WIR SIND FANS – GERO B.

Leipzig - (02.06.2020) Berliner Luft, Berliner Schnauze. In Memoriam Gero B. Erinnerungen an einen besonderen Rasenballsportfan.


Hallo,
meine Name ist Lars, ich bin 49 und in Leipzig geboren.
Warum fange
ich so an?
Nun mir
liegt ein Thema am Herzen, bei dem ich mich klar ausdrücken will und offen und
ehrlich beginnen werde und daher auch kein Problem habe, meinen Klarnamen zu nennen.
Ich bin
zuerst der RB-Fans Redaktion sehr dankbar, dass ich hier einen Gastbeitrag
schreiben darf.
Viele kenne
mich aus dem Stadionumfeld, Twitter und / oder aus unseren Podcast #4Fans.
Worum geht es?
Fangen wir
an mit meiner Geschichte.
Verkürzt so:
In Leipzig-Wahren bin ich aufgewachsen und hatte fußballtechnisch unmittelbare Nähe zu
Chemie Leipzig. Da durften wir als Jugendliche auch hin und ich fing Feuer für
das Spiel mit dem Ball und die Begeisterung auf den Rängen. Auch hatten wir das
Glück, unter Aufsicht in das Zentralstadion zu gehen bei den Spielen Lok gegen Maradona
und Co.
Die Wende
änderte alles.
Wirklich
alles.
Ob es
Polley war, die ganze Oberliga, den Verkauf der Spieler an den Westen, alles
zerfiel.
Ich hatte
keine Lust mehr und wollte auch nicht.
Doch dann
kam Rasenballsport in die Stadt Leipzig.
Ich war
neugierig geworden.
Und war
begeistert.
Viele, die
das nun Lesen, haben ihre eigene Geschichte, wie sie zum einzig wahren
Rasenballsport kamen.
Und das ist
gut so.
Wir sind
Menschen.
Wir sind
Fans.
Wir sind
42.000 Fans im Stadion und stehen hinter dem Verein.
Seit ich im
Stadion bin, habe ich so viele schöne Erinnerungen erlebt und neue Menschen
kennengelernt, die ich nicht aufschreiben kann.
Aber eine
schon.
Gero
Ich wollte diesen
Artikel schon damals schreiben, als ich die traurige Nachricht der Brausecrew
gelesen hatte, aber ich konnte nicht.
Ich wollte
es nicht wahr haben.
Aber nun
will ich, nein ich muss es.
Seit Rasenballsport
Leipzig 2009 gegründet wurde, bekommen wir von anderen Fans und Medien vorgeworfen: wir sind nur Kunden für ein Marketingprodukt.
Wie eben
auch vor ein paar Tagen als ein Tweet viral ging – Event, Event, Event.
Haben kein
Miteinander, stehen nicht zueinander.
Kennen
keine Freundschaft, wissen nix über Fankultur.
Nur Kunden
und Eventfans, keine Tradition.
Aber das
ist falsch.
Alles.
Wir sind
Menschen.
Wir sind
Fans.
Mein erstes Treffen mit Gero
Erstes
Spiel von Leipzig im Olympiastadion 2017 in Berlin.
Ich hatte noch
kein Ticket und fuhr im Zug mit @Tony4Arsenal einfach auf gut Glück nach Berlin.
Dort
angekommen, kam über Twitter die Nachricht, dass die @Brausecrew ein Ticket
übrig hätte und ich es in der Stammkneipe des Fanclubs abholen könnte. Internet
ist manchmal sehr hilfreich und dank dieser Kommunikation kamen wir ins Gespräch. Gesagt
getan und einmal quer durch ganz Berlin ging es Richtung Prenzlauer Berg. Dort
angekommen, sah ich viele fremde Menschen, aber alle im Trikot von RBL.
Rot-Weiße
Leipziger Farben mitten in Berlin – ich dachte, ich spinne.
Einer der
ersten, die uns begrüßten, war Gero, der dann sagte, „Setzt Euch, es gibt Luft,
es gibt Bier, ihr seid willkommen.“
Es wurde
viel geredet über RBL und Gott und die Welt.
Ich konnte
es nicht glauben, das hier weit ab von Leipzig, Fans von Rasenballsport Leipzig
gibt.
Vor allem Gero
blieb mir da in Erinnerung, weil er so offen und direkt erzählt hat.
Wir sind
dann von Prenzlau Richtung Spandau in der U-Bahn gefahren und mir war ein wenig
mulmig mit allen Herthafans um uns herum, aber Gero hatte uns immer wieder mit
seiner Art aufgemuntert.
Selbst auf
dem Weg zum Auswärtsblock, wo wir noch an den vielen Ultras von Hertha BSC
vorbei mussten.
Gastspiel bei der Hertha und erstes Treffen.
Am Stadion
angekommen, gab es erstmal Freigetränke, obwohl Gero mich überhaupt nicht
kannte.
Wir
quasselten weiter über Gott und die Welt und stellten auf einmal fest, wir hatten
mal den gleichen Auftraggeber bzw. wir waren in der gleichen Branche unterwegs.
Was mussten
wir herzlich lachen.
So klein
ist die Welt.
Danach traf ich Gero regelmäßig in Leipzig oder international z.B. in Marseille und erkannte in ihm einen sehr großzügigen Menschen, der sehr viel auf Wert auf Toleranz und Demokratie legt, sich gegen Rassismus und Homophobie einsetzt uvm. – im Grunde das, was völlig normal sein sollte und wir dahingehend auf einer Welle lagen. Auf Twitter bleibt mir immer in Erinnerung, wenn er schrieb: „Diese kleine dumme alte senile Hexe …“
DFB-Pokal-Wochenende 2019
Meine Karten
hatte ich, aber eine Unterkunft für zwei Nächte hatte noch gefehlt. Aber gut, dass
es einen Fanclub in Berlin gibt und die Brausecrew vermittelte mich an Gero, wo
ich unterkommen konnte.
Natürlich
hat Gero zugesagt und mir kostenlos ein Bett zur Verfügung stellte. In
Babelsberg spielte ja auch die U19 von RB Leipzig im Finale gegen VfB Stuttgart.
Der ansässige Verein ist ja bekannt für sein Motto "Nazis raus aus den Stadien"
und Gero meinte: „Wenn Du schon mal hier bist, kauf eines und zeig Flagge!“
So war
Gero.
Immer
direkt, immer ehrlich, immer offen, immer konsequent.
Wir mussten
nach Abpfiff 1,5 Stunden quer durch Berlin.
Aber auch
hier ging es nicht nur um das kleine und große Finale, sondern auch um Weltpolitik und die alte senile Hexe.
Angekommen,
holte ich meine Luft aus dem Rucksack und wir gingen auf den Balkon.
Flagge zeigen.
Und dann
fragte ich ihn nach der dritten Luft, wie er zum einzig wahren Rasenballsport
gekommen ist?!
Er erzählte
mir seine Geschichte, dass er sich einen neuen Verein nach dem HSV suchte und er
am Ende und die gute @schnattertasch sich nach Leipzig zum Pokalspiel gegen Aue
aufmachten und sie im Gästeblock standen und sich sagten: “Ach die da drüben
sind auch ganz nett.“
An der
Stelle dürft ihr gerne Lachen, Gero hätte es so gewollt.
Vom HSV zum einzig wahren Rasenballsport.
Das haben
wir am nächsten Finaltag wiederholt.
Die
Niederlage hat zwar geschmerzt, aber durch das Wochenende bei Gero kam ich auf andere
Gedanken und ich habe so viele Dinge über Gero erfahren.
Er hatte
noch so viel vor.
So viel.
Und dann
die vielen Bilder an seinem Kühlschrank, mit Aufklebern seiner Familie.
Es
schmerzt, wenn ich diese Zeilen schreibe.
Mein letztes Treffen mit Gero
Aller
halben Jahre veranstaltet die Brausecrew ihr legendäres Fußballquiz in der
Cottaria.
Und Gero
war diesmal Schiedsrichter, denn es geht beim Quiz auch mal hoch her.
Aber alles
gut gegangen, wir sind dann zum Auswerten noch um die Ecke in die Tankbar, sprachen wieder über alles
Mögliche, die nächsten Treffen, die Spiele von Leipzig uvm.
Dann wurde
es Zeit, sich zu verabschieden.
Und ich
sagte dann "Bis bald Gero, vielleicht das nächste Mal in London?"
Er zeigte mit
dem Daumen nach oben und ging.
Und nun für
immer.
Gero immer dabei!
Es war mir
eine Ehre und Danke Gero, dass ich Dich kennen lernen durfte.
Wir sind
Fans.
Wir sind
Menschen.
Lars / aus_le
Bildquelle:
privat
Permalink:
https://www.rb-fans.de/artikel/20200602-special-gero.html
- BrauseCrew
- Erinnerung
- Fanszene
- Gero
- Gero B