Vorab: Im Grunde kann man nicht viel meckern.

RB Leipzig steht sportlich herausragend da. Ein zufriedenstellender Tabellenplatz drei nach 13 Spieltagen mit Kontakt zum Spitzenreiter aus München und bereits sechs Punkten und weiteren sieben Toren Vorsprung auf den Tabellenfünften aus Dortmund stehen zu Buche. Die vierte Champions League-Qualifikation im fünften Bundesligajahr ist natürlich noch nicht final – aber es muss schon viel schieflaufen, damit man fernab des vierten Platzes landet, denn zu stabil sind Leipzigs Leistungen. Auch im Pokal hat die Mannschaft die ersten beiden Hürden ohne Zittern genommen – der Weg zum kürzesten Titel ist zu einem Drittel genommen.

Leistungen, die zum zweiten Mal in Folge – und zum zweiten Mal überhaupt den Weg unter die Top-16 in der Champions League mündeten. Nach Tottenham in der Vorsaison, wurde mit Manchester United der nächste Premier League-Club aus dem Wettbewerb gekegelt – und mit Liverpool wartet im Februar/März 2021 der nächste Streichkandidat. Zu den internationalen Erfolgen tragen internationale Spieler bei. Bei RB Leipzig besteht der Kader aus Franzosen (4 Spieler), Spaniern (3), Skandinaviern (3), Ungarn (2 und zum 01.01. +1x Szoboszlai) und Österreichern (2).

Und natürlich Spielern, die für den Deutschen Fußballbund spielberechtigt sind. Doch der Anteil an diesen Spielern im Kader, genauer gesagt deren Einsatzzeiten, werden stetig geringer. Wurden in der ersten Bundesligasaison 2016/17 noch 45% der RB-Gesamtspielzeit durch für den DFB spielberechtigte Spieler erbracht, sank der Wert nach den ersten 13 Bundesligaspielen 2020/21 auf lediglich 10% ab.

Prozentualer Anteil an Gesamteinsatzzeiten seit 2016/17

Verantwortung als DFB-Team

Insbesondere für den Deutschen Fußballbund ist die Entwicklung besorgniserregend.

Die Gründe für den Rückgang sind vielfältig:

1) Die schwindende Spielzeit der Aufstiegshelden Dominik Kaiser und Marvin Compper nach dem ersten Bundesligajahr.

2) Das Debüt von Willi Orban für Ungarn im Oktober 2018 und die damit einhergehende Nichtspielberechtigung für den DFB.

3) Die Abgänge von Diego Demme im Januar 2020 und Timo Werner im Sommer 2020.

4) Das Verletzungspech der bisherigen Stammspieler Lukas Klostermann und Marcel Halstenberg in der Hinrunde 2020/21.

5) Keine Neuzugänge von DFB-Spielern, sei es durch Transfers oder durch Zugänge aus dem eigenen Nachwuchs

Mit Benjamin Henrichs und Lazar Samardžić sind erstmals zur Sommertransferphase zwei neue DFB-Auswahlspieler zum Kader der ersten Mannschaft gestoßen, die aber bisher (auch gesundheitsbedingt) nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Das Reglement der DFL hält RB dennoch ein, denn dieses zielt nicht auf Einsatzzeiten ab, sondern auf Kaderzugehörigkeit. 12 Spieler mit deutschem Pass bzw. fußballerischer Ausbildung in Deutschland müssen mit einem Profivertrag ausgestattet sein.

In Leipzig sind das:

Ein Teil der Frage: Nachwuchsausbildung bei RBL.

Problematisch ist, dass lediglich drei der zwölf Spieler überhaupt realistische Einsatzchancen für das DFB-Team haben. Orban und Kampl haben Pflichtländerspiele für Ungarn bzw. Slowenien absolviert und können nicht mehr für Deutschland auflaufen. Tschauner ist 35 Jahre alt und dritter Torwart. Die anderen sechs Spieler sind, bis auf Hartmann, alle noch für die U19 spielberechtigt und abgesehen von Samardzic Kaderauffüller, um die 12 Kaderspieler zu erfüllen.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass noch eine zweite Regel einzuhalten ist: Es müssen acht Spieler im Kader stehen, die im Alter zwischen 15-21 mindestens drei Saisons in Deutschland ausgebildet worden sind, davon mindestens vier Spieler im eigenen Verein. Um diese Regel zu erfüllen, muss RB Leipzig noch weniger tricksen, da auch die beiden französischen Spieler wie Dayot Upamecano und Ibrahima Konaté auf Grund ihres frühen Wechsels nach Leipzig in die Kategorie "LocalPlayer" fallen.

Wie oben bereits geschrieben, vom Reglement her, hält RB Leipzig alle Spielregeln ein. Der Einsatz von für die deutsche Nationalmannschaft berechtigten Spielern in einem deutschen Top4-Team und Champions League-Teilnehmer ist vielmehr eine moralische Verpflichtung bzw. Erwartung seitens des Autors.

Dass es auch anders geht, zeigen die anderen deutschen Top-Teams. Auf Basis der 13 abgeschlossenen Spieltage wurden die Einsatzzeiten bei den BL-Teilnehmern München, Dortmund, Gladbach und Leipzig, sowie der Euroleague-Teilnehmer Leverkusen, Hoffenheim und Wolfsburg analysiert. In beiden Kategorien (DFB-Spieler, Fußballdeutscher) ist Leipzig in dieser Saison Schlusslicht – nicht nur bei der Betrachtung der TOP7, sondern über alle Bundesligavereine hinweg.

Prozentualer Anteil an Gesamteinsatzzeiten im Vereinsvergleich

Ein anderer Fokus bei Neuzugängen?

Aus Sicht des Autors ist ein Umdenken im Verein zwingend geboten. Als deutscher Champions League-Teilnehmer hat man auch die Aufgabe deutsche Nationalspieler auszubilden und weiterzuentwickeln. Dieser Prozess hat in Leipzig sehr gut begonnen, in dem Werner, Klostermann und Halstenberg und Demme zu Nationalspielern geformt wurden. Doch der Prozess ist spätestens seit dem Werner-Transfer zu Chelsea unterbrochen.

Die RB-Verantwortlichen müssen sich Gedanken machen, wie Sie Ihrer Verantwortung für den deutschen Fußball gerecht werden. Dass es nicht einfach ist, unter den qualitativen und finanziellen Rahmenbedingungen, diese Spieler für sich zu gewinnen, ist unbenommen – aber es muss ein Trend erkennbar werden. Beispiele gefällig: Luca Waldschmidt, Suat Serdar, Maximilian Eggestein, Robin Koch – alle nicht das höchste Regal des europäischen Fußballs, aber das sind die Sommerneuzugänge Alexander Sørloth und Hee-chan Hwang auch nicht.

Das Gegenteil zu Leipzig brachte übrigens Köln beim Duell am 13.Spieltag auf den Platz. Auf Seiten der Domstädter wurden vier Eigengewächse (Horn – Jahrgang 1993, Özcan – 1998, Katterbach – 2001, Thielmann – 2002) eingesetzt – und zwar in der Startelf! Es reichte zum Punktgewinn.

Und das nach mageren Jahren im Juniorenbereich wieder hoffnungsvolle Spieler aus dem Nachwuchs nach oben kommen, zeigen Spieler wie Florian Wirtz (2003, Leverkusen), Yussufa Moukouko (2004, Dortmund) oder Maximilian Beier (2202, Hoffenheim). Letzterer ist übrigens in Brandenburg an der Havel geboren und wechselte erst 2018 von Energie Cottbus nach Hoffenheim, anstatt den kurzen Weg nach Leipzig zu gehen. Möglicherweise auch, weil die Erfahrungen seiner älteren Ex-Energie-Teamkollegen (1; 2; 3) im Leipziger Nachwuchsbereich nur bedingt erfolgreich waren bzw. der Weg in die erst Mannschaft versperrt war – nicht zuletzt wegen der Internationalisierung.

Borkowski wurde zuletzt Sørloth vorgezogen.

Anmerkungen zur Statistik:

Als DFB-Spieler gelten alle Spieler, die für die deutsche Nationalmannschaft spielberechtigt sind.

Als Fußballdeutsche alle die Spieler, die in Deutschland fußballerisch ausgebildet worden sind, die sich aber für einen anderen Landesverband entschieden haben, das sind 2020/21 Musiala (München); Orban, Kampl (beide Leipzig); Brooks, Pongrancic, Malli (alle Wolfsburg); Akpoguma, Bicakcic, Bebou (alle Hoffenheim).

Es wurden nur die Einsatzzeiten der ersten 13 Bundesligapartien ausgewertet, um Sondereffekte, wie Gegner aus dem Amateurbereich in der 1.Pokalrunde und Europapokal-Gruppenspiele bei schon feststehendem Gruppensieg auszublenden.

Roter Brauser

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