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30. Spieltag 1. Bundesliga
Samstag, 20.04.2024, 15:30 Uhr
Ort: Voith-Arena
1. FC Heidenheim
RB Leipzig
Spielplan RB Leipzig

1. LIGA QUICKTABELLE

1
Bayer 04 Leverkusen
76
2
Bayern München
60
3
VfB Stuttgart
60
4
RB Leipzig
53
5
Borussia Dortmund
53
6
Eintracht Frankfurt
42
7
FC Augsburg
36
8
1899 Hoffenheim
36
9
SC Freiburg
36
10
1. FC Heidenheim
33
11
Mönchengladbach
31
12
Werder Bremen
31
13
1. FC Union Berlin
29
14
Wolfsburg
28
15
VfL Bochum
26
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XXL-FAN-INTERVIEW MIT JULIAN NAGELSMANN – TEIL 2

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Leipzig - (08.10.2019) Der Beginn einer neuen Ära. Wir haben uns mit unserem neuen Chefcoach getroffen und Julian Nagelsmann vor der englischen Woche am Cottaweg mit Fragen gelöchert. Im zweiten Teil der dreiteiligen Interviewreihe gibt es taktischen Tiefgang und Fragen zu den Neuzugängen.

Vor der englischen Woche trafen sich unsere Redakteure Rumpelstilzchen und Justgroovy am Cottaweg zu einem Interview mit unserem Neutrainer Julian Nagelsmann. In drei Teilen wurden persönliche Fragen genauso gestellt wie Fragen zur Taktik, Spielsystem und den Neuzugängen. Auch Themen wie Fanszene, Stadion und Nachwuchs kamen zur Sprache. Im ersten Teil unserer dreiteiligen Reihe ging es privat zu, im zweiten Teil stellten wir Fragen zu den Neuzugängen, zur Taktik und dem Spielsystem.


Natürlich haben wir noch einige Taktikfragen. Wir fanden dein erstes Spiel gegen Bremen mit Hoffenheim interessant. Da hast du im 3-5-2 spielen lassen und auf der Außenverteidigerposition agierten zwei Stürmer (Volland und Ochs). Das war eine sehr unkonventionelle Herangehensweise. Würdest du das im Nachgang nochmal genauso machen? Das wäre Frage Eins und die Anschlussfrage wäre: Liebst du dieses unkonventionelle, dieses unberechenbare, das du nicht so leicht auszurechnen bist?

Natürlich, aber das hat sich auch etwas gewandelt. Viele Trainer sind mittlerweile deutlich variabler in ihren Ansätzen. Warum ich das mache: Ich habe keine Angst vor den Konsequenzen. Ich habe mal gesagt, wenn einmal der Punkt kommt, an dem ich meinen Denkansatz im Fußball total verstellen muss, um andere zufrieden zu stellen, dann mache ich den Job lieber nicht mehr. Dann hätte ich auch nicht mehr diese Jobzufriedenheit, über die wir bereits gesprochen haben.

Ich versuche natürlich immer erfolgreich zu sein, das ist ein Mittel zum Zweck und nicht der Zweck an sich. Aber ich fürchte mich auch nicht vor etwaigen negativen Konsequenzen, ich versuche da mutig zu sein und frei Entscheidungen zu treffen. Wenn es dann mal nicht passt, habe ich auch keine Angst das zuzugeben, genauso wie ich kein Problem damit habe, über daraus resultierende Erfolge zu sprechen. Wenn irgendwann der Punkt kommt, dass ich Angst vor einer Umstellung habe, weil die Medien mich dann stark kritisieren würden, dann passt der Job einfach nicht mehr für mich.

Die Entscheidung damals in Bremen würde ich wieder so treffen, weil der Hauptpunkt war, dass wir bis dahin kaum Tore geschossen hatten und dringen auf Treffer angewiesen waren, um die Klasse zu halten. Wir mussten daher sofort anfangen dreifach zu punkten, und das ging nur über Tore. In der Anfangsphase nach meinem Amtsantritt hat das auch sehr gut funktioniert und Volland und Ochs haben das auch sehr gut gemacht. Über ein Jahr würde ich das nicht jedes Spiel machen, aber für das Spiel damals hat das ganz gut funktioniert.


Das würden wir gern noch ein wenig konkretisieren. Dass in deiner Zeit für Hoffenheim typische 3-3-2-2 bzw. teilweise auch 4-3-3 wurde nicht in der klassischen Interpretation mit Flügelstürmern gespielt, sondern eher fokussiert auf das Zentrum mit Mittelstürmern. Kurz vor der Saison wurde Bruma, der eher ein typischer Flügelstürmer ist, verkauft. Ist es so, dass du es lieber hast, dass deine Außenverteidiger über die Flügel kommen und in der Mitte eher körperlich robustere, athletischere, aber dennoch technisch versierte, agile, dribbel- und spielstarke Mittelstürmer flexibel zum Einsatz kommen?

Punkt 1: das Tor steht in der Mitte. Und Punkt 2: wenn du die Flügelpositionen mit Spielern besetzt, hast du einfach im Zentrum weniger. Aber Umschaltmomente des Gegners lassen sich besser wegverteidigen, wenn du im Zentrum viele positionierst. Und wenn der Gegner mal über die Flügel spielen muss, um umschalten zu können, gewinnst du immer Zeit und kannst einfach im Gegenpressing wieder mehr Spieler hinter den Ball bekommen. Auch dann, wenn das Gegenpressing mal nicht funktioniert. Zudem ist es auch so, dass viele Teams gegen uns sehr tief verteidigen. Und wenn du viel Personal im Zentrum hast, bekommst du den Gegner in der Mitte auch immer sehr eng und hast dadurch dann einfach auch beide Flügel zur Verfügung, über die du finale Aktionen fertigspielen kannst.

Ich hatte bspw. in Hoffenheim extrem viele Angriffe über die Flügel. Jetzt haben wir sehr viele über die Halbspur bzw. so Flügel angedeutet. Wenn du jetzt aber, wie es viele machen, den Gegner immer nur auf eine Seite bringst, ist er im Zentrum trotzdem immer noch sehr verdichtet. Dann hast du natürlich auch nur noch den anderen Flügel, um anzugreifen. Hältst du den Gegner dagegen lange in der Mitte, hast du immer beide Flügel offen, über die du angreifen kannst. Auch bei Durchbrüchen bist du in der Lage mit viel mehr Spielern vors Tor zu kommen, wenn du den Flügel nicht doppelt und dreifach besetzt.

Natürlich ist es auch mal gut, den Flügel doppelt oder dreifach zu besetzen, um bspw. Gegner auseinanderzuziehen, aber ich bin schon ein Trainer, der gern durchs Zentrum spielt und gern versucht, auch das Zentrum zu suchen, wann immer es geht. Deswegen brauch ich da auch genügend Personal. Es gibt also zusammengefasst verschiedene Gründe wie: Gegenpressing und Torgefahr.


Was machen wir mit Ademola Lookman, der auch eher ein Spieler ist, der gern über die Flügelpositionen kommt?

Er muss sich weiterentwickeln und hat leider noch keinen Rhythmus, weil er sehr wenig bei Everton gespielt hat. Zudem hat er den „Nachteil“, dass wir als Gesamtkonstrukt noch nicht 100 prozentig funktionieren. Mit mir kam ein neuer Trainer mit neuen Inhalten. Selbst die arrivierten Spieler hatten erst einmal damit zu kämpfen. Was auch völlig normal ist. Aber sie sind einfach mehr gewöhnt an das, was RB-typisch ist. Sie haben sich lediglich damit zu beschäftigen, was ich jetzt „neu“ mit reinbringe. Dagegen hat ein Mola, der zwar schon mal hier war, aber jetzt auch nicht extrem lang, mit allem zu kämpfen: mit der Idee, mit seinem eigenen Spielrhythmus und zusätzlich noch mit meinem neuen Input.

Wenn das Gesamtkonstrukt aber steht und die etablierten Spieler mit dem was ich will extrem vertraut sind, werden auch die hinzugestoßenen Spieler mehr Spielzeit bekommen. Bevor es aber nicht super stabil ist, werden diese Spieler einfach immer weniger Spielzeit haben, als die, die schon länger da sind. Das ist ganz normal.


Wenn er nach hinten besser verteidigt, wäre es nicht auch vorstellbar, ihn in einem 3-5-2 als Außenverteidiger zu bringen?

Das ist der große Punkt und war auch eine Idee, warum wir ihn geholt haben. Weil er diese Halstenberg-Klostermann-Position auch mal spielen kann. Aber er ist defensiv-taktisch einfach noch nicht weit genug. Und es gibt eben Phasen, wenn du mit Dreierkette spielst, in denen viele Gegner auch mal Umschaltmomente haben. Dann hast du es als Außenstürmer, der – und das kommt noch oben drauf – auch nicht in der Akademie ausgebildet worden ist, insbesondere bei ballfernen Verteidigungsaktionen, um die Kette zu schließen, nicht ganz so einfach. Gegen sehr tiefe Gegner, wie bspw. gegen Bremen, hätte es dafür super gepasst, grundsätzlich mit ihm auf dem Flügel zu spielen, weil sie sehr tief verteidigt haben.


Er wäre also in Bremen ohne die gelb-rote Karte von Konrad Laimer gekommen?

Ja, er wäre ein Kandidat gewesen.


Wie ist das mit Luan Candido? Ist er auch so ein Außenverteidiger-Kandidat? Er ist bisher auch noch nicht so richtig angekommen. Wird er mehr in der U19 zum Einsatz kommen?

Er ist erst 18 Jahre und hat in einer Liga gespielt, die vom Gesamtniveau und Tempo, sicherlich nicht mit unserer zu vergleichen ist. Er braucht auch noch Zeit. Er ist taktisch noch nicht so weit ausgebildet, dass er bei uns direkt spielen kann. Noch dazu hat er einfach gute Konkurrenz. Ein Chelo Saracchi bspw. hat auch nicht so viel gespielt, trotzdem ist er deutlich weiter. Zudem war er jetzt auch verletzt. Das Ganze ist relativ normal, er braucht einfach seinen Spielrhythmus und noch Zeit sich zu entwickeln.

Insbesondere das Tempo ist für ihn in der Vorbereitung körperlich noch zu hoch gewesen. Da hat er auf diesem Niveau und in dieser Geschwindigkeit noch deutlich zu viele Fehler gemacht. Aber er ist auch eine Investition in die Zukunft. Im seltensten Fall kannst du einen 18-jährigen Außenverteidiger aus Brasilien holen, der sofort alle Spiele macht. Grundsätzlich ist er momentan noch nicht soweit, um bei uns Spiele zu machen.


Und was ist mit Ethan Ampadu? Er ist ja auch aktuell noch bisschen hintenan. Es gibt ja auch extrem starke Konkurrenz auf der Innenverteidigerposition. Gibt es da noch andere Positionen auf denen er spielen könnte?

Er ist mehr eingeplant auf der Sechser-Position bzw. so als Bindeglied zwischen beiden. Aber es ist einfach so, dass gerade Diego Demme und Konrad Laimer in einer sehr guten Verfassung sind. Wenn du dich relativ früh in der Transferphase mit einem Spieler einigst, dann ist das auch so ein Kauf, wo du sagst, was passiert noch auf dem Transfermarkt. Nach der letzten Saison hätte es auch sein können, irgendein Verein kommt für Diego, und er will unbedingt weg, weil er wenig gespielt hat. Aber er wollte dann nicht weg, worüber wir auch sehr froh waren, weil er es sehr sehr gut macht. Ethan hat natürlich einfach auch auf diesen Positionen, sowohl hinten als auch auf der Sechs, große Konkurrenz.

Er ist jung, trainierte die letzten 3 Wochen gut und macht es auch in Summe gut. Man merkt einfach, er will seine Spielzeit bekommen. Aber es ist eine ähnliche Thematik, wie bei Mola auch. Das Gesamtkonstrukt muss einfach stabiler werden, um diesen Spielern mehr Spielzeit zu geben. Die ersten 13 Spieler, die jetzt auch die meiste Spielzeit haben, haben es aber auch einfach sehr stabil und gut gemacht. Da ist es als junger Spieler im Moment auch nicht ganz so einfach hineinzurutschen.


Warum hat denn die Dreierkette gegen Bayern in der ersten Halbzeit nicht richtig funktioniert?

Der Hauptgrund war, dass Bayern einfach anders als wir davor mit zwei Sechsern statt mit einer Sechs gespielt haben. Und wir dann von beiden Seiten mit den Achtern gepresst haben, was auch grundsätzlich geplant war. Nur dafür hätten unsere Halbverteidiger, Willi und Nordi, wirklich mutiger nach vorne verteidigen müssen. Dass haben sie aber nicht gemacht. Daher standen wir hinten immer zu fünft auf einer Linie. Und weil sie sehr tief geblieben sind und oft versucht haben, die Flügel zu doppeln gegen die schnellen 1 gegen 1-Spieler, haben wir den Raum neben unserer Sechs einfach nicht verteidigt bekommen. Dadurch hatten wir dann auch wenig Druck auf die beiden Flügelpositionen in der Spieleröffnung auf ihre flachen Außenverteidiger. Sie haben dann einfach immer in ihren eigenen Sechserraum gespielt, in dem wir dann meistens nur einen Spieler hatten. Zudem haben wir die Halbräume einfach zu wenig nach vorne verteidigt, weil Bayern dann sehr flach mit dem Viererblock im Mittelfeld gespielt hat. Deswegen hat es nicht besonders gut funktioniert.


War es vielleicht auch deswegen geschuldet, weil du bisher noch zu wenig Zeit hattest, die Mechanismen, die du dir vorstellst, richtig einzuüben?

Natürlich ist auch die Zeit ein Grund. Noch dazu, wenn man es gegen Bayern macht. Zudem ist immer auch ein wenig Respekt da und die Frage: wie mutig lass ich Coman und Gnabry letztendlich im 1 gegen 1 stehen? Wenn du es so verteidigen möchtest wie wir, gibt es dann eben einfach auch Räume. Da musst du auch mal den Mut haben, die Außenverteidiger Klostermann und Halstenberg im 1 gegen 1 stehen zu lassen. Leider sind beide Außenverteidiger nicht überragend ins Spiel gekommen. Klosti mit dem Fehler am Anfang [der zum 1:0 führte] und auch Halste hatte die ersten 10-12 Minuten keine überragende Zweikampfquote. Dadurch hatten beide auch etwas Respekt, mehr nach vorn durchzuverteidigen. Es hätte schon gut funktioniert, und wir hätten es besser hinbekommen können, als wir es letztendlich gemacht haben. Aber es ging in dem Spiel nicht, weil einfach auch der Respekt vor den beiden Außenstürmern doch zu groß war.


Umso erstaunlicher war die Verbesserung in der zweiten Halbzeit. Aber ich persönlich fand auch die erste Halbzeit nicht so schlimm, wie sie teilweise als Klassenunterschied dargestellt wurde. M.E. hat das frühe Gegentor einen großen psychologischen Einfluss auf die Mannschaft gehabt, der vieles in falsche Bahnen lenkte.

Die psychologische Komponente war sicherlich auch ein Grund und natürlich hatten sie auch 70 Prozent Ballbesitz in der ersten Halbzeit. Aber sie hatten eben auch nur zwei große Chancen. Es war also nicht so, dass sie sich in der ersten Halbzeit extreme Chancen herausgespielt hätten. Sie hatten eben in ihrem Eröffnungsdrittel brutal viel Ballbesitz und extrem viele Eröffnungen. Dennoch sind sie selten hinter unsere letzte Linie gekommen. Was es aber aus RB-Sicht zu einem schlechten Spiel in der ersten Halbzeit hat werden lassen, waren unsere wenigen Balleroberungen, die wenigen Chancen auf Balleroberungen und das viele Hinterhertraben. Wir waren eher damit beschäftigt zu verschieben und Räume zu schließen als mit Balljagen. Das ist eben gefühlt so, dass du dann gar nicht ins Spiel kommst. Aber es war eben auch nicht so, dass sie sich tausende von Chancen erspielt haben. Von den Chancen her, war es am Ende des Spieles schon sehr ausgeglichen, auch was die Qualitäten der Chancen betrifft. Wir hatten in der zweiten Halbzeit vier super Chancen und Bayern über das Spiel auch vier sehr gute.


Apropos Chancen bzw. Qualitäten der Chancen. Wenn man sich nur die Qualität der Chancen, sprich, die zu erwartenden Tore (expected Goals) anhand der Abschlusspositionen auf dem Feld anschaut und die möglichen Punkte (expected Points), die du mit Hoffenheim in der letzten Saison hättest erzielen können, hättest du mindestens vierter statt neunter werden können. Wie erklärst du dir die Differenz zur Realität? Gerade die Abschlusspositionen hätten zu deutlich mehr Tore führen müssen. War das fehlendes Glück oder fehlende Qualität?

Ich bin kein großer Freund davon, ausschließlich von Glück zu sprechen. Sicherlich gibt es auch Situationen im Spiel, wo du auch mal ein bisschen mehr Glück hast. Bspw. hatten wir letzte Saison in Hoffenheim kein abgefälschtes Tor geschossen, haben aber selbst 9 bekommen. Zudem hatten wir 21 Pfosten- und Lattentreffer und waren damit erster in der Bundesliga. Es ist also schon ein wenig Glück dabei, aber am Ende des Tages natürlich auch Qualität.

In der letztjährigen Champion League Saison hätten wir mit Hoffenheim nach 12 Minuten mit 4:0 in Donezk führen müssen. Da hatten wir vier 1 gegen 1-Situationen auf den Torwart, die wir alle nicht gemacht haben. Es ist also schon eine Qualitätssache, sich a) die Chancen raus zu spielen, was wir letztes Jahr auch sehr gut gemacht haben, und b) sie auch zu verwerten. Mit RB Leipzig haben wir jetzt normal viele Chancen und dann natürlich einen Timo Werner, der sie eben rein macht. Chancen, die wir letztjährig nicht immer rein gemacht haben. Obwohl bspw. ein Kramarić natürlich trotzdem eine immer noch gute Quote hatte, hätte er am Ende dennoch 10-12 Tore mehr haben können.

Oder auch ein Leo Bittencourt. In den ersten 5 Spielen, die er gespielt hat, hätte er 7-8 Tore schießen können, hat aber keins gemacht. Es ist dann eben auch schon irgendwo Qualität, dass alles auch zu Ende spielen zu können. Deswegen bist du letztendlich aber auch Hoffenheim und nicht Bayern München, mit einem Lewandowski, der auch seine Chancen hat, und sie eben reinmacht. Daher sind wir am Ende neunter geworden und die Bayern eben Meister.


RB Leipzig war in letzter Saison, das abwehrstärkste Team der Liga. Du hattest am Anfang der Saison das Ziel formuliert: die bestehenden Stärken, wie bspw. die vorhandene Kompaktheit, Geschwindigkeit und Stabilität in der Defensive zu nutzen bzw. beizubehalten und die Offensive mit stärkeren spielerischen Elementen (auch Ballbesitzphasen) von hoher Qualität anzureichern. Kurz gesagt: Du wolltest die defensive Stabilität konservieren und in der Offensive qualitativ hochwertiger und spielerisch flexibler werden. Im Moment gelingt der Mannschaft beides. Sie ist offensiv nicht nur effektiv, sondern insbesondere im Moment auch brutal effizient in der Chancenverwertung (13 Tore aus 12,2 zu erwartenden Toren) und defensiv bekommt sie nur 3 Gegentore aus 5 zu erwartenden. Wie geht’s weiter?

Ich hoffe genauso. Aber wir haben uns gerade heute auch wieder viele Spielszenen angeschaut. Wir können es defensiv teilweise schon noch ein bisschen besser. Wir sind manchmal nicht aggressiv genug und verteidigen gerade in der letzten Linie sehr viel. Es geht aber trotzdem auch darum, dass wir immer noch das Bewusstsein haben, es auch weiter vorne ein bisschen besser regeln zu können. Gerade unsere Kette, das hat man auch gegen Bremen in Unterzahl gesehen, was die in der letzten Linie noch wegverteidigen, ist einfach außergewöhnlich talentiert und gut. Darauf solltest du dich aber nicht immer verlassen, sondern auch wieder mehr die Chance einer Balleroberung sehen.

Diese Mischung zwischen Offensive und Defensive ist entscheidend, um erfolgreich zu sein. Die Defensive wird am Ende Meisterschaften gewinnen können und sehr erfolgreich sein. Aber wenn du nur zu Null spielst und nie ein Tor schießt, wirst du auch kein Meister. Dann holst du am Ende 34 Punkte und bist eher auf einem Relegationsplatz unterwegs. Eine Mischung aus beiden ist sehr wichtig.

Trotzdem ist die Defensive immer noch der bedeutendere Punkt, um erfolgreich zu sein. Wenn du 70 Gegentore bekommst, wirst du eben auch kein Meister. Da kannst du auch 80 schießen und es wird trotzdem eng. Wir sind defensiv sehr stabil und paaren es mit einer guten Offensive. Die Saison ist aber eben bisher nur fünf Spieltage alt. Es wird entscheidend sein, dass auch über 34 hinzukriegen.


Wo siehst du noch die größten Potentiale in sportlicher und taktischer Hinsicht im Kader?

Insbesondere in Ballbesitzphasen. Gerade in Druckphasen des Gegners haben wir noch die größten Schritte zu gehen. Wir müssen den Ballbesitz verstehen als Vorbereitung von Gegenpressing und als Spielbeschleuniger und nicht nur, um sich zu erholen und am Ball zu bleiben. Wir haben teilweise immer noch zu viel Personal, das wir in uninteressanten Räumen verschenken, weil wir teilweise noch zu früh in uninteressante Positionen kippen. Obwohl wir mittlerweile schon deutlich mehr am Ball bleiben, als es noch vor 6 Wochen war, können wir aber auch noch mehr aus der eigenen Situation des Ballbesitzes herausholen.

Bspw. war es letztes Jahr häufig so, dass ein Kevin Kampl und Diego Demme in Ballbesitz auf den linken Flügel rausgekippt sind. Ich bin kein Freund davon, weil du immer sehr schlechte Zahlenverhältnisse schaffst. Und dann ist es eben so, dass du irgendwann aus diesen schlechten Zahlenverhältnissen einen langen Ball schlagen musst und dann auf einen zweiten Ball auch nicht immer super gestaffelt bist. Aufgrund einer unfassbar guten Leidenschaft haben sie das aber dennoch immer defensiv gut hinbekommen. Trotzdem bin ich, wie gesagt, in der Offensive kein Freund davon, dir selber immer die letzte Lösung des langen Balls aufzudrücken, weil du dir zu früh und zu viele Spieler in die Spieleröffnung holst. Es muss immer ein interessantes Zahlenverhältnis bleiben.

Generell ist es so: je tiefer der Gegner desto mehr haben Spieler den Drang rauszukippen [im Sinne von sich in einen anderen Mannschaftsteil nach hinten fallenzulassen oder auszuweichen], weil sie das Gefühl haben, keinen Ball zu bekommen und so die Geduld und die Positionstreue verlieren. Je mehr Spieler vor einen tiefen Abwehrblock, wie z.B. in Bremen, abkippen, wird die Wahrscheinlichkeit auf Tore immer geringerer. Die Geduld und Positionstreue auch über einen längeren Zeitraum zu haben, zu warten und auf die Ballbesitzidee des Trainers zu vertrauen, dauert auch ein bisschen. Du musst dem Gegner, wenn du selber den Ball hast, auch immer die Chance geben, auf dich selbst zu reagieren. Wenn du die erste Aktion spielst und sofort in eine Position, die nicht Vorgabe war, abkippst, dann weißt du auch gar nicht, ob der Gegner so reagiert hätte, wie wir uns vorbereitet haben. Du musst eben auch mal ein bisschen warten und dem Gegner die Zeit geben, zu schauen, was macht RB Leipzig. Dann reagieren wir drauf, wie wir es auch vorhersehen wollen und dann können wir unser Ding auch durchspielen.

Diese Geduld haben wir auch gegen Bremen nicht immer gehabt. Wir sind oft noch zu früh auf die Flügel ausgewichen und jeder wollte irgendwie den Ball haben. Da musste Bremen gar nicht drauf reagieren, sondern einfach nur in ihrem 10-Mann-Abwehrblock stehen bleiben. Daher taten wir uns, wenn wir die Standards nicht gehabt hätten, extrem schwer eine Chance herauszuspielen. Hier müssen wir einfach noch ein bisschen geduldiger sein. Was jetzt nicht heißt, langsam zu spielen, sondern trotzdem schnell, aber einfach positionstreuer und nicht so viel und unnötig mit Ball auf dem Feld rumlaufen.


Gibt es denn national oder international andere Trainer oder Teams, die dich aktuell begeistern und du aus taktischen Gründen besonders gern verfolgst?

Dass finde ich immer schwierig, weil Trainer in ihren Klubs immer ganz andere Voraussetzungen haben - egal, ob jetzt eine bessere oder schlechtere Mannschaft. Natürlich ist es außergewöhnlich, was Manchester City und Liverpool in England machen. Aber du kannst jetzt beide nicht mit uns vergleichen. Wir haben keinen Innenverteidiger für 80 Millionen geholt. Dass der Van Dyk, der aktuell wohl beste Innenverteidiger der Welt ist, dass ist wahrscheinlich so. Aber das muss er ja auch sein. Er hat 80 Mio. gekostet. Dass wird Jürgen [Klopp] genauso so sehen. Er wird jetzt nicht jeden Abend sagen: Danke, dass du der beste bist. Sondern eher: Es ist gut, dass du der beste bist, weil ich habe 80 Mio. für dich gezahlt. Ein Vergleich ist daher immer schwierig.

Natürlich kann man sich auch etwas abschauen. Aber es ist trotzdem noch etwas anderes mit Firmino, Mané und Salah vorne zu spielen, als mit Poulsen und Werner. Dass ist auch gar nicht wertend gemeint, im Sinne von besser oder schlechter. Es ist einfach anders. Deswegen ist es immer schwer, sich viel abzuschauen. Natürlich schau ich mir gerne Spiele von Liverpool, City oder Barcelona an, aber eben als Fußballfan und nicht, um mit einem Block dazusitzen und zu sagen: Ja, jetzt mache ich das genauso. Ein Timo Werner oder Yussi sind einfach andere Spieler.


Im letzten Teil erfahrt ihr, was Nagelsmann zum Nachwuchs, der Fanszene und der Red Bull Arena zu sagen hat. Am Donnerstag geht es weiter, stay tuned...

Link: Erster Teil

Das Interview führten Justgroovy und Rumpelstilzchen.


Permalink:
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