JACK OF ALL TRADES – HENRICHS ROLLE IM LEIPZIGER KADER

Leipzig - (24.07.2020) Gestern ist Benjamin Henrichs offiziell bei unseren Rasenballern vorgestellt worden. Die Leihe des ehemaligen Leverkuseners hatte sich schon seit gut einem Jahr angedeutet. Wie passt der Verteidiger aus Monaco in den aktuellen RBL-Kader?


Mit Benjamin Henrichs haben sich unsere Leipziger einen jungen und dennoch erfahrenen Defensivallrounder gesichert, der fraglos als ein Wunschspieler Julian Nagelsmanns gelten darf. Sein größter Trumpf ist seine Vielseitigkeit. Henrichs kann sowohl links wie auch rechts oder auch zentral verteidigen und ähnelt in diesem Sinne Lukas Klostermann oder Nordi Mukiele, auch wenn er zentral eher im defensiven Mittelfeld als in der Innenverteidigung zu verorten wäre. Seine Stammposition ist jedoch am ehesten die rechte Abwehrseite.
Henrichs kennt den RBL-Stil gut, schaffte einst den Durchbruch in der Bundesliga unter Roger Schmidt, dessen Leverkusener seinerzeit echten Rangnickball spielten. Auch in Monaco, wo er abseits von Verletzungen meist zu den Stammspielern zählte, wurde Wert auf aggressives Vorwärtsverteidigen gelegt. Aber auch mit dem Ball weiß er einiges anzufangen und verfügt über solide Passwerte.
Neben seinen sportlichen Fähigkeiten könnte sich Henrichs auch neben dem Platz als Faktor erweisen. Dank seiner Zeit in Frankreich spricht er fließend französisch und könnte so ein wichtiges Bindeglied in der Mannschaft sein. In diesem Sinne ein Nachfolger Comppers, der seinerzeit auch diese Rolle übernahm.
Fritz-Walter-Medaille & Nationalmannschaft
Henrichs galt 2016 als einer der Shootingstars in Deutschland. Mit der Fritz-Walter-Medaille in Gold und einer herausragenden U-19 EM war er zu diesem Zeitpunkt eines der heißesten Eisen unter den deutschen Außenverteidigern und schaffte damals auch den Sprung in die Nationalelf. Seine Auftritte mit der U19 (EM 2016), beim Confed-Cup 2017 und bei der U21 (2018/19) machten durchaus Hoffnung auf höhere Weihen. Ein Anspruch, dem er im Laufe der letzten zwei Jahre jedoch hinterherlief. Seine Rückkehr nach Deutschland ist hier auch nochmal der Versuch auf sich aufmerksam zu machen und nochmal versuchen, für die Nationalmannschaft nominiert zu werden.
Henrichs und Havertz bei der Verleihung der Fritz-Walter-Medaillen 2016.
Leverkusener Eigengewächs und Fürstentum
Henrichs, das war für über die Hälfte seiner Lebenszeit vor allem ein Verein: Bayer Leverkusen. Von der F-Jugend 2004 bis in die Bundesliga. 14 Jahre kickte Henrichs bei Bayer. Einer der Werdegänge, die man sich in Leipzig nun schon seit zehn Jahren herbeisehnt. Während er bis 2015 vornehmlich in der U19 und der Youth League zum Einsatz kam (damals auch gerne mal als Kapitän der Leverkusener Nachwuchself), beförderte ihn Roger Schmidt bereits im September 2015 in den Profikader, wo er gegen Dortmund mit 18 sein Bundesligadebüt feierte. In der Rückrunde erarbeitete er sich dann einen Stammplatz im Bayer-Team.
Nachdem Heiko Herrlich die Elf 2017 übernahm, gingen seine Einsatzzeiten jedoch zurück, so dass er 2018 für 20 Mio zum AS Monaco ging. Schon damals war RBL laut diverser Medien an Henrichs interessiert. Die Ablöse aber wohl eine Spur zu hoch für unsere Leipziger. In Frankreich hatte er eine schwierige erste Saison, in der Monaco beinahe abgestiegen wäre und er in der Rückrunde seinen Stammplatz im Team verlor. In der abgelaufenen Spielzeit funkten Verletzungen und Corona dazwischen. Dennoch kam Henrichs auf insgesamt 44 Spiele und 4 Scorer für die Monegassen und zeigte dabei besonders seine Vielseitigkeit.
Dagegen ist es ihm aber weder in Leverkusen unter Herrlich noch in Monaco unter Jardim, Henry und Moreno gelungen an seine ersten 1,5 Jahre im Profifußball anzuknüpfen und insbesondere die großen Erwartungen zu erfüllen, die ihm 2016/17 nachgesagt wurden. Hier war der Rucksack der ihm aufgebürdet wurde ggf. auch eine Nummer zu groß. Auch die RBL-Fans sollten die Erwartungshaltung erstmal auf ein normales Niveau begrenzen.
Spielstil & Henrichs Rolle im Kader
Eins vorneweg. Henrichs ist mitnichten der Gegenpart zu Angelino auf rechts. Diese Rolle hatte er selbst zu seinen besten Zeiten in Leverkusen nicht inne. Am ehesten ist Henrichs wohl mit Klostermann und Mukiele zu vergleichen. Wobei er beiden in Sachen Vielseitigkeit überlegen ist. Ohne großen Qualitätsabfall kann er im zentralen defensiven Mittelfeld oder auch auf der linken Außenbahn eingesetzt werden. Dies macht ihn zu einem idealen Kaderspieler. Die Frage, die sich stellt, ist aber, kann er auch den Stammspielern Konkurrenz machen?
Komplette Statistiken: FBref
Auf links hat derzeit Angelino die Nase vorn, wenn seine Leihe verlängert wird, sind seine offensiven Fähigkeiten den der anderen Außenverteidiger überlegen. Da hier aber noch nicht das letzte Wort gesprochen ist, ist Henrichs auch in diesem Sinne erstmal eine gewisse Lebensversicherung.
In der Mittelfeldzentrale könnte Henrichs die Rolle eines der von Nagelsmann geforderten Spieler einnehmen, auch wenn er weder auf die eine (Holding-Sixer) noch die andere (Box-to-Box) Stellenbeschreibung ideal passt. Aber als weitere Alternative in diesem im Prinzip schon recht breit besetzten Segment darf er ohne Frage gelten.
Am ehesten dürfte seine Konkurrenz aus Klostermann und besonders Mukiele bestehen. Letzterer hatte sich in der letzten Saison auf der Rechtsverteidigerposition am ehesten festgespielt. In der Spielanlage ähnelt Henrichs auch Mukiele, wenngleich es durchaus Unterschiede gibt.
Henrichs Ballbehandlung und Übersicht sowie seine Passqualität ist etwas über der von Mukiele einzuordnen, dafür hat der Franzose die besseren Defensivwerte und konnte in der letzten Saison auch immer wieder seine Offensivqualitäten aufblitzen lassen. Hier sind wir auch bei dem größten Entwicklungsdesiderat von Henrichs. Seit seiner Zeit in Leverkusen, konnte er seine Offensivfähigkeiten nicht entscheidend verbessern. So konnte Mukiele bei RBL letzte Saison in den entscheidenden Statistiken bessere Werte pro 90 Minuten aufs Feld bringen (Dribblings, Scorer, Key-Pässe). Selbiges gilt auch für die Defensive (Tacklings, Zweikämpfe).
Hier könnte die Konkurrenz nun das Geschäft beleben. Henrichs und Mukiele sich gegenseitig zum nächsten Schritt anspornen. Dazu könnte Henrichs durch seine besseren Fähigkeiten am Ball (Passwerte, Ballberührungen im Abschlussdrittel) die Transformation zum Ballbesitzteam unterstützen.
Leseempfehlung: Total Football Analysis (23.7.20)
Henrichs gut gelaunt bei der offiziellen Vorstellung.
Fazit
An Henrichs ist Leipzig nun schon seit drei Jahren interessiert. Auch Nagelsmann schätzt den Verteidiger und Henrichs kennt Liga wie Spielstil, hat obendrein in Leverkusen auch mit Krösche und Kampl zusammengearbeitet bzw. gespielt. Als vielseitiger, sprachgewandter und intelligenter Kicker kann er auf und neben dem Feld wichtige Rollen einnehmen und erfüllt dadurch auch weitere Anforderungen an nagelsmannsche Wunschkicker (Variabilität/ Deutschkenntnisse/Trainingseifer).
Seine Leihe in Coronazeiten schafft finanziellen Spielraum für Rashica, Schick oder Angelino und falls er einschlagen sollte, ist der wahrscheinliche Kaufpreis (15 Mio. €) durchaus im Rahmen. Nachdem Klostermann eher in die Zentrale gerückt ist und dort wegen Konatés Verletzungen und Upamecanos Abwanderungsgedanken auch noch weiter gebraucht werden könnte, würde Henrichs gemeinsam mit Mukiele die rechte Abwehrseite bilden. Wichtig, wenn man sich vor Augen führt, dass zuletzt weder Laimer noch Adams auf dieser Position überzeugen konnten. Zudem eröffnet er interessante Möglichkeiten in der Besetzung des defensiven Mittelfelds oder einer Alternative auf links.
Ziel ist für alle Beteiligten sicherlich nun den nächsten Sprung in der Entwicklung zu machen, bzw. an die erfolgreiche Zeit in Leverkusen anzuknüpfen. Es könnte sich als Win-Win-Situation herausstellen und wenn nicht, ist das Risiko durch die Leihe überschaubar.
Rumpelstilzchen
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