga-Saison diesen „Hallo wach“-Effekt im positiven Sinne beim Heimsieg gegen Dortmund hatten. Diese Saison dann im negativen Sinne, aber es war gut und wichtig, dass wir uns damals zusammengesetzt haben und geklärt haben, wie es eben nicht geht, und dass wir in Sachen Disziplin eine Sprache sprechen müssen.
Früher fragte man oft, ob die Spieler die Berichte in den Zeitungen über sie lesen würden, heute gibt es viele Informationsquellen. Liest du da auch ab und an mit. Wenn ja wo und wenn nein, warum nicht?
Eigentlich eher weniger. Aber ich komme nicht ganz Drumherum, denn mein Papa liest so ziemlich alles, hat einen Google Alert für meinen Namen eingestellt und schickt mir dann auch mal etwas, gerade wenn es positiv oder cool ist und dann lese ich das natürlich schon.
Sprachrohr neben und auf dem Feld. Oft gilt: No Demme – no party!
Gibt es da Spieler im Team, die sagen wir mal etwas „medienaffiner“ sind?
Das kann ich nicht sagen, ob da jetzt irgendwer daheim ständig seinen Namen googelt. *lacht* Aber ich bin ja auch bei Instagram und gebe da ab und an auch etwas preis, nicht zuletzt für die Fans.
Wie sieht es beispielsweise mit Podcasts oder der Bloggerszene rund um den Rasenballsport aus?
Podcasts habe ich noch nie gemacht bzw. gehört. Dafür bin ich nicht so der Typ. Den rotebrauseblogger kenne ich natürlich.
Im Portal Transfermarkt wird dein Marktwert mit 13 Millionen beziffert, dein Wert für die RBL Spielanlage wird oft unterschätzt. Juckt es dich, dass du selten in der Kicker Elf oder ähnlichen Auflistungen landest?
Eigentlich nicht. Ich habe ja schon oft in Interviews gesagt. Wichtiger ist mir das Standing im Verein und bei meinen Mitspielern und hier bekomme ich Woche für Woche das Vertrauen ausgesprochen und bin in der Startelf. Eine bessere Anerkennung gibt es für mich nicht.
In der Nationalmannschaft bist du im erweiterten Kreis. Einen echten festen Sechser, der ähnliche Anlagen hätte wie du, gibt es aber nicht. Glaubst du noch an eine Nationalmannschaftskarriere. Ist das ein Ziel, da nochmal Anlauf zu nehmen?
Aktuell liegt mein hauptsächliches Augenmerk auf dem Verein. Aber wenn ich durch konstant gute Leistungen nochmal in den Fokus rücken würde und eine Einladung bekomme, würde ich das natürlich auch gerne machen. Auf jeden Fall! Wenn es aber nicht so ist, bricht auch keine Welt zusammen. Ich habe ein Spiel gemacht, für weitere hat es wegen der Verletzung bisher nicht gereicht. Wenn mein Spielertyp aktuell vielleicht weniger gefragt ist, mache ich mir keine Platte und sitze daheim und frage mich, warum ich nicht eingeladen wurde.
Löw hat keinen Bedarf? Wir meinen: Demme wäre ideal, um Kroos den Rücken freizuhalten.
Kann das vielleicht auch an der Spielweise unter Jogi Löw liegen? Ballbesitz contra RBL-Balljagd?
Kann sein, durchaus möglich, dass er meinen Spielertyp in seinen Plänen derzeit nicht benötigt. Aber ich habe auch keine schlechte Technik, kann durchaus auch bei Ballbesitz meine Stärken einbringen.
Wir hatten das mal diskutiert. Du neben Toni Kroos, der ideale Bodyguard!
Wenn ihr das sagt. *lacht*
In über 300 Spielen hast du bisher nur einmal einen Platzverweis kassiert. Andere ZMs bei RBL hatten da schon andere Erfahrungen. Was ist dein Geheimnis?
Schwer zu sagen. Meine Mitspieler meinen immer, weil ich so klein bin, bekomme ich weniger Karten. Es sieht einfach nicht so krass im Zweikampf aus. Die rote Karte seinerzeit mit Paderborn in Aue hat mich auch geprägt. Damals war ich sehr temperamentvoll, das bin ich zwar immer noch, habe mich nun auf dem Platz aber unter Kontrolle und revanchiere mich nicht für Fouls. Wenn ich bereits eine gelbe Karte habe, versuche ich die Zweikämpfe geschickter und umsichtiger anzugehen.
Bei RB-Fans.de wurdest du in den letzten Jahren mehrfach zum Spieler der Saison bzw. der Halbserie gewählt. Bei solchen Umfragen darf dein Name, als personifiziertes Laufwunder nicht fehlen. Wie fühlt es sich an trotz Mitspieler der Marke Keita, Forsberg oder Werner so ein Standing bei den Fans zu haben?
Natürlich freut es mich, wenn die Fans wahrnehmen, was ich jedes Spiel leiste. Wie viel ich laufe und wie viele Zweikämpfe ich bestreite. Es ist eine schöne Rückmeldung, wenn das von den Fans honoriert wird.
Tyler Adams ist ein Kicker der deinem Profil recht nahe kommt. Du scheinst dich mit ihm sehr gut zu verstehen. Was könnt ihr beide voneinander lernen und wie findest du den US-Boy?
Ein sehr sympathischer Typ. Er hat sich von Tag Eins sehr gut integriert, gerade durch sein Englisch fiel auch die Kommunikation leicht. Auch auf dem Platz hat er gleich Gas gegeben und in den Spielen, die er absolviert hat auch gleich unter Beweis gestellt, dass er das Zeug für die Bundesliga hat.
Wir sind uns sehr ähnlich aber man kann sich glaube ich immer Kleinigkeiten voneinander mitnehmen.
Letzten Endes war es aber in dieser Saison mein Ziel, mir etwas von weiter vorn abzuschauen. Wie man in die Box reinläuft und vielleicht auch mal das ein oder andere Tor macht. So viele Tore wie Timo oder Yussi werde ich logischerweise sicher nie machen, ich nehme es mir zwar immer vor, torgefährlicher zu werden, aber es soll halt nicht sein.
Der süße Schmerz des Toreschießens, Diegos Treffer und der Kollateralschaden.
Ist vielleicht auch in Hinblick auf die Zähne besser?
*lacht* Genau – aber wenn wir gewinnen, bin ich trotzdem immer sehr zufrieden.
Trainingsbeobachtern fällt auf, dass du sehr viel mit den Neuzugängen redest. Wie ist da die Kommunikation? Ist das deine Stärke?
Ich finde es cool, dass es bei uns so viele verschiedene Kulturen im Team gibt. In dieser Saison habe ich viel mit Matheus und Celo gemacht – Südamerikanische Abende mit Asado-Grill usw. Durch mein Italienisch konnte ich beide ein wenig integrieren, weil Matheus auch Italienisch spricht und Spanisch letztlich ähnlich ist. Ich finde es jedenfalls sehr schön neue Kulturen kennenzulernen und zu erfahren, wie die Leute so ticken.
Bist du da quasi der neue Compper im Team?
Ich glaube Marvin war da schon noch etwas begabter in den Sprachen.
Nagelsmann wird dein fünfter Trainer im RBL Dress. Was erwartest du von ihm?
Bis jetzt habe ich von allen Spielern, die unter ihm trainiert haben nur Positives gehört. Es kommt m.E. ein sehr ehrgeiziger Trainer, der auch noch etwas mehr Wert auf Ballbesitz legt. Er ist sicher jemand, auf den wir uns freuen können.
Wenn du wählen könntest: DFB-Pokalsieger diese Saison oder Meister nächste Saison?
Da würde ich eher nächstes Jahr Meister nehmen.
Pippi in den Augen – das erste Mal die Champions League Hymne live als Spieler.
Dein schönstes Erlebnis im RBL Dress?
Der schönste Moment war das erste Spiel in der Champions League. Wo man auf dem Platz stand und die Hymne kam. Ein Augenblick, den man als Kind quasi jedes Mal live verfolgt hat und nun steht man da selbst. Schon damals hatte ich etwas Gänsehaut und gegen Monaco, da hatte ich schon ein paar Tränen in den Augen.
Dein schönstes Erlebnis mit den Fans?
Das war der Aufstieg in die erste Liga. Der Autokorso durch die ganze Stadt, der volle Marktplatz, die Fans in Massen um uns herum. Das war ein richtig geiler Tag!
Große Emotionen auf dem Marktplatz.
Was sind deine Top-3 Lieblingsorte in Leipzig?
Ich bin jetzt umgezogen, da muss ich kurz überlegen. *lacht* Der Cossi auf jeden Fall. Dan mein Lieblingsrestaurant in Markkleeberg die Hostaria da Marcello und die Karl Heine Straße – zum Kaffeetrinken und Chillen.
Du bist oft in Leipzig unterwegs – wirst du aktuell häufiger angesprochen oder kannst du dich noch ganz normal bewegen? Was wirst du am häufigsten gefragt?
Deswegen bin ich umgezogen. *lacht* Nein. Die Leute sind hier in Leipzig sehr freundlich. Sie fragen mal nett nach einem Foto und da macht man natürlich den Kindern und Fans auch gern mal eine Freude. Aber sonst ist das alles sehr entspannt hier.
Was wirst du in Interviews eigentlich am häufigsten gefragt?
Ich glaube die Frage woher mein Name stammt, ist glaube ich am häufigsten. Die gefolgt von der, warum ich erst ein Tor gemacht habe.
Welchen ehemaligen Mitspieler vermisst du am meisten?
Joshua Kimmich vermisse ich glaube ich am meisten. Wir haben fast jeden Tag etwas zusammen nach dem Training gemacht. Wir waren jetzt auch mal wieder zusammen im Urlaub. Auf dem Platz vermisse ich ihn natürlich auch, weil er einfach ein super Fußballer ist. Privat unterhalten wir uns wenig über Fußball, er ist einfach ein sehr entspannter und netter Mensch.
Ziemlich beste Freunde – Kimmich & Demme.
Du hast kürzlich geheiratet und bist umgezogen, wie ist das Leben als Ehemann?
Noch hat sich nicht viel geändert. Alles gut, ich habe noch meine Freiräume.
Aktuell ist ja Kinderschwemme im RBL Kader – gibt es auch bei dir Planungen abseits des Platzes?
Noch nichts im Anmarsch. Wir wollen uns da noch etwas Zeit lassen So ein, zwei Jahre noch.
Habt ihr von den Ereignissen rund ums Frankfurtspiel in der Mannschaft etwas mitbekommen?
Haben wir von gehört. Aber insgesamt bekommen wir da wenig mit. Es gab zwar beim Dortmundspiel ein kleines Missverständnis, aber wir sind im Team sehr zufrieden mit der Beziehung zu den Fans. Wir versuchen in jedem Spiel Vollgas zu geben und die Unterstützung der Fans auf dem Rasen mit Leistung zurückzuzahlen.
Hast du noch etwas, was du den Fans von RBL mitgeben möchtest?
Ich kann nur Positives sagen. Ich bin mit der Unterstützung sehr zufrieden. In den letzten Jahren wurden es immer mehr. Bei den Heimspielen wie auch auswärts wurden wir immer sehr gut unterstützt und wir als Team sind sehr glücklich mit unseren Fans. Das kann gerne so weitergehen. Wir werden auf dem Platz immer versuchen, unseren Teil dazu beizutragen.
Diego, das heimliche Herz des Rasenballsports im Zentrum des Geschehens.
Wir wünschen dir und dem Team weiterhin viel Erfolg! Vielen Dank für das Gespräch, Diego.
Das Interview führten aus_LE und Rumpelstilzchen.
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