LÄNDERSPIEL IN LEIPZIG – WIE SCHLUGEN SICH UNSERE RASENBALLER?

Leipzig - (24.09.2022) Show-time in der Red Bull Arena Leipzig. Einige Roten Bullen hatten auch gestern ihren Auftritt und die Möglichkeit, ihr Können auf den Rasen zu zeigen, nur diesmal im Trikot ihrer Nationalmannschaft. Dabei lagen Freud und Leid dicht beieinander.


Ein bisschen Leipziger Fußball in der Red Bull Arena
Für Timo Werner, David Raum, Dominik Szoboszlai, Péter Gulácsi, Willi Orbán und Benjamin Henrichs hieß es auch diesmal, die Fußballschuhe anziehen und in der heimischen Red Bull Arena Spitzenfußball vor fast 40.000 Zuschauern zu zeigen. Kein Ausruhen in der Länderspielpause. Diese trägt ihren Namen zu Unrecht, denn binnen vier Tagen stehen zwei Länderspiele an. Anschließend muss ein Mammutprogramm mit sechs englischen Wochen auf Clubebene absolviert werden. Daheim trainiert indes M. Rose mit einem Rumpfteam, aber es ist auch eine gute Gelegenheit für unsere Rasenballer, sich über weitere Wettkampfbedingungen in Spielform zu bringen. Zuletzt war es in Mönchengladbach leider nicht der Fall.
Insgesamt war es ein komisches Gefühl, gleich fünf RBL-Akteure in der Startelf auf dem Platz zu sehen und das auch noch im heimischen Stadion, allerdings in einem anderen Trikot im Namen anderer Mannschaften und komplett bei einer anderen Stadionatmosphäre. Jedoch überwiegt auch Stolz, dass unsere Rasenballer es soweit geschafft haben, sich auf Leipziger Vereinsebene weiterentwickelt zu haben, um nun schließlich ein Teil ihres Nationalteams zu sein.
Die Quote der Beteiligung der Leipziger Rasenballer bei diesem Länderspiel hätte durchaus noch höher ausfallen können, wenn da nicht die Verletzung bei Lukas Klostermann gewesen wäre und Marcel Halstenberg sowie Benjamin Henrichs mit besseren Leistungen in der Vergangenheit mehr hätten überzeugen können. Letzterer wurde für den verletzten M. Reus nachnominiert und kam leider nicht zum Einsatz.
Am Ende durften die drei Roten Bullen jubeln, welche im Dienste der ungarischen Nationalmannschaft stehen. Sie schlugen das DFB-Team, welches erneut ihre Grenzen aufgezeigt bekam. Es ist nicht mehr die Zeit des Ballbesitzfußballs, des langsamen Ballgeschiebes meistens quer zum freien Mitspieler, während der Gegner komplett hinter dem Ball steht und die Räume vor dem Strafraum dicht macht. Einiges erinnerte doch sehr am ergebnisorientierten und risikoarmen Aufbauspiels unter D. Tedesco, in dem Schnelligkeit und Lösungsmöglichkeiten im Ballbesitz fehlten und die wenigen Umschaltmomente zu unpräzise ausgespielt wurden.
Bereit für 🇩🇪 - 🇭🇺 in unserem Wohnzimmer ☝️#GERHUN #NationsLeague #WirSindLeipzig pic.twitter.com/ZP0OwCDzsJ
— RB Leipzig (@RBLeipzig) September 23, 2022
Torflaute von Timo Werner hält weiter an
70 Spielminuten durfte unser einstiger Wunderstürmer ran, dann hatte Trainer Hansi Flick ein Erbarmen und nahm ihm von Platz. Nur 14 Ballkontakte standen bis dahin zu Buche. Nur ein Torschuss und von zehn gespielten Pässen fanden drei nicht den Weg zu seinen Mitspieler. Es war erneut nicht der Abend von Timo Werner, der das Vertrauen von Flick nicht erfüllen konnte. Es reiht sich auch ein in eine Kette voller Unsicherheiten und vielen Ungereimtheiten. Die Spielanlage hatte sich nicht erst seit seiner Rückkehr zu RB Leipzig geändert, sondern fand ihren Ursprung schon bei Chelsea in London. Die Hoffnung des schnellen Umschaltspiels über die Flügel mit viel Raum in der gegnerischen Hälfte, verflog schnell in Anbetracht des Ballbesitzfußballs durch Tedesco und ebenso in der Nationalmannschaft.
Es obliegt allein Timo Werner, sich den gegebenen Umständen besser anzupassen, entsprechend torgefährlich zu werden. Ansonsten kann schnell der Zenit erreicht sein, wenn er nicht sogar seit Längerem überschritten wurde. Ein Zustand, der leider schon lange anhält. Zum Schutz des Spielers muss man natürlich die Gesamttaktik des Teams einbeziehen und die Leistungen seiner Mitspieler, von denen er ebenso abhängig ist. Aber es liegt die Annahme sehr nah, dass er bei dieser Spielanlage seine Qualitäten nicht gewinnbringend einsetzen kann, zumal er größtenteils Zweikämpfen aus dem Weg geht und nicht der geborene Abnehmer von Flanken ist.
Trotzdem wünschen wir uns "DEN" Timo wieder zurück und drücken ihn die Daumen, dass es wieder besser wird!

Kein Durchkommen für Timo Werner und wieder keine Tormöglichkeiten.
David Raum auch im Nationaldress ohne wirkungsvolle Akzente
Anders als bei RB Leipzig zuletzt, durfte David Raum in bekannter Konstellation aus Hoffenheimer Zeit, wieder ein Teil einer Dreier-/Fünferkette sein. Der Vorteil besteht darin, dass er seine läuferischen Fähigkeiten mit Schnelligkeit und Ausdauer besser zur Geltung bringen und stets die linke Außenseite beackern kann. So gibt es jederzeit die Möglichkeit das Spiel breit zu machen, schnell zu verlagern und mittels Hereingaben über seinen starken linken Fuß für mehr Torgefährlichkeit zu sorgen. Das System ist auf ihn zugeschnitten, jedoch war er in diesem Länderspiel größtenteils abhängig von der schlechten Leistung seiner Mitspieler, die ihn zu wenig im Spiel einbezogen.
Letztendlich wirkte nicht nur er wie ein Fremdkörper auf dem Platz. Gänzlich fehlte es dem Nationalteam an Automatismen und schnell werden auch Parallelen zu RB Leipzig aufgedeckt. Bis heute gibt es keine Abstimmungen der Spieler untereinander und einstudierte Aktionen, wie er es aus Hoffenheim kennt. Er steht vor einer neuen Herausforderung unter Rose in einer Viererkette spielen müssen und dabei stets noch einen Mitspieler vor sich zu haben, der ihn den "Raum" wegnimmt. Das Prädikat "stets bemüht" wäre aktuell das wohl Passendste für ihn. Schließlich sind der Wille vorhanden und der Aufwand von ihm sehr hoch. 96 Minuten Spielzeit stehen am Ende zu Buche, 96 Ballkontakte, 88% Zweikampfquote und 82% Passquote sind eine gute Statistik, jedoch ohne nennenswerte Effekte für das Offensivspiel.
Wie bei T. Werner steht er vor der großen Herausforderung, seine Fähigkeiten erfolgsversprechender einsetzen zu können. Und wir alle wollen keine Missverständnisse taktischer Natur. Sowohl für Hansi Flick als auch für Marco Rose bleibt noch viel Arbeit.

David Raum – stets bemüht, jedoch offensiv wirkungslos geblieben.
Péter Gulácsi spielt stark und zu Null
Auf unsere ungarischen Spieler war dagegen Verlass. Klingt paradox und tut weh aus Sicht der deutschen Nationalmannschaft. Aber das ungarische Team zeigte eine geschlossene Einheit auf dem Platz, es waren viele Automatismen zu erkennen, Jeder wusste um seine Aufgabe und Jeder rannte auch für den Anderen. Ein eingeschworenes Team ist dabei immer wieder die Defensivachse mit Péter Gulácsi und "Libero" Willi Orbán, die sich über viele Jahre hinweg im Leipziger Dress weiterentwickelten und nun ihre Leistungsfähigkeit auch bei der ungarischen Nationalmannschaften bestätigen konnten.
Dabei zeigte unsere Nummer Eins wieder eine starke Leistung im Tor. Die wenigen deutschen Torchancen parierte er hervorragend und war stets auch ein sicherer Anspielpunkt bei Ballbesitzphasen und im Aufbauspiel. Aus Sicht der Fanbrille ein schönes Gefühl, wenn beim Schlusspfiff unser Torhüter die Hände jubelnd hochreißt und er mit dazu beitragen konnte, dass sein Team an diesem Abend gewann. Gerne wünschen wir uns diese Leistung auch konstant im Leipziger Dress.

Péter Gulácsi hielt mit einer starken Leistung seinen Kasten sauber.
Willi Orbán Mister zuverlässig
Wie in gewohnte Manier, als wenn es nichts anderes gebe, spulte Willi Orbán sein Pensum herunter. Dabei war kein Geringerer als die deutsche Nationalmannschaft sein Gegner. Aber Willi geht Keinem aus dem Weg, sondern stellt eher diese vor eine großen Aufgabe.
Zugute kommt ihm dabei die eher defensive und kompakte Spielweise der ungarischen Nationalmannschaft, die eher tief steht und mit einer Fünferkette verteidigt. Er hat stets das Zepter organisatorisch als zentraler Abwehrspieler in der Hand, führt seine Nebenspieler und reagiert äußerst schnell in Ballnähe und unterbindet somit Offensivaktionen des Gegners im Strafraum.
Seine größte Stärke gegenüber den meisten Feldspielern ist dabei die Kopfballstärke, indem er gedankenschnell die Flugkurven der Hereingaben am besten berechnen und diese letztendlich klären kann. Während andere Spieler nur den Raum passiv abdecken und auf den Ball warten. Diese Fähigkeit macht er sich auch offensiv bei Eckbällen und Freistößen zu Nutze und konnte das schon oft unter Beweis stellen.

Mister zuverlässig – Willi Orban (re.) hielt die Abwehr dicht.
Dominik Szoboszlai wieder ein Aktivposten
Auch Dominik Szoboszlai kommt die Spielweise der ungarischen Nationalmannschaft entgegen und kann, wie einst Timo Werner, mit viel Tempo in die freien Räume starten und somit offensiv per Dribblings für Gefahr sorgen. Er ist einer der wenigen ungarischen Akteure, die offensive Aufgaben haben und fand sein Einsatzgebiet vorrangig als linker Flügelflitzer an diesem Abend. Dabei scheut er auch nicht den hohen Laufaufwand und geht auch nicht den Eins-gegen-Eins-Situationen aus dem Weg, sondern sucht zielgerichtet das Dribbling und somit den schwierigen Versuch, im letzten Spielfelddrittel erfolgreich durchzubrechen.
Und schließlich konnte er auch seine begnadete Schuss- und Flankentechnik gewinnbringend einsetzen. Seinen scharf getretenen Eckball zum Fünfmeter-Raum brauchte der ungarische Stürmer Szalai zum Torerfolg nur noch leicht berühren.
Am Ende stehen eine Torvorlage, zwei Torschussvorlagen und ein Torschuss offensiv auf der Haben-Seite. Aber auch defensiv war er sich nicht zu schade und agierte im Dienste der Mannschaft kompakt gegen den Ball. Es ist schön anzusehen, dass er mutig aufspielt und stets nach vorn schaut. Auch in jüngster Vergangenheit war er einer der wenigen Lichtblicke, als es nicht ganz so lief bei den Leipziger Rasenballern. Gern wünschen wir uns für das Leipziger Team seine ganze Leistungsfähigkeit und eine Weiterentwicklung. Aktuell befindet er sich auf einen guten Weg.

Eckball Szoboszlai – Tor Szalai. Dominik ist aktuell in einer guten Verfassung.
Uns sonst so?
Ungewohnt, ermüdend, anstrengend… ja auch ernüchternd war es für den einen oder anderen RB Leipzig-Fan im Stadion, der sich nicht die Gelegenheit entgehen lassen wollte, wieder im "Wohnzimmer" sein und dabei auch noch viele Leipziger Rasenballer live spielen sehen zu können.
Es bleibt ein unbeschriebenes Blatt wie der größte Fußballverband der Welt es nicht schafft, einen organisierten Support zu organisieren, welcher einige Blöcke oder das Stadion mitnimmt. Wenn es keine Vorreiter gibt, die Lieder oder Sprechgesänge anstimmen, dann ist es dem Zufall überlassen und allgemein dem Spielgeschehen, ob sich eine Stadionatmosphäre entwickelt. Und wenn, wie an diesem Abend, das Spiel der deutschen Nationalmannschaft einfach nur schlecht und ideenlos war, entsteht schnell eine unzufriedene Geisterkulisse.
Es ist anstrengend hier im Stadion. Auf so vielen Ebenen. Das Spiel an sich, die Stille von den deutschen Fans und das dumme Gelaber um mich herum. #GERHUN
— FlyingLipsia🏳️🌈 // Pokalsieger 2022 (@FlyingLeipziger) September 23, 2022
Auch ungewohnt waren das große Eventpublikum und die Vielschichtigkeit des Verhaltens der Zuschauer. Anders wie bei den Clubspielen fehlte es an Toleranz und Respekt für den einen oder anderen (National-)Spieler. Angefangen bei der Straßenbahnfahrt zum Stadion, in der Zuschauer dieser Begegnung schlecht über die RB Leipzig redeten, bis hin zu Timo Werner Hurensohn-Rufe im Stadion. Das Eventpublikum war sehr kritisch, sie standen nicht vollends hinter ihren Spielern und deren Herkunft und hinter ihrer Mannschaft – für ein Klub-Fan unbegreiflich. Sie waren nicht bereit mit Stimmung zu machen. Sie waren nicht bereit bei einer Laola mitzuwirken und ständig waren sie in Bewegung auf den Rängen. Vieles sah eher danach aus, unbedingt für ständiges Trinken und Essen zu sorgen, als das Spiel vor Ort verfolgen zu wollen.
Hz auf der Treppe in D.
— aus_LE (@aus_LE1) September 23, 2022
Kind ca 7 Jahre singt, das Timo Werner ein HS ist.
Vater jubelt.
Wie dieser aussieht bedarf es keiner Erklärung.
Unfassbar.#FCNZN
Umso größer ist nun die Vorfreude unsere Roten Bullen in einer Woche beim Bundesliga-Heimspiel gegen den VfL Bochum zu empfangen. Auch wenn an diesem Länderspielabend für unsere beteiligten RBL-Spieler Freud und Leid nicht weit auseinander lagen, so überwiegt doch die Zuversicht, wieder alle Spieler vereint im Team wiederzusehen.
Es ist zudem Familientag in der Red Bull Arena, der Ticketverkauf lief sehr gut und es wird wie immer einen organisierten Support und eine Stadionatmosphäre geben, die ihren Namen gerecht wird.
RBoligei
Bildquellen: dpa, Getty images
Permalink:
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