DIE UNBEGREIFLICHE SIEGESSERIE DES RB LEIPZIG

Leipzig - (28.10.2024) Ob es die immer noch fehlende Spielstärke am Ball, das kaum noch vorhandene Pressing der ehemaligen Pressingmaschine, Müdigkeit nach dem Flutlichtspiel gegen die Reds oder die Angst ohne Xavi aus der Erfolgsschiene zu entgleisen waren, die das Team in Halbzeit 1 gegen Freiburg hemmte und wie dieses Kaninchen plötzlich zum Fuchs werden konnte, benötigt eine Analyse, die man schwer nur rein objektiv führen kann. Es folgt ein Versuch aus Fansicht.


Vor dem Spiel ist vor dem Spiel
Zweiter gegen Dritter. Eigentlich ein Spiel, das unter gleißendem Flutlicht ausgetragen werden müsste, was der von der DFL vorgeplante Spieltag aber leider nicht hergab. Jedoch wurde die Vorfreude auf diesen Kracher aufgrund der Niederlage gegen Liverpool in der Champions League und der Hiobsbotschaft über Xavis Verletzung deutlich getrübt. Fragen über Fragen, die sich da die entsetzten Fans sowie die Presse stellten, wie zum Beispiel ob Baumgartner Xavi sinnvoll ersetzen kann und wie die Bullen in der Liga auf ihrer Erfolgspur bleiben könnten.
Fans und Experten zum Trotz wählte Rose gegen die ohne ihren alten Trainer Streich immer noch starken Freiburger wieder das 4222 System und stellte Henrichs als linken Verteidiger und Nusa sowie Baumgartner als offensive Mittefeldspieler auf. Statt Vermeeren sollte der alte Haudegen Kampl durch das zentrale Mittelfeld pflügen. Ansonsten waren alle üblichen Verdächtigen auf ihren bekannten Stammpositionen unterwegs. Alle mit dem Ziel, den Schmerz der dritten Europapokalniederlage vergessen zu machen und dem verletzten Xavi einen versöhnlichen Gruß zu senden.
Konnte das gelingen?
Frische Team-News! Unsere Startelf für #RBLSCF 🤺 pic.twitter.com/lyZmmOLjud
— RB Leipzig (@RBLeipzig) October 26, 2024
Der von den Fans geliebte "Skandalbulle" Kampl nach Verletzung wieder in der Startelf
Dreisatz des Spiels
Für den Dreisatz des Spiels gibt es drei Variablen, die zeitlich mit X, für die erste Halbzeit, mit Y, für die zweite Halbzeit und Z, mit der Pressekonferenz nach dem Spiel, aufeinander folgten, aber in umgedrehter Reihenfolge verdeutlichen, warum Leipzig nach einer sehr schwachen ersten Halbzeit, auf die sogar Pfiffe der Fans folgten, einen souveränen Erfolg und einige weitere Rekorde einfahren konnte.
Rose gab in der Pressekonferenz nach dem Spiel zu, dass er von der ersten Hälfte mehr erwartet hatte und die Freiburger ihn und sein Team deutlich überfordert haben. Sicher gab es am Anfang des Spiels zwei bis drei Chancen, durch die Openda RB früh in Führung hätte bringen können und auch am Ende der ersten 45 Minuten musste sich Freiburgs Torhüter einige Male hochklassig strecken, dazwischen dominierten jedoch die Schwarzwälder das Top-Spiel. Der schmale Rückstand zur Pause hätte durchaus höher ausfallen können.
Was Rose aber auch nach dem Spiel verlauten ließ, war der Matchplan für Halbzeit 2. Ein paar Kniffe, die Geertruida, Torschütze zum 2:1, mehr Freiheiten und damit den Zug zum Strafraum ermöglichten und in der Mitte stellte er auf einen Dreieraufbau mit Sechser und über Nusa um. Dafür spielte Baumgartner zentraler, also dort wo er bei Österreich immer wieder Topleistungen zeigt und auch diesmal mit seinen Läufen und Balleroberungen sinnprägend für den Leipziger Erfolg gegen starke Freiburger war. Später wechselte Rose noch völlig unerwartet Silva für Sesko ein und stellte zur Absicherung auf Dreierkette um.
Alle, fast schon für Rose ungewöhnlichen Spieleingriffe, erwiesen sich als Gamechanger. In der Mitte gab es mehr Zugriff, eigene Angriffe bargen mehr Gefahr, Baumgartner wurde zum zentralen Dreh- und Angelpunkt, Geertruida drehte das Spiel, Silva legte die Vorentscheidung auf und an der Dreierkette kamen die Freiburger am Ende nicht mehr so wirklich vorbei.
Wie sagte der Trainer deshalb in der PK so schön: "Hat der Trainer auch was dazu gelernt.". Ein solches Dazulernen ist aktuell notwendig, da mit Raum, Schlager und Xavi wichtige Stützen des Teams fehlen, die Ziele aber nicht verloren sind. Gelingt es auch in Folge so gut auf schwache Phasen zu reagieren, wird RB noch einigen unschönen Umständen trotzen.
Willi Orban nach #RBLSCF:
— RB Leipzig (@RBLeipzig) October 26, 2024
🎙️ "Als Verteidiger zu treffen, ist immer etwas schönes. Heute hat es gleich doppelt geklappt. Wir brauchen das, wenngleich uns einige Widerstände auf dem Platz begleitet haben. Es hat heute etwas gedauert, bis der Motor angesprungen ist. Das Spiel vom… pic.twitter.com/bF0gpwhzeQ
Bester Zweikämpfer der Liga und erneuter Torschütze = Willi Orban
Aufgefallen
1) Gleich zu Beginn mal der erste Rekord, der gegen Freiburg purzeln durfte und aufzeigt, was RB da Woche für Woche in der Bundesliga leistet, aber irgendwie vom Spielansatz schwer begreifbar ist. Die Mauer im Tor, mit bürgerlichen Namen Peter Gulacsi, bekam zwar sein erstes Tor nach 509 Minuten, stellte aber damit einen neuen persönlichen und vereinsinternen Bundesligarekord auf. Dass dieser Tag dann für ihn auf der Bank enden musste, war irgendwie unpassend für dieses Ereignis. Jedoch konnte Leipzigs Nummer 2, Vandevoordt endlich zeigen, was in ihm steckt. Das jede seiner souveränen Aktionen vom Publikum lautstark gefeiert wurden, war ein warmherziger Empfang beim Debüt.
Die ersten Minuten im Trikot der Roten Bullen für #Vandevoordt ⏳🧤
— RB Leipzig (@RBLeipzig) October 27, 2024
Bravo, Maarten 👏#RBLSCF#Bundesliga pic.twitter.com/IvkIeDIAME
Das war mal ein Einstand nach Maß.
2) Wo Rekorde fallen, fallen sie scheinbar nicht allein. Rose ist nun mit 69 Spielen Bundesligarekordtrainer der Rasenball-Bullen. Sein Team ist seit 19 Bundesligaspielen ohne Niederlage und holte noch nie so viele Punkte in der höchsten Spielklasse bis zum achten Spieltag. Zudem sind 3 Gegentore nach 8 Spielen ebenfalls ein Rekord. Das bedeutet auch, dass nun Spieltag für Spieltag die neuen Rekorde gleich wieder fallen können, wenn Leipzig weiter so punktet. Etwas, was besonders in Dortmund schmecken könnte.
3) Das Spiel selbst zu machen, ist wohl nicht mehr der Ansatz Roses. Vielleicht auch als Antwort darauf, dass man mit Ballbesitz nur wenig anfangen kann und letzte Saison Spiele mit viel Ballbesitz unnötig hergegeben hat. Aktuell ist es oft wenig schön, aber erkennbar erfolgreicher. Inwieweit sich diese intensive Abwehrspiel mit dem kleinen Kader auf Dauer durchziehen lässt, wird sich zeigen. Vielleicht ist das Spiel aber deshalb auch in vielen Phasen dosierter, wie es auch der Gästetrainer vor dem Spiel analysierte, der RB viel mehr abwartend wahrnimmt und nicht mehr allein auf Pressing reduziert. Deshalb ist es auch nachvollziehbar, dass nach einem schweren Spiel in der Woche und einigen ungeplanten Umstellungen im Team, eine erste Halbzeit wie diese am Wochenende gegen einen starken Gegner nicht ungewöhnlich daherkommt, das ist auch schon größeren Clubs widerfahren. Ungewöhnlich ist hingegen, wie sehr das Team Wochenende für Wochenende mit Wille und Kampf allen statistischen und spielerischen Werten sowie Verletzungen und schweren Ausfällen trotzt.
🔴⚪ 𝑻-𝑬-𝑨-𝑴 🔴⚪#RBLSCF#Bundesliga pic.twitter.com/F6C6NkzuIE
— RB Leipzig (@RBLeipzig) October 26, 2024
Ein Teamgeist geht um.
4) Beim Musikgeschmack haben wohl Fans und Team unterschiedliche Vorlieben. Wenn die neue Tormusik jedoch Teil der neuen Wettkampfstärke ist, sollte man als Fan nicht allzu engstirnig sein. Immerhin erklingt sie ja nicht grundlos. Vielleicht könnte man noch über den Remix diskutieren. Ansonsten Augen zu und durch, aber nicht davor, da fällt ein Tor.
Neue Torhymne bei RB: „I feel good“ wurde abgelöst, seit heute läuft „Freed from desire“ in einer etwas veränderten Bassversion. Torhymne wurde auf Wunsch der Mannschaft geändert. @SkySportDE pic.twitter.com/LiOe33eRTl
— Philipp Hinze (@philipphinze24) October 26, 2024
Neue Spieler, neue Lieder.
5) Rose ist noch ein Kind ganz alter Leipziger Schule und ihm ist als ehemaligen Lokspieler wohl auch noch die dritte Halbzeit geläufig. Zum Glück hat er so einige Vorzeigeprofis im Kader, die sich nicht zu fein sind, den eigenen Coach auch mal am Kragen vor großen Ungemach zu bewahren. Was da zum Ausflug beider Trainer aufeinander geführt hat, wurde nach dem Spiel kurz angerissen und war scheinbar nur auf die Auslegung eines Fouls an Kampl bezogen. Viel Streit um Nix. Doch auch die Spieler können sich auf ihren Trainer verlassen, der seine Jungs in Schutz gegen die Pfiffe in der ersten Halbzeit nahm. Den Grund der Pfiffe kann der Autor sogar nachvollziehen, da die Freiburger in der Aktion ohne jeglichen Druck, ohne Anlaufen den Ball gefühlt minutenlang am Fuß halten konnten. Für das pressingverwöhnte Leipziger Publikum sicher sehr ungewohnt, aber immer noch kein Grund in dieser Saisonphase und bei der Ausbeute die Spieler so zu behandeln. So sah es auch der Trainer.
Marco Rose nach d. Match! Er spricht es aus.. 👏 (nur Ton) pic.twitter.com/QR2FHYnEXh
— Emily (@Sabine_Frieda) October 26, 2024
Ton laut stellen, anhören und in sich selbst gehen.
Fazit und Ausblick
Wie schon gegen Mainz fängt RB den nächsten großen Ausfall eines Spielers mindestens in der Bundesliga erstaunlich stark auf. Selbst Spieler, die in den letzten Wochen kaum gespielt haben, überzeugen nachhaltig. Hier muss man neben dem starken Baumgartner auch Henrichs, Kampl und Silva erwähnen. Allein bei Sesko ist eine Blockade drin. Die man aber bei dieser Abwehr, die allein drei der letzten fünf Tore auch noch selbst gemacht hat, aktuell auch auffangen kann.
Mit dem eigenen Ergebnis und den Punktverlusten der Verfolger bleibt allein RB an Bayern dran, die leider keine Feder ließen. Dennoch könnte dieser Start lange durch die Saison tragen und für das ein oder andere Topspiel mit dem Polster im Rücken Kraft freisetzen. Knapp ein Drittel der Ausbeute für das Minimalziel Champions League wurden nun nach nur 8 Spielen geholt. Die Konkurrenz strauchelt. Mintzlaff würde sagen, jetzt muss RB da sein. Das wurde wohl am Cottaweg gehört.
Nun folgt aber erstmals das Pokalspiel gegen St. Pauli. Da will man sich für das Unentschieden in der Liga revanchieren. Rose wird laut Ankündigungen rotieren. Bei 15 Feldspielern, die aktuell gesund sind, wird das nicht üppig ausfallen. Entwarnung gibt es wohl bei Openda und Gulacsi, die beide gegen Freiburg verletzt wurden. Dennoch haben die englischen Wochen Leipzig im Griff. Ein dreckiges 1:0 sollte genügen. Das Highlight sollen sich die Jungs für das Wochenende aufbewahren, da geht es noch Dortmund, die 7 Punkte hinter den Bullen liegen und mächtig in der Krise stecken. Ein Remis sollte drin sein. Ein Dreier wäre ein weiteres Ausrufezeichen.
Pressekonferenz
Hier nochmal die Quelle für die Variablen zum Dreisatz.
Kicker – Whoscored – Sofacore – RBL – Bundesliga – FotMob – understat – fbref
Statistik
RB Leipzig: Gulácsi (46. Vandevoordt) – Henrichs, Castello Jr. (80. Bitshiabu), Orbán (C), Geertruida (80. Klostermann) – Haidara (65. Haidara), Kampl – Baumgartner, Nusa – Šeško (65. Silva), Openda
Bank: Zingerle – Elmas, Poulsen, Gebel
SC Freiburg: Atubolu – Rosenfelder, Lienhart, Kübler (68. Sildilla), Günter (C, 87. Ginter) – Höfler, Osterhage – Doan, Dinkçi (87. Höler), Grifo (68. Muslija) – Adamu (68. Gregoritsch)
Bank: Müller – M. Eggestein, Philipp, Ogbus
Schiedsrichter: Sven Jablonski (Bremen)
Tore: 0:1 Doan (15.), 1:1 Orbán (47.), 2:1 Geertruida (58.), 3:1 Openda (78.)
Torschüsse: 12 / 15
Schüsse aufs Tor: 9 / 5
expected Goals: 2,69 / 1,76
Passquote: 81% / 85%
Zweikampfquote: 52% / 48%
Ballbesitz: 43% / 57%
Laufstrecke: 117,08km / 120,06km
Sprints: 202 / 238
Fouls: 9 / 7
Ecken: 3 / 3
Abseits: 1 / 1
Gelbe Karten: Geertruida (1), Openda (1), Vermeeren (2) / Adamu (3), Lienhart (3)
Zuschauer: 45.918
rolei
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